„Die Intelligenz der Pflanzen“ lautet der Titel des im Antje-Kunstmann-Verlag erschienen Buchs von Stefano Mancuso und Alessandra Viola, das nicht nur faszinierende Details über die Pflanzenwelt vermittelt, sondern auch die Botschaft verkündet, dass Pflanzen intelligente Lebewesen seien. Selbst wenn man dieser These nicht zustimmen kann, ist das hier ausgebreitete Wissen darüber, was Pflanzen sind, was sie alles können und für den Planeten leisten, bereits interessant genug – und Intelligenz ist schließlich Interpretationssache.
Nach der Einleitung, in der die Autoren über die Gründe dafür nachdenken, warum gerade in unserer christlich-abendländischen Kultur Pflanzen so gering geschätzt wurden (und werden) – noch nicht einmal Noah nahm Pflanzen in die Arche mit, pflanzte allerdings nach der glücklichen Landung einen Weinstock (?) – bekommen wir Menschen gleich ordentlich was zu knabbern: „Nüchtern betrachtet, würde das Pflanzenreich hervorragend ohne uns auskommen. Die Menschheit dagegen wäre ohne Pflanzen zum baldigen Aussterben verdammt.“
Wer ist hier von wem abhängig?
Der Mensch bevölkert den Planeten erst seit ca. 200.000 Jahren – doch schon vor 3,5 Milliarden Jahren entstanden lebende Zellen, die Photosynthese betreiben konnten. Seither erzeugen die Pflanzen aus Kohlendioxid und Wasser – mit Hilfe von Chlorophyll und Sonnenlicht – Energie in Form von Zucker und Sauerstoff. Von dieser einmaligen Fähigkeit der grünen Pflanzen hängen Wohl und Wehe des Homo sapiens bis heute ab.
Dies alles tun die grünen Mitbewohner der Erde für uns Menschen:
- Pflanzen filtern CO2 und andere Schadstoffe aus der Luft und liefern den Sauerstoff zum Atmen.
- Alles, was wir essen, ist entweder pflanzlicher Natur oder ernährt sich von ihnen. Die Ernährungsgrundlage der gesamten Menschheit bilden übrigens nur sechs Pflanzen-Arten: Kartoffeln, Mais, Reis, Soja, Weizen und Zuckerrohr.
- Alle Energiequellen, die wir nutzen, verdanken wir den Pflanzen. Fossile Stoffe wie Braunkohle, Erdöl, Erdgas, Steinkohle oder Torf sind durch die pflanzliche Photosynthese entstanden.
- Pflanzen liefern die Grundmaterialien für menschliche Kleidung, Wohnen und Mobilität.
- Pflanzen fördern unser körperliches und seelisches Wohl – nahezu alle unsere Arzneimittel werden aus Pflanzen gewonnen oder synthetisch pflanzlichen Stoffen nachgebildet – z. B. Aspirin (ASS), das in der Weidenrinde enthalten ist.
- Pflanzen können darüber hinaus den Bürostress mildern, die Konzentrationsfähigkeit in Prüfungsräumen verbessern und im Krankenzimmer die Genesung fördern, wie internationale Studien belegen.
Warum also schätzen wir die Pflanzenwelt so gering, obwohl unser Überleben und unsere Zukunft auf der Erde von ihr abhängen? Mancuso und Viola haben eine originelle psychologische Erklärung für diesen Umstand: Unser Angewiesensein auf die Pflanzen ist so umfassend, dass wir es verdrängen – so, wie Kinder in der Pubertät am liebsten ihre Eltern verleugnen würden. Niemand ist gerne abhängig und wird gern ständig an seine Schwäche und Verletzlichkeit erinnert.
Menschen sind schnell – Pflanzen sind langsam
Ein weiterer Grund dafür, dass Menschen den Pflanzen so wenig Beachtung schenken, könnte auch in ihrer sehr unterschiedlichen Lebens- und Daseinsweise liegen. Alle pflanzlichen Lebensabläufe sind derart langsam, dass wir hastigen Menschen sie nicht registrieren. Wir haben zwar das theoretische Wissen, dass auch Pflanzen sich bewegen, aber wir nehmen die Bewegung nicht wahr – und deshalb findet sie für uns auch nicht statt. Dabei gibt es im Netz wunderbare Zeitraffer-Aufnahmen, die uns die schönen, harmonischen Bewegungen der Pflanzen etwas näher bringen können:
Vor 500 Millionen Jahren begann die grundlegende Differenzierung zwischen Pflanzen- und Tierreich: Die Tiere wurden zu Nomaden – die Pflanzen hingegen wurden sesshaft. Tiere und Menschen waren immer unterwegs und ständig auf der Suche: nach Nahrung, Sexualpartnern und Plätzen zur Aufzucht ihres Nachwuchses. Sie lernten Angriff, Verteidigung und Flucht. Die Pflanzen hingegen waren genötigt, ihr Leben an der Stelle zu fristen, wo der Zufall sie hingesät hatte: Sie konnten sich weder das Substrat aussuchen, in dem ihre Wurzeln Nahrung fanden, noch die Lichtmenge oder -stärke, die ihnen für die Photosynthese zur Verfügung standen. Bei Angriffen blieb ihnen höchstens die Verteidigung, Flucht war nicht möglich.
