Zwiesel. Die momentane Aufregung rund um das Thema „einrichtungsbezogene Impfpflicht für Pflege- und Krankenhauspersonal“ ist groß. Diese wurde noch im vergangenen Jahr im Bundestag beschlossen. Seither spalten sich die Meinungen darüber, wie auch die Diskussion auf unserem Hog’n-Facebook-Kanal zum jüngst erschienen Bericht über 35 Pflegekräfte aus der Region, die per anonymem Brief ihre ablehnende Haltung gegenüber der ab 15. März in Kraft tretenden Impflicht deutlich kommuniziert haben.

„Die Impfpflicht nur für die in den Gesundheitseinrichtungen noch nicht geimpften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird jedoch sicher nicht ausreichen, um die Infektionszahlen einzudämmen, zumal die Kliniken und Arztpraxen keine Infektionshotspots sind“, teilt Korbinian Geiger, Sprecher der Arberlandkliniken, auf Hog’n-Nachfrage mit. Foto: Hog’n-Archiv
Zu den Kritikern gehören auch die Verantwortlichen der Arberlandkliniken, auf deren Initiative hin der Verbund Klinik Kompetenz Bayern (KBB) ein Schreiben verfasste, das über die Verantwortlichen der jeweiligen Mitgliedskliniken an Bundes- und Landespolitiker, Landräte sowie Bürgermeister versandt wurde (da Hog’n berichtete). Wir haben daher nochmals bei Korbinian Geiger, dem Leiter der Unternehmenskommunikation, nachgehakt in Sachen Impflicht für Beschäftigte im Gesundheitsbereich der Arberlandkliniken – und ihn unter anderem gefragt, was – arbeitsrechtlich betrachtet – mit denjenigen Pflegekräften passiert, die bis zum Stichtag 15. März ungeimpft bleiben.
„Nicht-Geimpfte werden die Gesundheitsbranche wohl verlassen“
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht fordert: Jeder Beschäftigte im Pflege- und Gesundheitswesen muss damit ab dem 16. März 2022 verpflichtend eine vollständige Corona-Impfung nachweisen. Eine aus Ihrer Sicht begrüßenswerte Entwicklung?
Arberlandkliniken: Die vom Bundestag beschlossene Impflicht für die Beschäftigten im Gesundheitswesen mag zwar ein weiterer Schritt in der Pandemiebekämpfung sein, diese greift aus Sicht der Arberlandkliniken jedoch deutlich zu kurz und ist sogar eher als Affront den Beschäftigten im Gesundheitswesen gegenüber zu sehen. Die überwiegende Mehrheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat bereits sehr früh Verantwortung übernommen und sich impfen und boostern lassen. In den Arberlandkliniken setzen wir diesbezüglich auf kontinuierliche Aufklärung sowie niedrigschwellige Impfangebote für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

„Die überwiegende Mehrheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat bereits sehr früh Verantwortung übernommen und sich impfen und boostern lassen.“
Sofern es bei einer lediglich einrichtungsbezogenen Impfpflicht für die Beschäftigten im Gesundheitswesen bleibt, ist damit zu rechnen, dass nicht geimpfte Beschäftigte die Gesundheitsbranche verlassen werden, wodurch sich die ohnehin schon sehr prekäre Personalsituation in den Kliniken weiter verschärfen und entsprechend die Gesundheitsversorgung zunehmend gefährdet sein wird.
Wäre Ihrer Meinung nach eine generelle Impfpflicht besser als eine nur für bestimmte Berufsgruppen?
Arberlandkliniken: Alle Experten sind sich zwischenzeitlich einig, dass nur mit einer sehr hohen Impfquote die Pandemie eingedämmt werden kann. Die Impfpflicht nur für die in den Gesundheitseinrichtungen noch nicht geimpften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird jedoch sicher nicht ausreichen, um die Infektionszahlen einzudämmen, zumal die Kliniken und Arztpraxen keine Infektionshotspots sind.
Ab welchem Alter ist eine generelle Impfpflicht Ihrer Meinung nach notwendig?
Arberlandkliniken: Hierzu wollen wir keine Aussage treffen und überlassen die Diskussion den Experten.
„Impfpflicht allein fürs Pflegepersonal wird nicht ausreichen“
Im Hinblick auf die Auslastung der Intensivstationen: Brauchen wir die Impfpflicht, um die Situation zu entspannen – oder würde es in ihren Augen auch ohne sie klappen?
Arberlandkliniken: In den Arberlandkliniken waren COVID-Patienten, welche intensivmedizinisch behandelt werden mussten, überwiegend nicht oder lediglich einmal geimpft. Daraus folgt, dass Personen, die zwei oder drei Impfdosen erhalten haben, deutlich besser vor schweren Verläufen geschützt sind und entsprechend nicht auf der Intensivstation lagen.

