Deggendorf/Freyung/Neureichenau. Dass diejenigen 35 Pflegekräfte, die jüngst ihren Unmut über die Impfpflicht für Pflege- und Krankenhauspersonal per anonymen Brief äußerten, in großen Teilen bei den Kliniken am Goldenen Steig beschäftigt sind, dürfte im Rahmen der bisherigen Hog’n-Berichterstattung deutlich geworden sein. Doch wie gestaltet sich die Lage in weiteren Einrichtungen des regionalen Gesundheitsbereichs? Da Hog’n hat sich umgehört – und bei einer weiteren Klinik, einem regionalen Seniorenheim sowie einem mobilen Pflegedienst nachgefragt.
20 Klienten würden ihre Betreuer verlieren
Eine klare Meinung zum verpflichtenden Piks hat das Pflegeteam Mensch für Mensch. „Wir finden es nicht richtig, dass eine Impfpflicht beschlossen worden ist“, teilen die beiden Gesellschafterinnen Melanie Stadler und Michaela Drexler auf Hog’n-Nachfrage mit. „Ob sich jemand impfen lässt, sollte jedem frei überlassen sein.“ Sieben von insgesamt 35 Mitarbeitern – dazu zählen neben Pflegefach- auch Haushaltskräfte – haben sich bisher kein Covid-19-Vakzin verabreichen lassen. Zwei ungeimpfte Pflegekräfte hätten bereits klar gemacht, dass sie die Kündigung beabsichtigen, sollte die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht für Pflege- und Krankenhauspersonal tatsächlich ab dem 15. März in Kraft treten. Vier Hauswirtschaftskräfte erwägen ähnliche Schritte.
20 Klienten des Freyunger Pflegeteams würden, so rechnet Melanie Stadler vor, dadurch ihre Betreuer verlieren, zu denen diese auch ein persönliches Vertrauensverhältnis aufgebaut haben. Und das in Zeiten, in denen der Fachkräftemangel insbesondere im Pflegebereich immer akuter wird. „Es herrscht auch bei uns Personalnotstand. Die Impfpflicht macht es uns nicht leichter, neue Mitarbeiter zu finden, da viele Bewerber, die nicht geimpft sind und sich auch nicht impfen lassen wollen, von Vorneherein wegfallen.“ Michaela Drexler und ihre Geschäftspartnerin sind davon überzeugt, dass noch weitere Beschäftigte in der Pflegebranche folgen werden, die sich nicht immunisieren lassen wollen – und deshalb ihren Dienst am Menschen quittieren.
„Politische Entscheidung, die wir hinnehmen müssen“
Rund 1.000 Menschen aus dem Gesundheitswesen sind bei der Rosenium GmbH, die 19 Seniorenheime sowie zwei mobile Pflegedienste betreibt, beschäftigt. „Die Impfpflicht betrifft ja alle unsere Mitarbeiter – auch die der Hauswirtschaft und Verwaltung“, macht stellv. Geschäftsführerin Angelika Schwarz deutlich. 95 Prozent der Belegschaft seien bereits Impfstoffe von Moderna, Biontech & Co verabreicht worden. „Kündigungen als Resultat der Impfpflicht sind bis zum heutigen Tag nicht erfolgt“, teilt Geschäftsführer Dr. med. Siegfried Schmidbauer mit, der trotz „angespannter Personalsituation“ mit großer Gelassenheit dem 15. März entgegenblickt.
Denn: Wie in so vielen anderen Pflegeeinrichtungen sind auch bei der Rosenium GmbH, die ihren Hauptsitz in Neureichenau hat, einige Stellen unbesetzt. Entsprechende Ausschreibungen sind getätigt. Von einem Personalnotstand möchte Schmidbauer, der als CSU-Politiker in der aktuellen Legislaturperiode dem Kreistag Freyung-Grafenau angehört, dennoch nicht sprechen. Auch an den Diskussionen rund um die Imfpflicht möchte sich der vielschichtig beschäftigte Mediziner nicht beteiligen: „Hierbei handelt es sich um eine politische Entscheidung, die wir als gegeben hinnehmen und zu deren Sinnhaftigkeit wir uns nicht äußern“, macht Schmidbauer gegenüber dem Onlinemagazin da Hog’n deutlich.
„Wir hätten es begrüßt, darauf zu verzichten zu können“
Das Donau-Isar Klinikum mit seinen drei Standorten Deggendorf, Dingolfing und Landau äußert sich wie folgt: „Wir hätten es begrüßt, wenn man darauf hätte verzichten können oder wenn dies für die gesamte Bevölkerung ausgesprochen worden wäre. Es nur auf die Gesundheitsbranche zu fokussieren, ist zudem nicht fair. Unsere Mitarbeiter haben durch hohe Impfquoten eine große Solidarität gezeigt. Die Impfung selbst halten wir für einen vernünftigen Schutz vor einer schweren COVID-Erkrankung bei vergleichsweise geringen Nebenwirkungen, basierend auf den Erfahrungen mit 9,5 Milliarden (!) Impfdosen“, informiert Pressesprecher Jürgen Stern.
Eine belastbare Auswertungen was die interne Impfquote betrifft, sei schwierig, da man nicht genau feststellen könne, wer sich außer Haus hat impfen lassen. „Wir gehen bisher von 90 Prozent bei den Ärzten und 80 Prozent bei den Pflegekräften aus. Es können aber auch mehr sein.“ Bisher habe eine Person eine Stelle wegen der Impfpflicht nicht angenommen und eine andere hat eine Kündigung angedroht. Weitere könne man, so Jürgen Stern, nicht ausschließen. Um weitere Mitarbeiter vom Piks überzeugen zu können, werden Todimpfstoffe angeboten.
Helmut Weigerstorfer/Titelbild: Alexandra_Koch/pixabay.com
______________