Neureichenau. Es gibt auch während des Lockdowns zahlreiche Möglichkeiten, sich fit zu halten. Aber was, wenn mich eine Verletzung plagt oder ich mich wegen einer Erkrankung nicht so recht traue, ohne Trainer drauflos zu sporteln? Physiotherapeuten dürfen in diesen Fällen nach wie vor unterstützen, Hausärzte können Krankengymnastik verschreiben. Individuell angepasste Trainingspläne erstellen, in Sachen Ernährung beraten und die grundlegendsten Fitness-Übungen erklären und zeigen – das machen auch Physiotherapeut Maximilian Windorfer und seine Frau Jasmin im letzten Teil unserer Serie „Fit durch die Corona-Zeit“.
Familie Windorfer betreibt in Neureichenau eine der größten Praxen für Physiotherapie in der Region. Im Lockdown dürfen sie weiterhin behandeln, allerdings gibt es auch im Bereich der Krankengymnastik nicht wenige Einschränkungen. „Viele Patienten warten auf OPs, die aufgeschoben worden sind“, sagt Maximilian Windorfer. „Reha ist derzeit auch nur eingeschränkt möglich, deshalb wollen sich einige erst gar nicht operieren lassen und halten eventuelle Schmerzen noch so lange aus, bis sich die Situation bessert.“
Hausarzt kann Krankengymnastik weiterhin verschreiben
Der 36-Jährige betont, dass dies allerdings kein Grund dafür sei, keine Übungen, keine Krankengymnastik oder keinen Sport zu machen. Die Bewegung sollte immer zum Alltag dazu gehören: „Was man im Körper nicht benutzt, verliert man“, weiß der Fachmann. „Viele können gar nicht auf die Behandlung bei uns verzichten“, erklärt Windorfer weiter und führt Krebs- oder Schlaganfallpatienten als Beispiel an. „In vielen Fällen haben die Leute auch Angst davor, zu Hause alleine ohne Physiotherapeut zu trainieren.“ Denn wenn etwa ein Schlaganfallpatient seine komplette Körperhälfte nicht mehr spürt, sei das Risiko zu stürzen viel höher als bei gesunden Sportlern.
Man könne sich jederzeit vom Hausarzt Krankengymnastik-Anwendungen verschreiben lassen, wenn man die Unterstützung eines Physiotherapeuten benötigt. Das individuelle Training mit den Fachkräften mache vor einer Operation genauso viel Sinn wie die Reha-Phase danach: vorarbeiten statt nacharbeiten heißt dabei die Devise.
„Training ist ein langfristiger Prozess“
„Wer nicht weiß, wie er rangehen soll, kann sich jederzeit an uns wenden“, betont Windorfer. Die Physiotherapeuten erstellen dann einen individuellen Trainingsplan.
Wichtig sei dabei „einen Berg nach dem anderen zu nehmen“, wie der Neureichenauer es formuliert: „Training ist ein langfristiger Prozess.“ Nach und nach muss sich der Sportler dabei steigern, aber auch erkennen, was er dem eigenen Körper zumuten darf. „Ein festgelegter Trainingsplan kann dabei als Motivation dienen“, weiß der Physiotherapeut.
Welche Übungen sich jeweils am besten eignen, kann der Experte in Zusammenarbeit mit dem Patienten erarbeiten. „Entscheidend ist die Anamnese“, informiert der 36-Jährige. „Ein Blutbild oder Röntgenaufnahmen sagen oft nicht alles aus.“ Es gelte daher stets für jeden individuell herauszufinden, wie er seine Lebensgewohnheiten verändern könne, um schmerzfrei, fitter und gesünder zu werden – und vor allem zu bleiben.
Persönliche Trainingspläne erarbeiten
Physiotherapeuten erstellen dafür nicht nur die Trainingspläne. Sie zeigen ebenso, auf was bei den Übungen zu achten ist. „Ich filme meine Patienten bei den Übungen“, erklärt Windorfer weiter. „Dann können sie sich mit Hilfe der Aufnahmen zu Hause selbst kontrollieren und beurteilen, ob sie auf dem richtigen Weg sind.“ Das Trainieren sei mit den einfachsten Hilfsmitteln ohne spezielle Geräte oder Gewichte jederzeit möglich: „Jeder hat Treppen, Geländer oder Stühle daheim. Wer fitter werden will, kann auch ganz einfach anfangen und sich zum Beispiel beim Zähneputzen auf ein Bein stellen.“
Wie man ein komplettes funktionelles Training zusammenstellt, zeigt uns seine Lebensgefährtin Jasmin. „Wichtig dabei ist, alle fünf motorischen Fähigkeiten ins Workout zu integrieren“, sagt sie. Sprich: Kraft, Ausdauer, Koordination, Beweglichkeit und Schnelligkeit. „Das klappt am besten, wenn man die Übungen als Zirkeltraining macht“, weiß die Fitness-Expertin. Beispielsweise acht Übungen nacheinander – und dabei jede Übung 30 Sekunden lang ausführen; vor der nächsten Übung 20 Sekunden Pause machen.
Für alle, die gerne in den eigenen vier Wänden Sport treiben möchten, hat sie ein beispielhaftes Zirkeltraining zusammengestellt. Wichtig dabei: vorher immer aufwärmen, etwa durch Laufen auf der Stelle, Hampelmänner etc. Nach dem Training heißt es, die beanspruchten Muskelpartien zu dehnen.
In der Regel dürfe eine Übung keine Schmerzen bereiten. „Wir sagen dem Patienten ganz klar, an welchem Punkt er aufhören muss“, erklärt Maximilian Windorfer. „Entscheidend ist, auf das Feedback des eigenen Körpers zu hören, ein Körperbewusstsein aufzubauen.“ Auch dabei könne der Profi jederzeit behilflich sein.
Entgiften an der frischen Luft
„Bewegung ist für die Psyche enorm wichtig“, unterstreicht der Physiotherapeut. Und natürlich sei ein gesundes Skelett-Muskelsystem mitunter entscheidend für ein gesundes Immunsystem. „Sauerstoff ist der größte Entgifter“, sagt er. Ausdauertraining an der frischen Luft könne den Körper von verschiedenen Toxinen befreien. „Der Mensch kann einiges tun, um gesund zu bleiben.“ Seiner Ansicht nach sei ausreichend Bewegung ein entscheidender Faktor, ergänzt durch gesunde Ernährung und ausreichend Mikronährstoffe, die auch Hausärzte empfehlen. Den „Speicher“ des Körpers nach dem Training durch gesunde Ernährung wieder aufzufüllen, sei genauso wichtig wie das Training selbst.
Sabine Simon