Menschen sind schnell – Pflanzen sind langsam. Menschen sind mobil – Pflanzen sind sesshaft. Menschen sind aktiv – Pflanzen sind passiv. Menschen sind laut – Pflanzen sind leise. Menschen sind aggressiv – Pflanzen sind defensiv.
Aus diesen tiefen Gegensätzen heraus entwickelte sich eine völlig andere Form des Lebens und Überlebens bei den Pflanzen – in einer Art passiven Widerstands bildeten sie ihren Organismus so um, dass es ihn nicht umbrachte, auch wenn man ihn des größten Teils seines sichtbaren Körpers beraubte. Denn dieser ist modular aufgebaut, das heißt: Alle Zellen haben ungefähr die gleichen Eigenschaften, kommunizieren direkt miteinander und können sich gegenseitig ersetzen.
Bei den Pflanzen sind also – anders als beim Menschen – die Gehirnfunktionen nicht von anderen Körperfunktionen getrennt, sondern im ganzen Organismus verfügbar. Die Pflanzenzellen sind im Verbund zu erstaunlichen Leistungen fähig, die eine isolierte Zelle nicht erbringen könnte: Diese Eigenschaft nennt man Emergenz und sie kommt in der belebten Natur recht häufig vor – man denke nur an einen Bienenschwarm oder eine Ameisenkolonie.
„Pflanzen sind eher eine Kolonie als ein Individuum“
Der Mensch, das „Individuum“ (lat. „das Unteilbare“) hingegen besteht aus lauter spezialisierten Teilen: Dem Kopf mit den meisten Sinnesorganen und dem Gehirn als Kommandozentrale, dem Körper und den Gliedmaßen. Wenn man ihn halbiert, stirbt er. Teilt man hingegen eine Pflanze, lebt sie trotzdem weiter, denn ihre Funktionen sind nicht an bestimmte Organe gebunden: Wie Gärtner wissen, kann man sie durch Teilen sogar vermehren und durch Beschneiden zu verstärktem Wachstum anregen.
Wie also können Pflanzen ohne Skelett aufrecht stehen, ohne Lunge atmen, wie können sie essen ohne Mund und Magen, schmecken und riechen ohne Gaumen und Nase, sehen ohne Augen, hören ohne Ohren, fühlen ohne Hände, kommunizieren ohne Laute und entscheiden ohne Gehirn?
Sinneswahrnehmungen bei Tier und Pflanze – ein Vergleich
Zu den fünf Sinnen, die auch Menschen und Tiere haben: 1. sehen, 2. riechen, 3. schmecken, 4. fühlen, 5. hören kommen bei den Pflanzen im Laufe ihrer Erforschung immer wieder neue hinzu, wie etwa der Sinn für die Schwerkraft. Mit seiner Hilfe kann die Pflanze bestimmen, dass Stamm, Stiele und Blätter nach oben wachsen, die Wurzeln aber nach unten.
- Das Sehen (= „Wahrnehmung der in optischen Reizen enthaltenen Information über die Umgebung“)
Da Licht ihre Haupt-Energiequelle ist, „sehen“ Pflanzen sogar besonders gut. Sie sind von der Triebspitze bis zum Wurzelwerk förmlich von Lichtrezeptoren übersät, wobei ihre grünen, oberirdischen Teile – also Blätter und Triebe – zur Lichtquelle hin wachsen, während die weißen, unterirdischen – die Wurzeln – vom Licht wegstreben und bestrebt sind, es zu meiden. Deshalb macht es durchaus Sinn, einen Pflanzentrieb, den man bewurzeln will, nicht in ein Wasserglas zu stellen, sondern in ein licht-undurchlässiges Gefäß.
