FRG/Passau/REG. Wie der Bundestag noch 2021 beschlossen hatte, gilt in Deutschland ab dem 15. März dieses Jahres die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht für Pflege- und Krankenhauspersonal. Das heißt, dass diejenigen, die bereits in einer entsprechenden Einrichtung beschäftigt sind, sowie diejenigen, die zum 1. Januar dort begonnen haben, bis dahin eine vollständige Corona-Impfung nachweisen müssen. Vor allem Senioren und Seniorinnen in Altenheimen sowie Patienten in den Krankenhäusern sollen so vor einer möglichen Covid-Infektion geschützt werden.
Ein gewisser Widerstand gegen den Beschluss hat sich bereits formiert. So etwa in Form der Privat-Initiative „Pflege zeigt Gesicht„, deren Vertreter sich von Seiten der Politik instrumentalisiert sehen. „Wir stehen täglich im Covid Zimmer, geimpft oder ungeimpft spielt hier keine Rolle. Wir haben gelernt mit Keimen aller Art umzugehen.“ Unter den Protestierenden, die sich Ende November vor dem Krankenhaus in Eggenfelden versammelten, befanden sich ebenfalls Klinikmitarbeiter und – mitarbeiterinnen: „Wir sind weder Corona-Leugner noch -Gegner“, wurde eine Teilnehmerin seitens des Bayerischen Rundfunks zitiert. Man habe lediglich ein Zeichen setzen wollen, dass es Klinikmitarbeitende gebe, die ihren Job liebten, aber ungeimpft weiterarbeiten wollten.
Fragen an regionale Kliniken
Wir wollten von den Arberlandkliniken, den Kliniken am Goldenen Steig sowie dem Klinikum Passau unter anderem wissen, wie die medizinische Leitung generell zum Thema Impfpflicht für das Einrichtungspersonal steht; ob eine generelle Impfpflicht nicht besser wäre als eine nur für bestimmte Berufsgruppen; ob man die Impflicht benötige, um die allgemeine Corona-Situation zu entspannen – oder ob dieses Ziel auch ohne sie durchführbar wäre; ob es überhaupt sinnvoll ist, nur Pflegekräfte und Krankenhauspersonal zum Impfen zu verpflichten, wenn in der Bevölkerung die Quote ohnehin weiter gering bleibt; und ob es Beschäftigte gibt, die aufgrund der Impfpflicht bereits angekündigt haben, entsprechende Konsequenzen zu ziehen.
Klinikum Passau: „Entscheidung wird kontrovers diskutiert“
„Die Einführung der einrichtungsbezogenen Impflicht ist eine politische Entscheidung, die wir entsprechend umsetzen“, teilt Elke Zanner, Pressesprecherin des Klinikums Passau auf Hog’n-Anfrage mit. „Diese Entscheidung wird auch innerhalb Ärzteschaft und Pflegenden kontrovers diskutiert. Es sind allerdings deutlich mehr als 90 Prozent unserer Mitarbeiter geimpft oder genesen.
Grundsätzlich, so Zanner weiter, könne man feststellen, dass eine hohe Durchimpfung der Bevölkerung der einzige Weg sein wird, um aus dieser Pandemie herauszukommen. „Gerade im Hinblick auf die Belastung unserer Intensivstation sehen wir, dass die Impfung in den allermeisten Fällen vor einer schweren Covid-19-Erkrankung schützt. Denn der Großteil unserer Intensivpatienten ist nicht geimpft.“ Bei den Intensivpatienten am Klinikum Passau, die trotz Impfung auf die Intensivstation kommen, handele es sich in fast allen Fällen um Patienten, die aufgrund einer zusätzlichen schweren Erkrankung intensivmedizinisch behandelt werden müssten oder bei denen die Impfung nicht die volle Wirkung entfalten könne, etwa bei Krebs- oder Dialysepatienten.
