Bayerischer Wald. Die Holzwirtschaft gehört zum Broterwerb des Bayerischen Waldes schlechthin – egal, ob es um die Ernte (Waldbauern), Weiterverarbeitung (Sägewerke) oder Veredelung (Zimmereien, Schreinereien) geht. Es verwundert also nicht, dass Entwicklungen in dieser traditionellen Wertschöpfungskette unter strenger Beobachtung stehen – und Extreme auf dem Holzmarkt teilweise hitzig diskutiert werden. Nachdem sich im vergangenen Jahr der Holzpreis auf einem Rekordtief befand, hat sich die Lage heuer etwas entspannt. Gleichzeitig steigen jedoch die Kosten für Bauholz, das inzwischen Mangelware ist. Hinzu kommt eine Verordnung des Landwirtschaftsministeriums, das den Einschlag von Fichten bis Ende September einschränkt.
Viele Themen, viele Betroffene, viele Emotionen – so lässt sich kurz und knapp die aktuelle Lage in der Holzwirtschaft beschreiben. Auf der Suche nach Antworten auf die offensichtlichsten Fragen hat sich das Onlinemagazin da Hog’n an Alexander Schulze vom Netzwerk C.A.R.M.E.N. (Centrales Agrar-Rohstoff Marketing- und Energie-Netzwerk) gewandt. Der Diplom-Forstwirt spricht Kraft seines Amtes für 27.000 Unternehmen und 13.000 Privatpersonen aus dem Freistaat Bayern und den unmittelbaren Anrainer-Regionen.
„Das Holz ist da, es geht nur andere Wege“
Herr Schulze, wie bewerten Sie den aktuellen Holzmarkt?
Unzweifelhaft ist der Holzmarkt in Aufruhr. Der Markt ist derzeit sehr volatil. Verwender von Schnittholz sehen sich ungeahnt hohen Holzpreisen gegenüber, während sich der Preis für den Rohstoff aus dem Wald nach den Kalamitäten des letzten Jahres nur langsam – aber immerhin – erholt.
Wie ist die Lage tatsächlich: Herrscht de facto ein Mangel an Bauholz?
Es wird so viel Holz geerntet und eingeschnitten wie noch nie. Das Holz ist da, es geht nur andere Wege. Eine Vielzahl von Effekten überlagert sich zu dieser Situation.
Wie schaut’s beim Brennholz aus?
Jetzt und auch perspektivisch sehe ich hier keine größeren Verwerfungen.
Wie dramatisch ist die Lage insgesamt?
Die Antwort ist unterschiedlich, je nachdem, wer gefragt wird: Für Waldbesitzer zeichnet sich ein Silberstreifen am Horizont ab, kleine Sägewerke freuen sich über eine stabile Holzversorgung – und große Sägewerke profitieren von einem derzeitigen Verkäufermarkt. Bei den Schnittholzverbrauchern – sprich: Weiterverarbeiter, Zimmereibetriebe und Privatkunden – sieht die Lage dramatischer aus und viele hoffen auf eine Marktberuhigung in der zweiten Jahreshälfte.
Droht den Holz-Endverarbeitern – Schreinern, Zimmerern etc – ein Komplett-Ausfall?
Nein, davon muss man nicht ausgehen. Aber unstrittig kann die Situation für einzelne Marktteilnehmer überdramatisch werden.
Wie beurteilen Sie angesichts dessen die Verordnung von Bundes-Landwirtschaftsministerin Klöckner, die den Holzeinschlag bis 31. September auf ein Minimum reduziert? Gleichzeitig reißt die Schlange an Holztransportern, die Bäume beispielsweise aus Tschechien nach Deutschland importieren, nicht ab. Verstehen Sie hier den Unmut der Waldbauern, die nicht einschlagen dürfen?
„Die Borkenkäfer-Gefahr ist alles andere als gebannt“
Der Einschlag ist um 15 Prozent für frisches Fichtenholz reduziert und es gibt seit dem 20. Mai eine Bagatellgrenze für Waldbesitzer. Auch bleibt der Einschlag von Käferholz möglich. Die Verordnung war zum Beschlusszeitpunkt sicher richtig, nur ist ihr Inkrafttreten mit einer völlig anderen internationalen Holzmarktsituation kollidiert. Grundsätzlich ist der Holzimport und -export ein wichtiger Versorgungsweg für die regionale Holzbranche und ein wichtiger Absatzmarkt. Wir brauchen beides.
Wie versuchen Sie als Netzwerkverantwortlicher hier zu vermitteln bzw. die Gemüter zu besänftigen?
Wir bringen uns in die politische Diskussion ein, klären mit Unterstützung der Medien die Öffentlichkeit über die Zusammenhänge auf und versuchen Lösungsstrategien mit den Marktpartnern zu erarbeiten.