- Das Riechen (= „Aufnahme von in der Luft befindlichen Molekülen“) ist für Lebewesen, die sich nicht von der Stelle bewegen können, sondern warten müssen, bis die Information zu ihnen kommt, von überlebenswichtiger Bedeutung. Daher „riechen“ Pflanzen mit dem ganzen Körper – viele ihrer Zellen können Gerüche wahrnehmen.
Den Austausch von Duftstoffen könnte man als „Sprache“ der Pflanzen bezeichnen. Diese BVOC genannten Moleküle dienen der Kommunikation mit anderen Pflanzen, aber auch mit Insekten und Säugetieren. Ihre Wirkung ist noch Hunderte von Metern entfernt nachzuweisen. BVOC übermitteln Hilferufe, aber auch Warnungen an Mitpflanzen bei Bedrohung durch Feinde wie Pilze, Bakterien, Insekten etc., sowie auch Umweltgefahren wie Hitze, Kälte, Luft- und Bodenverschmutzung. BVOC dienen der Verteidigung und im Gefahrenfall auch dem Angriff und sind natürlich auch das Mittel der Wahl, wenn es darum geht, Bestäuber anzulocken.
- Die „Geschmacksorgane“ der Pflanzen sind ihre Wurzeln, denn sie sind für die Wasser- und Nahrungsaufnahme verantwortlich und suchen ständig mittels chemischer Rezeptoren im Boden nach Mineralstoffen wie Nitrat, Phosphat oder Kalium – dort finden sie selbst winzigste Mengen und sind vom „Spürsinn“ her Mensch und Tier haushoch überlegen. Die Wurzeln wachsen entsprechend der Nahrungsmenge im Boden und immer in die Richtung der größten Konzentration – dabei können sie aber auch um Boden-Schadstoffe wie z. B. Blei, Cadmium oder Chrom einen weiten Bogen machen.
Ein wahres Wunderwerk scheinen besonders die zahlreichen Wurzelspitzen zu sein, die von allen Pflanzenteilen das größte Empfindungsvermögen besitzen. Sie funktionieren über elektrische Signale – vergleichbar mit den Neuronen im menschlichen Gehirn – und spüren laufend Hunderten von Umweltreizen nach: wie Schwerkraft, Temperatur, Feuchtigkeit, Vibrationen, Giftstoffen, elektrischen Feldern, Sauerstoff, CO2 – auch hier kommen durch die Forschung laufend neue hinzu. Die Spitze steuert die Wurzel als ein eigenes Datenverarbeitungszentrum – und das nicht für sich allein, sondern gemeinsam mit einem Netz aus Millionen anderer Wurzelspitzen. Sie alle arbeiten wie Knoten in einem riesigen Netzwerk – die Autoren vergleichen diese „Wurzelwerk-Community“ mit dem Internet.
- Fühlen, also auf Berührungen reagieren, können Pflanzen mit ihrem ganzen Körper – und sie lernen sogar, „gefährliche“ und „ungefährliche“ Reize zu unterscheiden und ihr Verhalten entsprechend anzupassen. Ein bekanntes Beispiel ist die Mimose (Mimosa pudica), die ihre Blätter bei Berührung einklappt und eng an den Stiel anlegt. Ist sie aber an einen Reiz gewöhnt (Regentropfen, Wind) und hat ihn als ungefährlich eingestuft, so spart sie sich den Energieaufwand und die Blätter bleiben geöffnet.
Auch fleischfressende Arten, auf die im Buch noch näher eingegangen wird, schließen ihre genialen Blattfallen nur dann, wenn sich wirklich ein Beutetier darauf setzt. Bei anderen Reizen bleiben sie geöffnet. Zahllose Kletterpflanzen reagieren in Sekundenschnelle, wenn ihre Ranken eine Kletterhilfe ertasten, indem sie sich sofort zu Halt gebenden Spiralen kringeln. Das Emporklettern an Artgenossen, um möglichst schnell ans energiespendende Licht zu kommen, ist eine der effektivsten Taktiken von Pflanzen und verbreitet sich offensichtlich immer mehr. Das zeigen Zahlen aus den vergangenen 30 bis 40 Jahren.
Ihre empfindlichsten Organe sind natürlich die Millionen von Wurzeln, die nach Wasser und Nährstoffen im Boden tasten, indem sie sich in Richtung der größten Konzentration ausbreiten. Stoßen sie dabei etwa auf einen Stein, so wachsen sie einfach um das Hindernis herum.