„Bislang ist uns nicht bekannt, dass Pflegekräfte unseres Hauses aufgrund der beschlossenen Impfpflicht eine Kündigung beabsichtigen. Ob die Impflicht für Pflegeberufe den Fachkräftemangel verstärken wird, lässt sich gegenwärtig ebenfalls nicht beantworten“, informiert Pressesprecherin Zanner weiter. Es sei schwer vorherzusagen, wie sich die Lage in der medizinischen Einrichtung in der Dreiflüssestadt weiterentwickeln wird. Im Moment stagnierten zwar die Zahlen, die Virus-Variante Omikron könne die Lage jedoch sehr schnell verändern und zu einem raschen Anstieg der Patientenzahlen führen, so wie dies in anderen Ländern bereits der Fall sei. „Dies macht uns derzeit große Sorgen. Zumal die generelle Lage in unserem Haus noch immer sehr angespannt ist, allen voran durch die durchgehend hohe Belegung auf der Intensivstation.“
Kliniken Goldener Steig: „Hierzu werden wir uns nicht äußern“
Keine Antworten auf unsere Nachfragen haben wir von Seiten der Kliniken am Goldenen Steig erhalten. „Aufgrund der derzeitigen Situation erreichen uns viele Anfragen rundum das Thema Corona, jedoch sind unsere Ärzte ohnehin einer sehr hohen Belastung ausgesetzt, welche viel Zeit und Kraft in Anspruch nimmt. Aus diesem Grund haben die Verantwortlichen derzeit keine Ressourcen so detaillierte Anfragen zum Thema Corona zu beantworten“, teilt die Pressestelle dazu mit der Bitte um Verständnis mit – und ergänzt: „Selbstverständlich befürworten wir das Impfen und sehen einen klaren Vorteil durch eine hohe Impfquote. Zum Thema Impfpflicht werden wir uns allerdings nicht äußern. Dies ist eine gesetzliche Vorgabe, die wir selbstverständlich umsetzten werden.“
Arberlandkliniken: „Bestrafung der Mitarbeiter“
Die Vorstandsmitglieder der Klinik Kompetenz Bayern (KBB), einem Verbund kommunaler Kliniken aus allen bayerischen Regierungsbezirken, haben ein Schreiben hinsichtlich der Impflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen verfasst, das über die Verantwortlichen der jeweiligen Kliniken an Bundes- und Landespolitiker, Landräte sowie Bürgermeister versendet werden soll. Die Initiative für dieses Schreiben gehe zurück auf den Vorstand der Arberlandkliniken.
„Mit dieser Initiative möchten wir die Verantwortlichen der Politik dringlich darauf hinweisen, dass eine einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht nur im Rahmen der Pandemiebekämpfung zu kurz greift, sondern darüber hinaus als Bestrafung der Mitarbeiter in den Kliniken, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen angesehen werden kann. Dagegen möchten wir vorgehen, da wir uns nur dann gegen die Pandemie stemmen können, wenn wir alle Mitarbeiter an Bord haben, egal ob geimpft oder ungeimpft“, so die Kern-Botschaft der Stellungnahme. Eine Impfpflicht ausschließlich für Beschäftigte im Gesundheitswesen gefährde die Gesundheitsversorgung, heißt es darin weiter. Diese sei „ein Schlag ins Gesicht“ für das Personal . Man fordere deshalb eine allgemeine Impflicht für alle Bürgerinnen und Bürger.
Die überwiegende Mehrheit der Mitarbeiterschaft habe sehr früh Verantwortung übernommen und sich impfen und boostern lassen. „Wir haben in unseren Einrichtungen Impfquoten, die weit über dem Durchschnitt der Bevölkerung liegen. Wir haben bisher mit kontinuierlichen Angeboten an unsere Beschäftigten und mit Aufklärung die Impfquote auf dieses hohe Niveau gebracht“, ist dem Schreiben weiter zu entnehmen.
„Aber es gibt auch in unserer Belegschaft Mitarbeitende, die eine Impfung bisher abgelehnt haben und auch weiterhin ablehnen. Aufgrund der Rückmeldungen, die die Ankündigung der Impfpflicht ausgelöst haben, sehen wir, dass die jetzt gefassten Beschlüsse als Bestrafung der Mitarbeiter in den Kliniken, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen gesehen werden. Für unsere Beschäftigten ist die gesetzlich verordnete Impfpflicht nicht nachvollziehbar und kann von uns auch nicht erklärt werden, wenn gleichzeitig am 17.12.2021 von Mitgliedern der Regierungskoalition, wie dem Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Kubicki und der gesundheitspolitischen Sprecherin der FPD-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, verkündet wird, dass eine allgemeine Impfpflicht nicht durchsetzbar sei.“
„Prekäre Personalsituation gefährdet die Gesundheitsversorgung“
Alle Experten seien sich zwischenzeitlich einig, dass nur mit einer sehr hohen Impfquote die Pandemie eingedämmt werden kann, so die Verfasser der KBB. Die Impfpflicht nur für die in den Gesundheitseinrichtungen noch nicht geimpften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werde sicher nicht ausreichen, um die Infektionszahlen einzudämmen, zumal die Kliniken und Arztpraxen keine Infektionshotspots seien. „Die Rückmeldungen zeigen uns, dass wir mit Sicherheit auch nicht geimpfte Mitarbeiter verlieren werden, wenn die Impfpflicht in der jetzt beschlossenen Form nur für Beschäftigte im Gesundheitswesen durchgesetzt wird. Die ohnehin schon sehr prekäre Personalsituation in den Kliniken kann und wird sich dadurch weiter verschärfen und gefährdet die Gesundheitsversorgung.“
Stephan Hörhammer