Metten/Viechtach/Schönbrunn am Lusen. „Der spinnt doch komplett“ – diese Reaktion ruft Florian Schedlbauer aus Metten oft hervor, wenn er von seinen Wettkämpfen berichtet. Der 38-Jährige ist Triathlet, legt beim Ironman auf Hawaii insgesamt 226 Kilometer am Stück zurück – schwimmend, Rad fahrend und laufend. Eine fast schon unmenschliche Leistung, die häufig zu ungläubigen Nachfragen und Erstaunen führt. Für den Intensiv-Krankenpfleger, der für den RC Avanti Viechtach an den Start geht und „nur“ als Hobbysportler aktiv ist, ist die regelmäßige Qual inzwischen zur Passion geworden. Im Hog’n-Interview spricht er über seinen schweren Verkehrsunfall und dessen Folgen sowie über den „FRG Virtual Run“, an dem er demnächst teilnimmt.
Flo, Hand aufs Herz: Bist Du ein Masochist?
(lacht) Ich würde das für mich nicht so interpretieren. A bissal Lust aufs Quälen kann ich allerdings nicht ganz abstreiten.
Du bist Triathlet, hast schon am Ironman Hawaii teilgenommen. Für viele Außenstehende ist Deine Sportart ausschließlich ein großer Schmerz.
Sicherlich hat Triathlon – auf jeder Distanz – etwas mit Schmerz und dessen Bewältigung zu tun. Zumindest dann, wenn man mit hohen Ambitionen als Wettkämpfer an die Sache ran geht. Ich durfte bisher vier Mal auf Hawaii an den Start gehen und kann berichten, dass das letzte Viertel der jeweiligen Teildisziplin hart ist. Würde man beim Ironman von Beginn an in eine Intensität gehen, die weh tut, bestreitet man den abschließenden Marathon ganz sicher als Wandertag – oder gelangt gar nicht erst ins Ziel.
„Wenn es hart wird, habe ich Bilder im Kopf, die ich hervorhole“
Wie versucht man sich während der ewig langen Strecke geistig zu beschäftigen?
Zunächst ist es wichtig, sich immer auf Teilabschnitte zu konzentrieren. Würde ich zu Beginn an die Gesamtdistanz von 226 Kilometer denken, wäre das zu erdrückend. Ich weiß mittlerweile – und der Weg dahin war oftmals wirklich steinig – wann ich wie viel investieren kann. Wenn man den Fokus verliert und die Gedanken schweifen lässt, verliert man an Geschwindigkeit. Daher ist ein Sich-immer-wieder-konzentrieren mit das Entscheidende. Das eigene Tempo zu kontrollieren, mit dem Körpergefühl abzugleichen und die Verpflegungsstrategie akkurat einzuhalten – das sind die Eckpfeiler. Wenn es richtig hart wird, habe ich Bilder und Mantras im Kopf, die ich mir im Training vorher zurechtgelegt habe und dann hervorhole.
Welche Trainingsumfänge hast Du, um für die Wettkämpfe vorbereitet zu sein?
Wer das genau verfolgen möchte, kann das gerne auf „Strava“ online nachvollziehen. Auf dieser Plattform bin ich sozusagen gläsern und veröffentliche ungefähr 90 Prozent meines Trainingspensums – ausgenommen ganz kurze Regenerationseinheiten sowie Athletik- und Krafttraining. Ansonsten liegt der jährliche Trainingsumfang in etwa bei 650 Stunden. Vergleichsweise tatsächlich eher am unteren Ende dessen, was die direkte Konkurrenz so macht. Mein Vorteil ist, dass ich relativ gut schwimmen kann und mit zirka fünf bis acht Kilometer pro Woche schnell zu einer vernünftigen Form komme. Auf dem Rad sind es im Mittel 300 Kilometer, beim Laufen um die 40 Kilometer pro Woche. Wenn es in die direkte Vorbereitung geht, steigern sich diese Umfänge natürlich – um 30 bis 40 Prozent, was 12 bis 20 Wochenstunden entspricht.
Wie bekämpfst Du den berühmt-berüchtigten „inneren Schweinehund“?
Dieser Kollege hat hartnäckige Konkurrenz (lacht). Ich liege super gerne einfach mal auf der Couch oder im Liegestuhl. Allerdings kommt dann irgendwann der Punkt, an dem ich mich bewegen möchte. Jeder, der regelmäßig trainiert, kennt sicherlich das gute Gefühl, wenn man danach unter der Dusche steht und sich aufs Essen freut.
Du hattest vor mehr als zehn Jahren einen schweren Verkehrsunfall. In der Folge war lange Zeit offen, ob Du überhaupt wieder komplett gesund wirst. Bist Du gerade deshalb so froh, Dich bewegen zu können?
Das war im Juni 2009 und wirklich ein sehr einschneidendes Ereignis für mich. Ich war schon im Triathlon-Sport aktiv und hatte viel Freude dran. Kurz vor meinem ersten Ironman-Start wurde ich von diesem Unfall mit einer großen Bauch-OP als Folge ausgebremst. 2010 konnte ich wieder an den Start gehen und schaffte meine erste Triathlon Langdistanz – damals beim Ironman Regensburg. Das Glücksgefühl und die tiefe Dankbarkeit, dass ich das machen kann und darf, behalte ich mir bis heute.
Beeinflussen die damaligen Verletzungen Dich heute noch?
Nein, zum Glück überhaupt nicht. Die lange Narbe am Bauch nehme ich selbst nur noch selten wahr.