- Das „Hören“ funktioniert bei Pflanzen ganz ohne Ohren, denn sie können mit all ihren Teilen Schwingungen aufnehmen – nichts Anderes sind Schallwellen ja. Menschen-Ohren empfangen diese Vibrationen über den Schallträger „Luft“ – bei der Pflanze ist der Boden das Medium und die Ohren sind die hoch empfindlichen Wurzelspitzen.
Entsprechende Beschallungen und Messungen in Weinbergen haben sogar ergeben, dass bestimmte Frequenzen und Frequenzbereiche Weinstöcke deutlich besser wachsen ließen, wobei Pflanzen generell tiefere Töne bevorzugen – schrille Töne wirken sich eher wachstumshemmend aus. Dass die Erde ein optimaler Schallträger ist, wussten bereits die Indianer im Wilden Westen, die das Ohr an den Boden legten, um den herangaloppierenden Feind schon von Weitem zu hören. Dieses „Hören“ über Vibrationen des Erdbodens benutzen auch die Pflanzen, genauso wie Schlangen, Blindschleichen, Würmer und Maulwürfe.
Das wunderbare Wurzelwerk
Pflanzen kommunizieren und interagieren auch mit Verwandten, Freunden und Feinden. Besonders intensiv tun dies die Wurzeln: Im Boden herrscht zwischen den Wurzeln unterschiedlicher Arten eine heftige Konkurrenz. Da sie in der Lage sind, zwischen „Verwandtschaft“, Freund und Feind zu unterscheiden, reagieren sie sehr „vernünftig“ und bekämpfen nicht jede Nachbarpflanze. Dies werden Gärtner bestätigen: Sät man Samen der gleichen Art in ein Gefäß, so lassen sich zum Pikieren (auch bei dichtem Aufwuchs) die einzelnen Pflänzchen leicht voneinander trennen. Ganz im Gegensatz zu konkurrierenden Arten in einem Topf, die im Kampf um jeden Zentimeter Substrat fest miteinander verwachsen sind.
Im dicht belebten und durchwurzelten Boden gibt es aber auch immer wieder enge Zusammenarbeit zwischen Wurzeln, Mikro-Organismen, Bakterien, Pilzen, Würmern und Insekten. So leben Baumwurzeln sehr oft in Symbiose mit Pilzen. Diese sind nämlich mangels Blattgrün zur Photosynthese unfähig – den fehlenden Zucker liefern ihnen die Wurzeln im Tausch gegen Mineralstoffe, die der Baum nicht erzeugen kann (z. B. Phosphor). Oder man denke an die Knöllchenbakterien an den Wurzeln von Hülsenfrüchten, die den Luftstickstoff viel besser als die Pflanzen aufnehmen können. Sie versorgen Erbse, Bohne, Lupine etc. damit und erhalten im Gegenzug Wasser und Mineralien.
Die Sprache der Pflanzen ist die Chemie
Bei Angriffen von Fressfeinden – sei es Blattlaus oder Reh – kommt das chemische Abwehrsystem zum Einsatz: Sofort nach dem ersten Biss produziert es Substanzen, die die Pflanze für den Angreifer entweder unappetitlich, unbekömmlich oder gar giftig werden lassen. Gleichzeitig sendet die „Angefressene“ Signale in Form von Molekülen aus, die Nachbarpflanzen warnen und Hilfstruppen alarmieren – etwa Marienkäfer oder Florfliegen gegen einen Blattlaus-Angriff. Diese chemischen Nachrichten (BVOC) werden durch die Luft über Hunderte Meter weit verteilt.
Bestellen wir uns das Bienchen?
Besonders wichtig, was die Vermehrung anbetrifft, ist die Kommunikation der Pflanzen mit ihrer Umwelt – ortsgebunden wie sie sind, haben sie anscheinend einen entscheidenden Nachteil gegenüber den frei umherlaufenden, fliegenden, flatternden und kriechenden Arten. Manche verlassen sich auf den Wind und produzieren dafür eine Unmenge von Pollen – denn der Wind ist ein unzuverlässiger Bestäuber. Dafür trifft es jedes Jahr die Allergiker, die unter der Pollenflut von Birke, Gräsern oder Haselnuss zu leiden haben.
Allerdings haben die meisten Pflanzen raffiniertere Strategien entwickelt: Sie bewegen Tiere dazu, ihren (männlichen) Pollen auf die (weibliche) Narbe entfernter Blüten der gleichen Art zu transportieren; das tun meistens Insekten wie Bienen oder Schwebfliegen, aber auch Vögel wie Kolibri oder Papagei, sowie Fledermäuse, Geckos und sogar Beuteltiere.
