Passau. Seit 35 Jahren ist Urban Mangold mittlerweile Mitglied bei der ökologisch-demokratischen Partei. Der gebürtige Rotthalmünsterer war einer der ersten in der Region, die sich der ÖDP anschlossen und bei deren Aufbau mitgeholfen haben. „Wir von der ÖDP machen häufig das, was allzu oft in den Parlamenten unbearbeitet oder zu wenig bearbeitet bleibt“, beschreibt der 56-Jährige im Interview mit dem Hog’n eines der Hauptmotive seines Engagements. Als niederbayerischer Bezirksrat und ÖDP-Vorsitzender weiß der gelernte Journalist, wovon er spricht. Ein Gespräch über Tierwohl, Kultur, Landwirtschaft, Volksbegehren, die Arbeit als Bezirksrat, die Ilztalbahn – und Sebastian Frankenberger.
Herr Mangold: Die Bundesregierung unter Ministerin Klöckner (CDU) möchte ein sog. Tierwohl-Label einführen. Was halten Sie von dieser Idee?
Ein Tierwohl-Label, das für Klarheit sorgen soll, ist nur ein erster Schritt. Für den Verbraucher ist es oftmals nicht gerade einfach zu erkennen, bei welchem Label es sich um ein echtes Tierwohl-Label handelt – und bei welchem um eine Irreführung. Aber letztendlich entspringt dieses Label wieder jener alten Freiwilligkeitsideologie, die die Unionsparteien immer vor sich hertragen. Gerade die CSU ist es ja, die sich immer hervortut bei der Durchsetzung strenger Vorschriften – doch beim Thema Natur- und Tierschutz basiert viel zu viel auf Freiwilligkeit.
„Gerade die öffentliche Hand hat eine besondere Vorbildfunktion“
Ich bin ein Anhänger klarer Kennzeichnungen, aber ich bin auch ein Anhänger klarer Vorgaben. Es ist nicht ehrlich, wenn einerseits Tierwohl-Labels durch die Politik eingeführt werden, andererseits jedoch Massentierhaltung in diesem fürchterlichen Ausmaß weiterhin erlaubt bleibt.
Als Bezirktstagsmitglied fordern Sie „keine Produkte aus nicht artgerechter Haltung in den Bezirkseinrichtungen„. Wie aussichtsreich ist diese Forderung?
Der niederbayerische Bezirkstag hat im vergangenen Sommer seinen Kulturpreis an einen Rottaler Unternehmer vergeben, der vorbildliche, artgerechte Schweinehaltung betreibt. Selbstverständlich ist es auch eine Frage der Kultur, wie man mit Tieren umgeht. Deshalb darf es nicht bei diesem Kulturpreis alleine bleiben, sondern auch der Bezirk selbst muss sich bewegen und in seinen Einrichtungen Fleischprodukte aus artgerechter Haltung anbieten. Darüber wird am 30. Januar debattiert.
Ob diese Forderung durchgeht, werde ich dann bei der Abstimmung sehen. Es wäre jedoch eine Heuchelei, jemanden für seine vorbildliche Schweinehaltung auszuzeichnen, gleichzeitig aber bei der eigenen Nachfrage nach Fleisch gegenteilig zu handeln. Das wäre sehr unglaubwürdig. Und es ist doch gerade die öffentliche Hand, die eine besondere Vorbildfunktion innehat.
Mit einem weiteren Antrag fordern Sie die den Bezirkstag auf das Volksbegehren „Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern – Rettet die Bienen“ durch aktives Informieren der Bürger zu unterstützen. Wie schätzen Sie die Erfolgschancen des Volksbegehrens ein?
In Bayern gibt es mit dem Volksbegehren das hervorragende Mittel der direkten Demokratie, sprich: Die Bürger können, wenn sie ein Defizit erkennen, aus eigener Kraft einem Gesetzentwurf zum Durchbruch verhelfen. Wir von der ÖDP haben dabei die Vorarbeit geleistet und einen Gesetzentwurf erarbeitet, der ein ganzes Bündel zur Verbesserung des Naturschutzgesetzes vorsieht – wie etwa eine optimale Biotop-Vernetzung, damit der Gen-Austausch zwischen seltenen Arten verbessert wird, mehr ökologischer Landbau, mehr Blühstreifen, gesetzlicher Schutz der Uferrandstreifen uvm.
Die Artenvielfalt ist auf ganzer Linie dramatisch zurückgegangen. Die Menschen erkennen heute, dass vieles in der Natur anders ist als früher. Daher denke ich, dass das Volksbegehren gute Erfolgschancen hat. Aber nur, wenn zwischen dem 31. Januar und dem 13. Februar in ganz Bayern eine Million Menschen in den Rathäusern ihre Unterschrift abgeben.
Schwieriger Ausstieg aus dem Immer-Mehr-und-Immer-Billiger
Ein Bündnis von Befürworten des Volksbegehrens hat sich zusammengefunden, bestehend aus ÖDP, Grünen, SPD etc. Die CSU und die FDP sind dabei nicht vertreten. Was glauben Sie: Warum ist das so?