„Damit verbunden sind auch zwingend die Verschiebungen von sogenannten elektiven Operationen, die für unsere Ärzte ein ethisches Problem darstellen.“
Eine höhere Quote vollständig geimpfter bzw. geboosterter Personen würde demnach sicherlich helfen, die Belegungssituation auf den Intensivstationen zu reduzieren. Damit verbunden sind auch zwingend die Verschiebungen von sogenannten elektiven Operationen, die für unsere Ärzte ein ethisches Problem darstellen, da wir für alle Patienten da sein wollen. Sollte es weiterhin Knappheit bei den Intensivkapazitäten geben, wird es weiterhin Einschränkungen bei der Versorgung von operativen Patienten geben, was nicht im Sinne der Solidargemeinschaft sein sollte. Auch diese Patienten haben uneingeschränkt ein Recht auf zeitnahe Versorgung ihrer Leiden. Dieser Aspekt wurde von der Bundes- und Landespolitik leider seit März 2020 stark in den Hintergrund gestellt.
Was bringt es überhaupt, nur Pflegekräfte und Krankenhauspersonal zum Impfen zu verpflichten, wenn in der Bevölkerung die Quote weiter gering bleibt?
Arberlandkliniken: Alle Experten sind sich zwischenzeitlich einig, dass nur mit einer sehr hohen Impfquote die Pandemie eingedämmt werden kann. Die Impfpflicht nur für die in den Gesundheitseinrichtungen noch nicht geimpften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird jedoch sicher nicht ausreichen, um die Infektionszahlen einzudämmen, zumal die Kliniken und Arztpraxen keine Infektionshotspots sind.
„Sind verpflichtet Mitarbeiter ans Gesundheitsamt zu melden“
Gibt es bereits Personal, das aufgrund der beschlossenen Impfpflicht angekündigt hat, entsprechende Konsequenzen – wie etwa eine Kündigung – in Betracht zu ziehen?
Arberlandkliniken: Bisher ist noch kein Mitarbeiter bzw. keine Mitarbeiterin mit einer Kündigung begründet in der einrichtungsbezogenen Impfpflicht auf uns zugekommen. Jedoch ist generell mit Abwanderungen aus der Gesundheitsbranche zu rechnen, sollte es bei der Impfpflicht lediglich für Beschäftigte im Gesundheitswesen bleiben.