Manche Pflanzen servieren ihren Pollen großzügig wie auf dem Tablett, z. B. Margerite, Löwenzahn oder Wilde Möhre. Andere produzieren ihn tief am Boden einer Röhrenblüte, so dass nur besonders langrüsselige Insekten an den dort versteckten Nektar kommen – denn darum geht es letztlich: Mit dem Duft des energiereichen Nektars werden die Bestäuber angelockt; der Pollen wird ihnen dann von der listigen Pflanze auf dem Weg zum süßen Trunk sozusagen „untergejubelt“.
Manche Pflanzen sind sogar so freundlich, mit einem Farbwechsel den Gästen zu signalisieren, welche Blüte quasi leer getrunken ist – andere wiederum locken das arglose Insekt in eine Falle, wo es sich bei seinen Befreiungsversuchen erst einmal über und über mit Pollen bedeckt, ehe es von der Pflanze wieder frei gelassen wird.
Pflanzen und ihre Bestäuber sind übrigens perfekt aufeinander eingespielt: Oft sind „Spezialisten“ unter den Bienen auf eine einzige Pflanzenart angewiesen, die genau dann blüht, wenn auch ihr Bestäuber schlüpft. Deshalb ist es übrigens so wichtig, für die Bienenweide heimische Pflanzen zu wählen, wo Bestäuber und Bestäubte einander angepasst sind – am besten noch aus der gleichen Region, denn das Zeitfenster ist eng.
Vermehrung geht oft durch den Magen
Ist die Bestäubung vollzogen und der Samen reif, muss die Mutterpflanze noch dafür sorgen, dass ihr Nachwuchs an einen Ort gelangt, an dem er gut und sicher austreiben, wurzeln und sich vermehren kann – möglichst nicht zu nahe und in Konkurrenz mit der Mama oder den Geschwistern.
Auch hier verlassen Pflanzen sich hauptsächlich auf die Unterstützung durch Tiere: Entweder, indem sie die Samen so appetitlich verpacken, dass diese gerne gefressen und an einem weit entfernten Platz wieder ausgeschieden werden (z. B. Kirschen und Vogelbeeren). Oder sie verpassen ihnen ein fett- und folglich energiereiches Anhängsel, Elaiosom genannt. Das tun etwa Veilchen und locken damit Ameisen an, die den Samen in ihren Bau tragen.
Das Anhängsel wird gefressen, der Samen ist „Abfall“, der hinausgeschafft wird und nun im Schutz des Ameisenhügels in aller Ruhe keimen kann. Andere verlassen sich auf Mäuse oder weitere Nager, die den Samen als Vorrat in ihren Bau tragen oder ihn für schlechte Zeiten verstecken, wie z. B. Eichhörnchen und Eichelhäher. Viele Pflanzen produzieren auch Samen, der so „anhänglich“ ist, dass er sich schon bei leichtem Vorbeistreifen in jedem Tierfell verfängt und weiter getragen wird, so etwa die Klette, ja sogar Fische werden von Pflanzen in Ufernähe für den Samentransport eingespannt.
Wer so raffiniert vorgeht, der braucht sich nicht selbst fortzubewegen, der lässt andere für sich arbeiten – aber: Ist das nun schon Intelligenz? “Es gibt so viele Definitionen von Intelligenz, wie Forscher, die man danach fragt“, sagen Mancuso und Viola. Sie halten sich an die Definition: „Intelligenz ist die Fähigkeit zur Problemlösung.“
Worin unterscheidet sich also die menschliche Intelligenz von der pflanzlichen?
„In der Fähigkeit, Dummheiten zu machen?“ Oder ist es vielleicht keine Meisterleistung, als Mini-Minderheit (99,7 Prozent Pflanzen auf der Erde, nur 0,3 Prozent Tiere – inklusive Homo sapiens) einen ganzen, Jahrmillionen alten Planeten innerhalb von rund 200 Jahren zugrunde zu richten? Erderwärmung, Stürme, Waldbrände, Trockenheit, Überschwemmungen, Artensterben, kurz: die Klimakatastrophe – dies alles sind die Folgen dessen, was wir Menschen den Pflanzen antun. Darüber sollten wir nachdenken – aber nicht zu lange…
Bini Katz
Stefano Mancuso, Alessandra Viola: „Die Intelligenz der Pflanzen“, Antje-Kunstmann-Verlag, Mailand 2013, 19,95 Euro, ISBN: 978-3-95614-030-3
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