„Kontinuität ist der Schlüssel zum Erfolg und Spaß“
Ist Sport wirklich gesund – auch noch in Deinem Umfang?
Diese Frage kommt in Alltagsgesprächen über meinen Sport interessanterweise fast immer zum Vorschein. Meine Antwort ist ein ganz lautes Ja! Und zwar, weil ich zuvorderst große Freude am Sport habe. Also ist das schon mal gesund. Ein weiterer Grund: Ich trainiere in drei verschiedenen Bewegungsabläufen größtenteils im sogenannten Grundlagenbereich, was für das Herz-Kreislaufsystem sicherlich vorteilhaft ist. Ich lege wert auf eine ausgewogene und gesunde Ernährungsweise – deshalb gibt’s abermals ein Ja. In manchen Trainingseinheiten und Wettkämpfen ist das vermutlich nicht mehr gesund. Allerdings sind diese Momente selten und unser Körper kann das meiner Meinung nach gut aushalten. Schließlich haben unsere Vorfahren auch ab und an mit einem Säbelzahntiger Stress gehabt oder mussten bei der Mammut-Jagd aus ihrer Komfortzone raus (lacht).
Was kannst Du Einsteigern empfehlen, die Kondition aufbauen wollen. Was ist dabei sinnvoller: Laufen, Radfahren oder Schwimmen?
Alles zusammen würde ich als Triathlet natürlich vorschlagen. Es gibt immer wieder so genannte Jedermann-Triathlons in unserer Region: 500 Meter im Wasser, 20 Kilometer auf dem Rad, fünf Kilometer in Laufschuhen. Das sind oft tolle Veranstaltungen, die richtig Spaß machen und bei denen einfach nur das Ankommen das Ziel sein darf. Generell ist Kontinuität der Schlüssel zum Erfolg und Spaß im Ausdauersport. Immer weiter machen und mit kleinen Schritten steigern – so lautet die beste Devise.
Ist der hügelige Bayerische Wald in diesem Zusammenhang das ideale Trainingsterrain?
Absolut. Wir haben hier eine wunderschöne Natur und alles, was es braucht, um draußen Spaß am Training zu haben. Es gibt viele Wege und wenig befahrene Straßen, die sich fürs Radeln und Laufen hervorragend eignen. Wenn man sich ein bisschen mehr schinden mag, gibt es außerdem mehr als genug Möglichkeiten und Berge.
Den ernsten Hintergrund einmal außen vor gelassen: Ist die Coronakrise und das Verbot von Mannschaftssportarten nun die große Chance für Einzelsportarten wie Laufen und Radfahren, an Aufmerksamkeit und Beliebtheit zu gewinnen?
Da fällt mir der Spruch „Fahrräder sind das neue Klopapier“ ein. Es werden dieser Tage wohl mehr Räder als sonst üblich geordert. Wenn die Krise die Leute vermehrt ins Freie und zum Sport bewegt, ist das sehr erfreulich. Ob das dann bleibt oder man wieder in gewohnte Bewegungsmuster zurückfällt… Ich denke: Jeder hat die Chance und sollte sie nutzen.
„Ich hole mir eine ordentliche Portion Motivation“
Laufen und Radfahren steht bei vielen Hobbysportlern hoch im Kurs – doch warum machen’s nur so wenige in Wettbewerbsform?
Beim Laufen gibt es schon lange viele Veranstaltungen über die verschiedensten Distanzen, was auch von den Leuten wahrgenommen wird. Der Radsport und auch Triathlon kämpfen hingegen mehr als die Läufer mit Streckensperrungen und bürokratischen Hürden. Somit ist es für Veranstalter sehr aufwändig, etwas auf die Beine zu stellen. Ihnen gebührt auch politisch viel mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung. Der Breitensportler an sich geht seinem Hobby allerdings weniger leistungsorientiert nach – daher ist der Bedarf an Wettkämpfen vermutlich auch nicht so ausgeprägt. Mehr gut organisierte Jedermann-Lauf- oder Radveranstaltungen würden aber bestimmt ihre Teilnehmer finden.
Welche Möglichkeit bietet in diesem Zusammenhang der FRG Virtual Run, den Du als Botschafter unterstützt?
Ich nutze diese Aktion genau so, wie sie gedacht ist: Ich hole mir daraus eine ordentliche Portion Motivation. Und um diese nochmals anzustacheln, habe ich das Veranstalter-Team der DJK SG Schönbrunn herausgefordert gegen mich in einem Duathlon aus fünf Kilometer Laufen, 100 Kilometer Radfahren und weiteren 21 Kilometer Laufen anzutreten. Am Pfingstwochenende wollen wir diesen Wettkampf dann austragen. Ich hoffe, dass noch einige Leute dazu animiert werden können, ebenfalls am FRG Virtual Run 2020 teilzunehmen und sich ihrer eigenen Herausforderung zu stellen. Ob als Nordic Walker, Läufer, Radsportler oder Wanderer – für jeden sollte etwas dabei sein!
„Ich erwarte eine schware Partie“
Um zur Eingangsfrage zurück zu kommen: Der Schmerz ist also im Kollektiv besser zu ertragen als solo?
Ich würde eher sagen: Geteilte Freude ist doppelte Freude. Für mich wird es in jedem Fall eine ganz „schware Partie“ – und da freu ich mich als kleiner Masochist schon drauf (lacht).
Vielen Dank für das Gespräch, alles Gute für die Zukunft – und ganz wichtig: Xsund bleim.
Interview: Helmut Weigerstorfer