Landshut. Der Anruf kam überraschend. Am Apparat: ein recht aufgebrachter Dr. Volker Herrmann, ehemaliger Museumsleiter der niederbayerischen Freilichtmuseen Massing und Finsterau. Der promovierte Archäologe sei nun, „nach immerhin viereinhalb Monaten Bedenkzeit“, dazu bereit, die Fragen des Onlinemagazins da Hog’n zu beantworten (siehe Interview) und gewisse Dinge klarzustellen, die sich im Zuge seiner Freistellung durch die Zweckverbandsversammlung Ende des vergangenen Jahres ergeben hatten. Er wolle auch deshalb an die Öffentlichkeit gehen, da man „den Neuen nicht ins offene Messer laufen lassen kann“. Gemeint ist sein Nachfolger, den der Bezirk Niederbayern am heutigen Donnerstag bekannt gegeben hat – was Herrmann zufolge „kaum einer gewissen Ironie des Schicksals entbehrt“.
Der Fall Volker Herrmann, dem im November 2020 geschassten Leiter der niederbayerischen Freilichtmuseen, sorgte in den vergangenen Wochen und Monaten für überregionale Schlagzeilen (zuletzt berichtete die Süddeutsche Zeitung). Der Passauer Bezirksrat Urban Mangold appellierte in der Folge öffentlich an Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich, im Zuge eines Neustarts den Vorsitz im Träger-Zweckverband doch an seinen Stellvertreter (Dr. Thomas Pröckl) zu übertragen. Heinrich reagierte darauf pikiert und warf Mangold „eklatante Unkenntnis der Arbeit und der Situation im Zweckverband“ sowie „Wissenslücken“ vor (da Hog’n berichtete).
Freistellung eine „Farce“ – Gremium ein „Tribunal“
„Ich möchte die Sache nun zu Ende führen“, teilt Herrmann gegenüber dem Hog’n mit. Er wolle sein Schweigen nun brechen und die Karten auf den Tisch legen. Dass dies mit der Bekanntgabe des neuen Museumsleiters einhergehe, sei dem Zufall geschuldet. Nach dem schweren persönlichen Schicksalsschlag seiner Entlassung beim Zweckverband finde er erst jetzt wieder die nötige Kraft, offene und ehrliche Worte an die Bevölkerung zu richten, so der 53-Jährige. „Gerade in einer funktionierenden Demokratie hat sie ein Recht darauf, möglichst umfassend und transparent von allen Seiten informiert zu werden. Dies ist in meiner Causa bislang von Beginn an nicht geschehen, was nicht in erster Linie an meinem Schweigen, sondern vielmehr an der Vertuschungs- und eigennützigen Rechtfertigungspolitik anderer sowie der unverständlichen schweigenden Tolerierung einiger weiterer Akteure liegt.“
Jener 9. November, der Tag seiner fristlosen Freistellung („ein Schicksalstag nicht nur für mich“), bezeichnet Volker Herrmann als eine Farce, da er in der außerordentlichen Sitzung des Zweckverbands keine Möglichkeit bekommen habe, seine Sicht der Dinge zu schildern. Er bezweifelt daher die Rechtmäßigkeit des Verfahrens und bezeichnet das Entscheidungsgremium als „Tribunal“. E-Mails mit inhaltlichen Fakten zu möglichen Kritikpunkten an seiner Arbeit, die er im Vorfeld an den Zweckverbandsvorsitzenden Olaf Heinrich und die Geschäftsleitung gesandt habe, seien dem Gremium „offenbar völlig oder zumindest in ganz wesentlichen Punkten vorenthalten“ worden, wie Herrmann aus gesicherter Quelle erfahren haben will.