In den vergangenen Jahren noch gab es infolge von Stürmen und dem vermehrten Borkenkäferbefall Holz ohne Ende. Warum ist das plötzlich nicht mehr der Fall?
Heuer blieben bisher die Frühjahrsstürme aus und der Borkenkäfer fliegt dank der niedrigen Temperaturen auf geringem Niveau. Aber die Gefahr ist alles andere als gebannt.
Wer hat „Schuld“ an diesen extremen Entwicklungen des Holzmarktes?
Eine konstant gute Entwicklung im Holzbausektor, eine hohe internationale Nachfrage aus USA und China, eine anspringende Konjunktur nach Corona, eine Mengen aufsaugende Lagerhaltung und eine vorsorgende Bestellstrategie der Holzverbraucher – alles weist den Preisen den Weg nach oben.
„Das Regionale gewinnt“
Auf der einen Seite herrscht Bauholz-Mangel, auf der anderen wird Holz weiterhin in großen Mengen exportiert. Wie passt das zusammen? Und: Was fordert C.A.R.M.E.N. e.V. in diesem Zusammenhang?
Bauholz ist ein internationales Handelsgut. Bayerisches Holz erfährt eine starke Nachfrage aus dem Ausland, die bei entsprechenden Preisen auch gedeckt wird. Unser Petitum an die Marktpartner entlang der gesamten Wertschöpfungskette über alle Absatzstufen ist es, nach langfristig tragfähigen Kunden-Lieferanten-Beziehungen zu streben, die Materialversorgung garantieren und gleichzeitig auskömmliche Preise sichern. Das Regionale gewinnt.
Wie lässt sich der Bauholz-Mangel wieder aus der Welt schaffen?
Da es sich nicht um einen Mangel im eigentlichen Sinn, sondern um ein Verteilproblem handelt, könnte der selbstgesteuerte Ausweg die Regionalisierung der Holzströme sein. Angefangen bei einer Nachfrage nach regionalem Holz, die nur von regionalen Sägern von regionalen Waldbesitzern bedient werden kann. International sehen wir bereits einen Rückgang der Schnittholz-Preise in Amerika, was auch für uns ein Preissignal ist.
Der Holzpreis für Bäume direkt ab Wald hat sich zuletzt auf einem Rekordtief befunden. Die erhöhte Nachfrage dürfte nun wieder für einen Anstieg sorgen. Wie wird sich der Holzpreis aus Ihrer Sicht entwickeln?
Seit Anfang des Jahres entwickelt sich der Holzpreis aus der Sicht der Waldbesitzer in die richtige Richtung. Wir sind wieder auf einem Preisniveau, das für viele als Einschlagssignal gewertet wird. Holzpreise hängen aber von vielen weder beeinflussbaren noch vorhersehbaren Faktoren ab. Weder die Sturm- noch die Käfersaison 2021 ist vorbei. Waldbesitzer tun seit Generationen gut daran, ihren Einschlag an den Erfordernissen des Waldes und jetzt auch speziell des Waldumbaus auszurichten.
„Eine vertrauensvolle Geschäftsbeziehung soll das Argument sein“
Bedeutet ein höherer Bauholz-Endpreis gleichzeitig eine bessere Auslöse für die Waldbauern in Sachen Hölzer ab Wald?
Gleichzeitig im Sinne von „automatisch“ nicht, aber grundsätzlich sind Sägewerke leichter in der Lage höhere Rundholzpreise zu zahlen, wenn sie bessere Schnittholzpreise erzielen. Doch nicht der kurzfristig höhere Ertrag, sondern eine vertrauensvolle Geschäftsbeziehung – besonders in Krisenzeiten – sollte das Argument sein.
Wie kann sichergestellt werden, dass der höhere Bauholz-Endpreis auch tatsächlich bei den Waldbauern ankommt?
Wenn Bauholz nicht der einzige Verwendungszweck des Rohstoffes ist und die Waldbauern alternative Absatzmöglichkeiten haben. Das kann die Verteilung auf verschiedene Sägewerke bedeuten oder neue Absatzwege im Sinne einer bioökonomischen Ganzbaumnutzung – noch Zukunftsmusik, aber Gegenstand der internationalen Holzforschung.
Gibt es abschließend weitere Anmerkungen Ihrerseits?
Die Situation ist dramatisch, aber die Politik hat die Zeichen erkannt. Ein stabiler Absatzmarkt für Holz durch eine vielfältige, stabile Holzverwendung auf hohem Niveau ist auch das Ziel des am 20. Mai beschlossenen Aktionsplanes Holz der Bayerischen Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Michaela Kaniber. Alle Marktteilnehmer tun gut daran, besonnen zu agieren. Die tatsächliche oder empfundene Knappheit des Schnittholzes ist ein Phänomen, das alle Bauprodukte betrifft, aber: Unser Holz wächst nach, der Wald ist auf unserer Seite.
Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft.
Interview: Helmut Weigerstorfer