Der FDP-Bezirksrat wurde vor Kurzem mit dem Satz zitiert: Die Politik kann nur den Rahmen ausfüllen, den die Wirtschaft ihr lässt. Das sagt vieles. Ich bin vielmehr ein Anhänger dessen, dass wir den Kräften der Marktwirtschaft einen ökosozialen Rahmen vorgeben, in dem sich die Marktkräfte entwickeln können. Da ist die FDP auf einem völlig anderen Weg. Dort gilt: Marktwirtschaft über alles – ohne einen lenkenden, gesellschaftlich-sinnvollen Rahmen. Daher war nie davon auszugehen, dass die FDP bei diesem Bündnis mitmacht.
Bei der CSU ist es so, dass sie als Regierungspartei in Bayern selbst ein entsprechendes Gesetz auf den Weg bringen könnte – wenn sie denn wollte. Somit ist die CSU auch kein natürlicher Bündnispartner für ein derartiges Volksbegehren. Gleichwohl gibt es bayernweit auch vereinzelte CSU-Kommunalpolitiker, die es unterstützen. In Passau wurde die CSU mehrfach eingeladen am Bündnis teilzunehmen. Gekommen ist jedoch niemand.
Hat dies auch damit zu tun, dass die CSU sich dem Bauernverband, der das Volksbegehren eher kritisch betrachtet, näher fühlt?
Das ist gewiss so, ja. Ich denke aber, dass die ablehnende Front, die einem da von Seiten des Bauernverbands entgegen schlägt, eher einer reflexartigen Abwehrhaltung der Verbandsfunktionäre entspricht. Bei den Landwirten selbst gibt es immer mehr, die erkennen, dass sie von der Staatsregierung in eine „Politik des Wachsens oder Weichens“ hineingedrängt wurden, die letztendlich zum Höfesterben führt. Ich verstehe sehr wohl die Position der Landwirte. Wer von der staatlichen Förderpolitik in den Bau eines noch größeren Stalls hineingelenkt wurde, dafür einen Kredit aufnehmen und abbezahlen musste, für den ist es natürlich schwierig aus diesem System des Immer-Mehr-und-Immer-Billiger auszusteigen.
Dafür braucht es eine staatliche Förderung, die den Übergang für die Landwirte ökonomisch verträglich macht. Das geht gewiss nicht auf Knopfdruck. Es ist dabei wichtig, dass die landwirtschaftliche Förderpolitik von der Förderung der Fläche wegkommt – viel Geld für viel Fläche ist der falsche Ansatz – und sich zu einer Unterstützung der Gemeinwohl-Leistungen, die die Bauern für unsere Kulturlandschaft erbringen, hinwendet.
„In gewissen Punkten ist der Bezirkstag unnötig schweigsam“
Generell: Fühlt man sich als Mitglied der Kleinpartei ÖDP ausreichend gehört?
Ich verschaffe mir Gehör im niederbayerischen Bezirkstag und allen anderen Gremien. Diejenigen, die seit zehn, zwanzig oder sogar dreißig Jahren in der ÖDP sind, ohne die Aussicht darauf politische Spitzenämter zu erreichen; diejenigen, die dennoch bei der Partei bleiben und nicht aus Karrieregründen wechseln, haben ein hohes idealistisches Motiv, ihre Ziele immer wieder einzubringen. Ich bin überzeugt: Steter Tropfen höhlt den Stein. Wir haben einiges bewegt in der letzten Zeit, auch wenn es sich für uns nicht in Form von Parlamentsmandaten ausbezahlt hat.
Von außen betrachtet hat man als Bezirksrat nur sehr wenige Gestaltungsmöglichkeiten. Stimmt das?
Ein Bezirksrat hat Gestaltungsmöglichkeiten, indem er seine Themen auch tatsächlich aktiv einbringt. Darum bemühe ich mich – und ich hoffe, es ist auch unüberhörbar. Im Bezirkstag gibt es Themen wie etwa die psychosomatische und psychiatrische Grundversorgung, bei denen es über Parteigrenzen hinweg keinen Dissens gibt. In anderen Punkten aber ist der Bezirkstag unnötig schweigsam. Ich habe vorhin das Beispiel vom Kulturpreisträger erwähnt. Selbstverständlich ist die Tierhaltung eine Frage der Kultur. Doch wenn die Schweinehaltung eine Frage der niederbayerischen Kultur ist, dann ist die niederbayerische Kulturlandschaft auch eine Frage der niederbayerischen Kultur. Dass der Bezirkstag völlig sprachlos bleibt bei der Zersiedelung unserer Landschaft, obwohl er ja selbst für Kultur-, Brauchtums- und Heimatpflege zuständig ist, verstehe ich daher überhaupt nicht.