„Sowohl in gesellschaftlich-ethischer als auch in rechtstaatlich-personalrechtlicher Hinsicht muss dies eigentlich Empörung hervorrufen“, so Herrmann weiter. Dies sei jedoch nicht geschehen, was rückblickend aus seiner Sicht nicht nur für ihn unerträglich sein dürfte. „Zur Ehrenrettung aller gilt in jedem Falle aber die Unschuldsvermutung. Vielleicht wussten diejenigen, die entschieden haben, gar nicht so genau, was sie tatsächlich beschlossen hatten, wurden ihnen doch offenbar bewusst entscheidende Fakten vorenthalten und andere aus der Sicht von Dr. Heinrich umgedeutet.“
„In einer Demokratie ungeheuerlich“
Des Weiteren trage Herrmann zufolge dieses auch in anderen Zusammenhängen im Zweckverband zu beobachtende politische Agieren des Verbandsvorsitzenden „angesichts satter Mehrheitsverhältnisse beinahe autokratische Züge“. Er habe sich, wie er dem Hog’n gegenüber mitteilt, nicht träumen lassen, „dass offenbar keiner der Anwesenden den von Dr. Heinrich gegen mich inszenierten Schauprozess unter Protest verlassen würde“. Sein Fazit: „Angesichts der schweren persönlichen Konsequenzen für mich als Beschuldigten ist dies tatsächlich mehr als unverständlich.“ Doch auch die Kollateralschäden im Zweckverband, in der Mitarbeiterschaft und in der öffentlichen Wahrnehmung seien immens.
Heinrichs Aussage gegenüber der SZ, er, Herrmann, habe durch seine Arbeit „viel Porzellan zerschlagen“, wertet dieser als öffentliche Verleumdung. „Die ebenfalls öffentlich gemachten Aussagen, ich hätte hinsichtlich der Nutzung von Dienstwagen und Handy nach der Freistellung gelogen und hätte zudem Kritikpunkte der Geschäftsleitung nicht ernst genommen, sind gezielte fake News, wie sie leider auch von Presseabteilungen demokratisch gewählter Volksvertreter verbreitet werden. Dies ist alleine schon zutiefst verletzend, darüber hinaus aber auch in einer Demokratie ungeheuerlich. Damit schadet jeder, der dies in solcher Weise praktiziert, bewusst oder unbewusst dem demokratischen Diskurs und facht ein Feuer an, das schwer zu löschen ist“, erhebt der ehemalige Museumsleiter schwere Vorwürfe.
Die nötige Transparenz, Offenheit und Ehrlichkeit, die Herrmann zufolge gerade eine wissenschaftlich geführte Kulturinstitution wie die Freilichtmuseen für ihre Authentizität und Glaubwürdigkeit braucht, werde im Zweckverband gegenüber manch politischem Kalkül und den damit verbundenen heimlichen Feindschaften hinten angestellt. Das mit vielen Steuergeldern geförderte gesellschaftliche Gut freier Museumseinrichtungen dürfe seiner Meinung nach nicht dem Machtstreben einiger Akteure geopfert werden. „Vertrauen, Transparenz und Offenheit im Miteinander sind gesellschaftliche Werte, für die ich nicht nur in meiner Museumsarbeit und als Wissenschaftler stehe, sondern die ich auch in meiner Arbeit in Niederbayern von allen eingefordert habe. Letztlich waren es genau diese fehlenden Werte, an denen unsere Zusammenarbeit im Zweckverband zerbrochen ist.“
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„Das ist dreist“ – Dr. Volker Herrmann im Hog’n-Interview
Im folgenden Wortlaut-Interview, das uns Dr. Volker Herrmann in schriftlicher Form beantwortet hat, erhebt der ehemalige Museumsleiter weiter schwere Vorwürfe insbesondere gegen das Verhalten von Bezirkstagspräsident und Zweckverbandsvorsitzenden Dr. Olaf Heinrich. Herrmann spricht vom Vertrauensmissbrauch, von einem „gewachsenen System der Ängste“ und davon, dass die Entscheidung der Zweckverbandsversammlung vom 9. November ihm und seiner Familie psychisch zugesetzt habe:
Nach sechsmonatiger Probezeit endete Ihr Engagement als Leiter der Freilichtmuseen mit Ablauf des Monats November. Der Lokalzeitung gegenüber sprachen sie von „übelsten Angriffen“ gegen ihre Person. Auch davon, dass niemand mit ihnen ein Wort im Vorfeld der Entscheidung gewechselt habe. Unserem Magazin gegenüber hatten Sie ebenfalls bestätigt, dass sehr viel „schmutzige Wäsche“ gewaschen worden und vieles unsauber vonstattengegangen sei. Was ist vorgefallen zwischen Ihnen und Ihrem (ehemaligen) Arbeitgeber? Welche Differenzen hat es (hinter den Kulissen) gegeben?
Es gab keine Differenzen, es gab nur verschiedene Ansichten, die in Gesprächen zu klären gewesen wären und zum größten Teil auch geklärt wurden. Von Seiten Dr. Heinrich wurde allerdings mein intensives Bemühen um Klärungen an vielen Fronten – intern wie extern – bewusst hintertrieben.