Wie berichtet, hatten 35 Pflegekräfte aus dem Raum Bayerischer Wald jüngst per anonymem Schreiben ihrem Unmut gegenüber der beschlossenen Impflicht Luft verschafft.
Unsere Personalvertretung, aber auch die Unternehmensleitung erwarten jedoch bei der aktuellen Regelung mit dem selben Stichtag tatsächlich zahlreiche Mitarbeiter, die von uns nicht mehr eingesetzt werden können. Wir erleben aktuell eine Phase, in der nicht-impfwillige Mitarbeiter abwarten, was die Politik entscheidet und wie wir als Kliniken damit dann umgehen. Aufgrund der mehrmaligen, teilweise äußerst kurzfristigen Verschiebung der Stichtage für die schon verpflichtenden Masern-Impfungen – zuletzt kurz vor Weihnachten für den Stichtag 31.12.2021 – besteht bei einigen Mitarbeitern die Erwartungshaltung, dass dies auch bei den Corona-Impfungen der Fall sein wird, weswegen hier abgewartet wird. Wir sehen dies aber als durchaus kritisch an.
Kritiker der Impfpflicht für Krankenhauspersonal behaupten, dass dadurch der ohnehin vorherrschende Mangel an Fachkräften im Pflegebereich weiter nachlassen könnte: Wie sehen Sie das?
Arberlandkliniken: Selbst eine geringe Kündigungsquote auf Grund der einrichtungsbezogenen Impfpflicht hätte sicherlich negative Auswirkungen auf den bereits bestehenden Fachkräftemangel im Pflegebereich wie auch auf die zur Verfügung stehenden Behandlungskapazitäten der Kliniken. Dies beginnt aber auch schon beim Reinigungsdienst und den Küchenmitarbeitern und setzt sich im pflegerischen wie im ärztlichen Dienst fort. Hier würde es zu Einschnitten im gesamten Gesundheitsbereich kommen.
Ganz konkret: Was passiert – arbeitsrechtlich betrachtet – mit denjenigen Pflegekräften, die bis zum Stichtag 15. März ungeimpft bleiben? Werden diese dann freigestellt? Müssen diese kündigen? Und: Welche Rolle spielt dabei das örtliche Gesundheitsamt?

Die Arberlandkliniken (im Bild: die Klinik in Zwiesel) beschäftigen laut Homepage derzeit rund 1.000 Personen.
Die Arberlandkliniken sind verpflichtet, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, welche zum Stichtag ungeimpft sind bzw. zu diesem Zeitpunkt nicht als genesen gelten, an das Gesundheitsamt zu melden. Das Gesundheitsamt trifft anschließend die Entscheidung, ob die entsprechenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterbeschäftigt werden dürfen.
Bei negativer Rückmeldung des Gesundheitsamtes, wäre die Folge eine Freistellung ohne Lohnfortzahlung. Die Arberlandkliniken werden jedoch sicherlich keine Kündigungen aussprechen, da wir uns bewusst sind, wie wichtig jeder einzelne Beschäftigte für unser Unternehmen sowie die Gesundheitsversorgung der Landkreisbevölkerung ist.
„… und wir ganz normal unsere Patienten versorgen könnten“
Wie blicken Sie auf die zunehmende Zahl von geimpften Patienten auf den Intensivstationen?
Arberlandkliniken: Sofern geimpfte Patienten auf unseren Intensivstationen behandelt werden müssen, so handelt es sich überwiegend um Patienten, die lediglich eine einzige Impfdosis erhalten haben. Patienten die zweifach oder gar dreifach geimpft sind, bedürfen nach aktuellem Stand in den Arberlandkliniken deutlich seltener intensivmedizinischen Behandlung bzw. es handelt sich dann vor allem um Patienten, die Vorerkrankungen haben oder über 70 Jahre alt sind.
Wie wird sich Ihrer Meinung nach die weitere Corona-Lage in Ihrem Krankenhaus in diesem Winter entwickeln?
Arberlandkliniken: Aufgrund der Beobachtungen in Nachbarländern gehen wir davon aus, dass die aktuellen Inzidenzsteigerungen zu einer deutlich erhöhten Hospitalisierung der Bevölkerung führen wird – und auch unsere Intensivkapazitäten wieder stark belastet werden. Verbunden mit möglichen zusätzlichen Personalausfällen befürchten wir, dass sich die seit Mitte Dezember abzeichnende Entspannung wieder auflösen und ein erneuter Krisenbetrieb unumgänglich sein wird. Alle Klinikmitarbeiter würden sich aber freuen, wenn sich das Szenario des Expertenbeirats der Bundesregierung nicht einstellen würde – und wir ganz normal unsere Patienten versorgen könnten.
die Fragen stellte: Stephan Hörhammer