Ich habe immer wieder Anträge eingebracht, dass sich der Bezirkstag gegenüber dem Gesetzgeber, also dem Landtag, dahingehend erklärt, gegen das Aufweichen des Anbindegebots Position zu beziehen, sodass keine hässlichen Gewerbefunktionsbauten auf der grünen Wiese entstehen können. Damit will man sich nicht beschäftigen – doch darin sehe ich eine große Gefahr für die Entwicklung des niederbayerischen Selbstverständnisses. Denn wenn man den reizvollen Wechsel zwischen in Jahrhunderten durch bäuerliche Arbeit entstandenen Kulturlandschaft und gewachsenen Orten nicht mehr erleben kann, weil es überall einen Siedlungsbrei mit hässlichen Gewerbefunktionsbauten entlang der Straßen gibt, dann verliert Niederbayern sein Gesicht. Dazu bleibt der Bezirkstag viel zu sprachlos. Daran arbeite ich beharrlich – meine nächsten Anträge dazu werde ich schon bald einreichen.
Sebastian Frankenberger: „Er ist nicht gewählt worden“
Hat die öffentliche Wahrnehmung der Partei durch den Ausstieg von Charakterkopf Sebastian Frankenberger abgenommen?
(überlegt) Wir hatten einen großen Erfolg mit dem Nichtraucherschutz, der bis zum heutigen Tag besteht. Dafür sind uns bis heute viele Leute dankbar.
Das beantwortet nicht die gestellte Frage.
Die ÖDP lebt von engagierten Menschen, die sich voll reinhängen und das Bild der Partei prägen. Das, was etwa Agnes Becker, stellvertretende bayerische Landesvorsitzende und Landesbeauftragte des Volksbegehrens „Retter die Bienen“ im Augenblick leistet, ist großartig. Sie ist eine Symphatieträgerin unserer Partei. Ich sehe derzeit keine Defizite, was sympathische und interessante Köpfe betrifft.
Aber es geht um die Wahrnehmung der Partei in der Öffentlichkeit – und Sebastian Frankenberger war immer einer, der vorne dran stand, der sehr polarisiert hat mit seinem Auftreten. Als streitbare Figur ist er vor einigen Jahren weggefallen – und somit steht auch die ÖDP nicht mehr so sehr im Fokus der Öffentlichkeit.
Das kann ich nicht bestätigen. Landauf, landab sind wir derzeit in aller Munde. Man kann natürlich nicht jeden Tag ein Volksbegehren starten mit diesem gigantischen Aufwand… Ich denke eher, dass es eine Zuspitzung in der politischen Auseinandersetzung gab, die unsere Situation erschwert hat. Viele haben wohl gedacht, man muss dem Erstarken der AfD parlamentarisch etwas entgegensetzen – und haben dann die Grünen gewählt, weil sie bei der ÖDP nicht sicher waren, ob wir in den Landtag kommen. Das ist unser Problem. Aber ansonsten sind unsere Leute überall im Land aktiv – und das nicht gerade unerfolgreich.
Wird die Person Frankenberger innerhalb der ÖDP vermisst – ja oder nein?
Ich glaube er wollte Europaabgeordneter werden, hat sich um einen Spitzenplatz beworben. Er ist nicht gewählt worden. Das ist das ganze Ding…
„Bei der Debatte ist sehr schlecht, dass es ein Korsett gibt“
Thema Ilztalbahn: MdL und Kreistagsmitglied Toni Schuberl sagte vor Kurzem, „dass die Ablehnung der Potenzialanalyse durch den Landkreis Passau eben nicht sachlich fundiert ist, sondern sich aus einer prinzipiellen Ablehnung einzelner Akteure speist, die es geschafft haben, durch Fehlinformationen oder Halbwahrheiten, die Mehrheit des Kreistags hinter sich zu bringen“. Wie sehen Sie das?
Ich denke da hat er nicht Unrecht. Bei einem Teil ist vermutlich die Niederlage noch nicht verdaut, dass die Gleise nicht für einen Radweg herausgerissen werden konnten. Bei der Debatte ist sehr schlecht, dass es ein Korsett gibt, in dem sich die Bayerische Eisenbahngesellschaft bewegt, und dass unbedingt alle Gebietskörperschaften im Verlauf der Bahnstrecke in eine Potenzialanalyse eingebunden werden müssen. Es wäre besser, wenn dies Freyung-Grafenau und die Stadt Passau machen würden. Letztere hat sich ja mehrheitlich für eine Potenzialanalyse ausgesprochen, was ich ebenso befürwortet habe. Wenn man das Regelkorsett „Bahn vor Bus“ im Landkreis Passau nicht anwenden würde und die Landkreis-Busse auch nach der Bahnreaktivierung angeboten werden könnten, wäre das ganze Problem gelöst. Dann hätte der Landkreis Passau keinen Grund mehr für seinen Widerspruch.
Ich bin überzeugt: Wenn der Regelbetrieb kommt, wird in fünf Jahren jeder über den Widerstand des Passauer Kreistages den Kopf schütteln, weil es eine so elementare Frage der Infrastruktur ist, das bestehende Bahngleis zu erhalten und wieder zu beleben. Es wäre schön, wenn man regelmäßig nach Freyung mit dem Zug fahren könnte – und nicht nur an den Wochenenden während der Sommermonate.
Vielen Dank für das Gespräch – und weiterhin alles Gute.
Interview: Stephan Hörhammer