Der Bezirk wies im Rahmen einer auf den Zeitungsartikel folgenden Stellungnahme durch Pressesprecherin Christine Knott einige Ihrer Aussagen als unrichtig zurück. Drastisch dargestellt wurden Sie, was etwa die Nutzung des Diensthandys, -notbooks etc. betrifft, der Lüge bezichtigt. Wie blicken Sie aus heutiger Sicht darauf zurück?
Es sagt schon viel aus, dass die Hiobsbotschaft meiner fristlosen Freistellung nicht wie angemessen von Dr. Heinrich, sondern von seinem Personalleiter im Zweckverband überbracht wurde. Zur umgehenden Abgabe aller Schlüssel, Handy, Laptop und Dienstwagen wurde ich am 9. November abends bei diesem Telefonat aufgefordert. Erst nachdem ich intervenierte und auf Unverhältnismäßigkeit verwiesen habe, gab der Personalverantwortliche sinngemäß zurück: Naja, das mit der Freistellung habe ich auch nicht so recht verstanden. Geben Sie halt die Sachen so früh wie möglich ab, aber übertreiben Sie nicht, sonst gibt es Ärger mit Dr. Heinrich.
Das Schreiben mit Hinweis auf die umgehende Abgabe der Gegenstände erreichte mich dann auf Umwegen an meiner Wohnortadresse. Schriftlich wurde die Änderung nie widerrufen und hat damit auch Bestand – und hätte rechtlich auch gegen mich verwendet werden können. Insofern mich der Lüge zu bezichtigen, ist dreist! Die nicht schriftlich widerrufene Fassung der Freistellung war und ist in jedem
Falle rechtswidrig.
„Halten Sie sich besser von der Politik fern“
Weiter heißt es, dass Sie von der Geschäftsleitung aufgefordert worden sind, gewisse Kritikpunkte ernst zu nehmen und ihr Verhalten entsprechend anzupassen.
Wahr ist nur, dass Dr. Heinrich mich anlässlich eines von mir gewünschten Gesprächstermins im Freyunger Bürgermeisteramt damit konfrontiert hat, dass er gerade mit dem Geschäftsführer telefoniert habe, und dieser ihm jene Botschaft überbracht habe. Ob diese Aussage wahr oder falsch ist, kann ich nicht sagen. Alle von mir angestrebten Mehraugengespräche wurden von Dr. Heinrich ignoriert. Dabei hätten alle Fakten ausgetauscht werden können. Dies war nicht im Interesse von Dr. Heinrich.
Von der Geschäftsstelle kamen ganz andere Töne als von Dr. Heinrich bekundet. Es hieß etwa sinngemäß, ich solle bei so viel Offenheit aufpassen, dass ich das nicht später bereue. Halten Sie sich besser von der Politik fern. Inhaltlich fand ich bei mehreren von mir organisierten Treffen mit der Geschäftsleitung weitgehend Zustimmung, auch das inhaltliche Vorgehen, Transparenz und die neue Kommunikation wurden begrüßt.
„Gewachsenes System der Ängste und des fehlenden Vertrauens„
Wie würden Sie ganz allgemein das Verhältnis zwischen Ihnen und Dr. Heinrich, der Sie ja im Sommer noch als „bestens qualifizierten Leiter für den traditionsreichen Zweckverband Niederbayerische Freilichtmuseen“ medial anpries, bezeichnen?
Von meiner Seite aus bin ich offen und ohne jegliche Vorbehalte und Scheu auf Dr. Heinrich zugegangen. Dies war ihm merklich eher unangenehm, weshalb das Verhältnis von Beginn an als extrem verkrampft angesehen werden muss. Das von mir eingebrachte Vertrauen wurde von Seiten Dr. Heinrich von Beginn an extrem missbraucht. Auch hier haben Falschaussagen und Verleugnung von Beginn an zwischen uns gestanden. Ich hatte den Eindruck, die Politik stand zwischen uns, aber auch zwischen Dr. Heinrich und den Museen, deren Mitarbeitende er nach seiner eigenen Aussage gar nicht kenne. Diese Geringschätzung wurde auch von vielen Mitarbeitenden mir gegenüber bemerkt und schwer kritisiert.
