Dingolfing/Pfarrkirchen. Nirgends hat man so ein gutes Gefühl für Land und Leute, als in der Heimat. Die aus Dingolfing stammenden Autoren Hans Weber und Armin Ruhland haben daher ihren aktuellen Krimi in Niederbayern spielen lassen. Genauer: im Rottal.
Dass im Sport mit harten Bandagen gekämpft wird, ist kein Geheimnis. Im Pferdesport spielen Wettgeschäfte zudem eine wichtige Rolle. Eine Kombination, die dem niederbayerischen Idyll im kleinen Städtchen Pfarrkirchen eher entgegensteht. Dennoch ist der Ort gerade dafür bekannt: Das traditionelle Pfingstmeeting der deutschen Traberelite gehört wohl zu den wichtigsten gesellschaftlichen Ereignissen in der Kreisstadt. Bereits seit dem späten 19. Jahrhundert geht es für die Gespanne hier um einen ehrenhaften Sieg oder eine schmachvolle Niederlage. Und um Leben und Tod – so vermittelt es zumindest der Kriminalroman „Ausgetrabt“.
Spiel mit den Eigenheiten niederbayerischer Kleinstädter
Die Autoren Hans Weber und Armin Ruhland sind seit ihrer Schulzeit gute Freunde. Im Jahr 1980 machten sie in Dingolfing gemeinsam ihr Abitur, danach trennten sich ihre Wege vorerst. 40 Jahre später fanden sie wieder zusammen – unter anderem zum Schreiben regionaler Kriminalgeschichten. Die beiden wollten ihren Roman im Pferdemilieu ansiedeln, da lag Pfarrkirchen nahe. Wenn nun auf Seite fünf der obligatorische Satz prangt, dass die Personen im Buch frei erfunden und Ähnlichkeiten rein zufällig seien, dann erwartet der Leser klassische niederbayerische Charaktere mit Ecken und Kanten. Und er wird nicht enttäuscht.
Hauptermittler Thomas Huber zum Beispiel bewegt sich in seiner etwas „stoffligen“ Art zwischen Treffen mit Kumpels, Eheproblemen und Ermittlungspannen am Rande der Lebenskrise. Dass er neuerdings mit der jungen Kollegin Mandy Hanke eine berufliche Partnerschaft aufgedrückt bekommt, passt ihm so gar nicht. Als dann ein ortsbekannter Pferdetrainer getötet wird, müssen sich die beiden auf Gedeih und Verderb zusammenraufen, um den Täter oder die Täterin zu ermitteln. Dabei stolpern sie über amouröse Verwicklungen, Erpressungen und regionale Seilschaften.
Geschickt wird der Leser an der Nase herumgeführt, auf falsche Fährten mitgenommen und schließlich durch diverse Wendungen zum Weiterlesen animiert. Das Spiel mit den Eigenheiten der niederbayerischen Kleinstädter und ihren Vorurteilen – Mandy Hanke stammt aus der „ehemaligen DDR“ – gelingt ebenso wie die Überzeichnung der Hauptprotagonisten, die sich von den klassischen Bayernkrimis abheben. So schaffen die Autoren einen Roman, der durchaus zu begeistern weiß. Weniger durch Humor als durch bekannte Örtlichkeiten und Persönlichkeiten wird Sympathie für das Setting generiert.
Und keine Sorge: Man muss nichts über den Pferdesport wissen, um das Buch zu lesen. Zu Beginn erklären die Autoren äußerst detailliert, worum es bei Trabrennen und den dazugehörigen Wettregeln geht. So mit dem nötigen Rüstzeug ausgestattet, kann sich der Leser auf eine solide Ermittlungsgeschichte mit niederbayerischem Einschlag freuen.
Andreas Reichelt
„Ausgetrabt“, Gmeiner Verlag, März 2021, Hans Weber und Armin Ruhland, 315 Seiten, ISBN 978-3-8392-2793-0, ca. 14 Euro
Hans Weber im Hog’n-Interview
Hans Weber hat nach dem Abitur Betriebswirtschaft studiert und war dann in der Automobilindustrie beruflich tätig. Im Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n erzählt der Autor, warum er seine Geschichten in der Heimat verortet – und was ihn am Pferdesport reizt.