Doch in einem gewachsenen System der Ängste und des fehlenden Vertrauens traute sich niemand ein wirklich offenes Wort zu äußern. Ich habe hingegen solche Bedenken der Mitarbeitenden, aber auch meine eigene Kritik direkt bei Dr. Heinrich angesprochen. Dies wurde mir von ihm persönlich extrem übel genommen, was zur Zerrüttung des Verhältnisses führte. An einer offenen Aussprache zwischen Vorgesetztem und Angestelltem geht aber in einer erfolgreichen Führungsarbeit kein Weg vorbei.
Sie hatten unserem Magazin gegenüber erwähnt, dass Sie den Sachverhalt der Nicht-Verlängerung Ihres Vertrags über die Probezeit hinaus auch der Staatsregierung mitgeteilt hätten. Gibt es bereits entsprechende Reaktionen seitens des Ministeriums?
Ich habe inzwischen zwei sehr ausführliche Briefe mit den auch hier offen gelegten Inhalten an den Bayerischen Staatsminister Sibler geschickt, leider bis heute ohne Antwort. Diese schweigende Tolerierung von offensichtlichen Missständen ist mir völlig unverständlich, da ich Herrn Sibler als kompetenten Minister im Amt durchaus schätze. Er war es auch, der mir zum Einstand in Niederbayern gratulierte und auf ein schweres Amt hinwies, das ich übernommen hätte. Der Wunsch, sich für eine berufliche Rehabilitierung einzusetzen, blieb bislang ungehört. Angesichts eines bewusst falsch und überaus negativ formulierten Arbeitszeugnisses von Dr. Heinrich wäre dies jedoch enorm wichtig für mich.
„Verdacht, dass Dr. Heinrich mein Weiterkommen vernichten wolle“
Wie geht es nun weiter für Sie? Welche weiteren Schritte sind in dieser Angelegenheit von Ihrer Seite geplant?
Ich bin weiterhin beschäftigungslos und spüre, wie schwer der von Dr. Heinrich und seinen Gremiumsmitgliedern getroffene Entscheid vom 9. November wiegt – psychisch und praktisch, auch für meine Familie.
Angesichts der rücksichtslosen Freistellung meiner Person, die an die unwürdige Entlassung eines Schwerverbrechers denken lässt, ein unanständig schlecht benotetes Zeugnis und Falschmeldungen zu meiner Person drängt sich der Verdacht auf, dass Dr. Heinrich mir aus unerklärlichen Gründen auch als Person schaden und mein berufliches Weiterkommen vernichten wolle. Dies wiegt schwer, sieht man auf die vielen schweigenden Zuschauer. Ein Schelm, der Böses für die Zukunft ahnt.
die Fragen stellte: Stephan Hörhammer
Anmerkung der Redaktion: Wir haben Bezirkstagspräsident und Zwecksverbandsvorsitzenden Dr. Olaf Heinrich sowie Wissenschaftsminister Bernd Sibler um Stellungnahme gebeten und werden alsbald nachberichten.
- Antwort der Pressestelle des Bezirks Niederbayern vom 19.03.2021:„Die Aussagen von Herrn Dr. Herrmann haben wir zur Kenntnis genommen. Das Arbeitsrecht sieht das Instrument der Probezeit vor. Eine Kündigung und Freistellung während der Probezeit erfolgt nicht ohne Grund. Die Entscheidung, Herrn Dr. Herrmann nicht weiter zu beschäftigen, wurde in der Verbandsversammlung Niederbayerische Freilichtmuseen demokratisch diskutiert und fiel einstimmig. Ansonsten werden wir uns zu Personalangelegenheiten nicht äußern. Dies trifft auch für Details in der Causa Dr. Herrmann zu.“
- Antwort der Pressestelle des bayerischen Wissenschaftsministeriums vom 19.03.2021: „Nichtstaatliche Einrichtungen wie die von Ihnen genannten Freilichtmuseen Massing und Finsterau agieren eigenverantwortlich. Das schließt etwa inhaltliche wie personelle Fragen ein. Träger der Niederbayerischen Zweigmuseen ist nicht der Freistaat, sondern ein Zweckverband. Der Freistaat ist in die dortigen internen Personalangelegenheiten folgerichtig nicht eingebunden. Daher bitten wir um Verständnis, dass Staatsminister Sibler sich nicht in diese Angelegenheit einbringen kann und persönlich an ihn gerichtete Schreiben vertraulich behandelt werden.“