Herr Weber: Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Ich war beruflich mehr als 30 Jahre bei BMW in Dingolfing beschäftigt, zuletzt als Referent des Betriebsratsvorsitzenden. In dieser Funktion bin ich u.a. für die Kommunikation zwischen Belegschaft und Betriebsrat zuständig gewesen. Zu dieser Zeit habe ich ich viele Flugblätter, Zeitschriften und im Jahr 2017 zusammen mit einer Kollegin auch das Buch „50 Jahre BMW in Dingolfing“ verfasst. Nach meiner beruflichen Tätigkeit hatte ich viel Zeit – und nachdem mir das Schreiben immer große Freude bereitet hat, beschloss ich ein Buch in Angriff zu nehmen. Naheliegend war für mich ein Regionalkrimi, da ich bereits seit mehr als 20 Jahren viele dieser Bücher gelesen habe.
Vor drei Jahren habe ich meinen alten Schulfreund Armin Ruhland, der lange Jahre im Ausland beschäftigt war, wieder getroffen. Er hat sofort zugesagt, als ich ihn gefragt habe, ob er bei diesem Projekt mitmachen will. Wir haben hervorragend zusammengearbeitet und uns gut ergänzt.
Wie entstand die Idee, einen Roman in Pfarrkirchen spielen zu lassen?
Ich halte mich gerne im Rottal auf. Früher haben wir in dieser dünnbesiedelten Gegend viele Wanderritte unternommen. Jetzt bin ich oft mit dem Fahrrad oder mit dem Motorrad im Landkreis Rottal-Inn sowie Passau unterwegs. Somit kenn ich mich gut aus in der Gegend. Seit über 30 Jahren bin ich zu Pfingsten Stammgast auf der Trabrennbahn in Pfarrkirchen. Wir haben diese Veranstaltung als Ausgangspunkt unserer Geschichte gewählt, weil das Pfarrkirchner Trabermeeting überregionale Bedeutung genießt. Zudem wollten wir neben den Menschen im Rottal, den Lesern der Regionalkrimis, viele Pferdefreunde und auch die Fans des Trabrennsports ansprechen. In der Zwischenzeit durften wir unser Buch auf den Trabrennbahnen in München, Wien und in Baden bei Wien bewerben.
„Ein Idealer Hintergrund für einen Krimi“
Ein weiterer Grund ist die Tatsache, dass das Rottal im Gegensatz zu anderen Gegenden in Bayern – wie etwa der Bayerische Wald, das Allgäu oder das Bayerischer Oberland – bezüglich Regionalkrimis stark unterrepräsentiert ist. Außerdem gibt es bisher keinen Traber-Krimi.
Woher kommt das Interesse am Pferdesport?
Ich zähle mich zu den Ross-Narrischen. Anscheinend ist das erblich bedingt, denn mein Großvater war ebenfalls Pferdenarr und beruflich Lohnkutscher. Ich hatte lange Jahre ein Reitpferd und war auch Mitbesitzer eines Trabrennpferdes. Deshalb kenne ich mich in der Szene gut aus. Beim Rennpsort gibt es häufig Rivalitäten und Emotionen. Ein Idealer Hintergrund für einen Krimi.
Arbeiten Sie an einem weiteren Roman?
Ja, wir arbeiten gerade an der Fortsetzung des Pfarrkirchen-Krimis. Diesmal spielt unsere Geschichte nicht in der Pferdeszene, sondern im Schulmilieu. Die ermittelnden Kommissare Huber und Hanke müssen den Mord am Direktor einer Pfarrkirchner Schule aufklären. Das Buch heißt „Ausgerechnet“ – der Direktor war Mathelehrer – und wird aller Voraussicht nach im April 2022 ebenfalls im Gmeiner Verlag erscheinen.
die Fragen stellte: Andreas Reichelt