Wasserburg am Inn. Bereits in der Schule hat er sich für Philosophie interessiert, hat damit angefangen Friedrich Nietzsche zu lesen. „Gecheckt“ hat er damals nicht wirklich, was der sprach- und bildgewaltige Philologe mit dem markanten Schnauzbart der Welt mitteilen wollte. Abgehalten hat es Franz Liebl dennoch nicht, nach dem Abitur in Regen nach München zu gehen, um an der LMU Politikwissenschaft, Geschichte und Philosophie zu studieren – und sich mit Rousseau, Hobbes, Machiavelli und all den anderen großen Denkern die Nächte um die Ohren zu schlagen. Eine lehrreiche Zeit, die ihm nicht nur den Titel „Magister Artium“ einbrachte, sondern ihn auch hinsichtlich dessen geprägt hat, was seit Jahren seine größte Leidenschaft ist: Boarischer Mundart-Rap.
Der heute 41-Jährige Franz Liebl alias „Monaco F“ gilt als einer der Vorreiter für jenes Genre, das anfangs eher belächelt und von den Münchener Radiosendern mehr oder weniger ignoriert wurde. Rap hatte damals, zu Beginn der 2000er Jahre, Hochdeutsch zu sein. „Das hat nie eine Chance, da hört man ja den Dialekt raus“, bekam er damals häufig zu hören. Eine Aussage, die eine Art Trotzreaktion in Franz Liebl auslöste: „Des hod mi grassest provoziert – und i hob ma denkt: Jetzt erst recht!“
Er produzierte in der Folge seinen ersten Track auf Bairisch, woraus bis heute, wie er es nennt, „ein großer Flow“ entstanden ist. „Das war ich, das war echt, ich konnte mich plötzlich ganz anders ausdrücken.“ Liebl spricht vom Erweckungsmoment. Hochdeutsch gerappt, so wie in Jugendzeiten, hat er daraufhin nie wieder.
Vom Woid noch Minga und wieda z’ruck aufs Land
Aufgewachsen und zur Schule gegangen ist er in Regen, nachdem er im Alter von vier Jahren mit seinen Eltern von Au in der Hallertau in den Woid übergesiedelt war. Mutter und Vater stammten zwar aus der Lamer Gegend, doch als Franz Liebl senior ein Jobangebot bei einer Firma für Hopfengranulat erhielt, zog es ihn samt Frau in die Holledau, wo er zum Braumeister ausgebildet wurde. Franz junior kam daher im benachbarten Freising zur Welt. Und als seinen Vater der Ruf der Brauerei Falter ereilte, ging’s eben für die Familie in die Kreisstadt am Regen. „Ich sehe mich absolut als Waidler“, wie „Monaco F“ betont.
Der Entschluss, nach dem Abitur nach „Minga“ zu gehen, war für ihn ein logischer Schritt. „Ich wollte mal a bissl was anderes sehen, wollte dorthin, wo die Hip-Hop-Szene zu Hause ist“, erinnert sich Franz Liebl. Er schrieb sich an der Uni ein und bezog sein Zimmer im Studentenwohnheim an der U-Bahn-Station Holzapfelkreuth.
Und während er seinem Studium mal mehr mal weniger elanvoll nachging, er seine spätere Frau kennenlernte und versuchte, in der Münchener Hip-Hop-Szene Fuß zu fassen, begann er nebenbei in die Medienlandschaft der Isarstadt einzutauchen. „Boombox“ lautete der Titel des ersten Radio-Formats, das er damals eher zufällig beim Sender M 94,5 zugesprochen bekam, weil sein Kumpel, den er eigentlich nur zum Vorstellungsgespräch begleiten wollte, nicht erschienen war.
Seine Start- und Anschlussschwierigkeiten als zuagroasta Waidler bei den bereits etablierten Münchener Rappern („Des war zach„) kompensierte Franz Liebl auf seine Weise: indem er sie kurzerhand in seine Radiosendung einlud und so mit all den namhaften Vertretern des Genres in Kontakt kam. Zehn Jahre später veröffentlichte er gemeinsam mit Grämsn und DJ Spliff unter dem Namen „Doppel D“ das inzwischen legendäre „B-aya-N“-Album, das erste Rap-Album komplett in bayerischer Mundart. „Da haben dann auch all die anderen gemerkt: Das ist ja cool, was die da so treiben.“ Seitdem gehört „Monaco F“ fest zur Szene – und zählt sich selbst mittlerweile schon wieder zu „den Alten“…
Nach insgesamt 15 Jahren in der Landeshauptstadt, einer Hochzeit, der Geburt seiner Kinder und einem bis heute erfolgreichen Engagement beim BR („on3“, „PULS“) ging’s für „Monaco F“ schließlich von München hinaus aufs Land, in die Nähe von Wasserburg am Inn, wo sich die Home-Base seiner Frau samt Schwiegermutter bzw. Oma befindet. „Minga is uns z’deia worn“, gibt er offen zu – und blickt im Folgenden genauso ehrlich auf das zurück, was sich in den vergangenen nicht ganz so prickelnden (Corona-)Monaten bei ihm so getan hat.
„Mir hat’s aber sauguad daugt“
Franz, erzähl mal: Wie ist das damals gelaufen bei Dir, als Du als Jugendlicher mit elf, zwölf Jahren in Deinem Zimmer in Regen gehockt und vom Hip-Hop-Virus infiziert worden bist?
Beim älteren Bruder eines meiner besten Freunde, bei dem ich oft zum Super-Nintendo-Spielen vorbeigeschaut habe, ist nebenher immer Mucke gelaufen: zum einen Westcoast-Punk, zum anderen Gangster-Rapp wie Ice-T oder Ice Cube. Das hat mir ganz gut getaugt, war mir damals aber meistens noch a bissl z’hoat…
Außerdem war ich mit einem DJ befreundet, der auch ein paar Jahre älter war, der hat am Danzbod’n am Sonntagnachmittag aufgelegt, in einer Art Jugend-Disco. Ich hab’s cool gefunden, vor allem die Techno-Tracks. Einmal hat er mir dann eine Cypress-Hill-Platte geschenkt, weil er sie nicht haben wollte – das war ja Rap (schmunzelt). Mir hat’s aber sauguad daugt.
Dann hab ich 1992 das erste Mal „Die Da?!“ von den Fantastischen Vier im Radio gehört, das war die Initialzündung für meine Liebe zum Deutsch-Rap. Ich habe zwei Wochen später meinen ersten Rap-Text während des Schulunterrichts auf ein Löschblatt in mein Deutsch-Heft geschrieben. Das weiß ich noch ganz genau…
Wie und vor allem wo fallen Dir Deine Texte ein? Unter der Dusche? Beim Bügeln?
(lacht) Die fallen mir überall ein: Tatsächlich unter der Dusche, beim Auto fahren oder wenn ich mit Freunden beisammen sitze und einer sagt was Lustiges, irgendeinen Spruch – dann zücke ich mein Handy und nimm das Ganze als Sprachnachricht auf oder mache mir eine kurze Notiz. Dann kann’s vorkommen, dass innerhalb einer Viertelstunde ein Songtext daraus entsteht – es kann aber auch drei Jahre dauern. Zum Beispiel das Lied „Wer is’n des?“ vom aktuellen Bierbankphilosoph-Album: Da ist die erste Strophe 13 Jahre alt.
„Mich hat die ganze Sache schon sehr runtergezogen“
Philosophieren und Rappen – das ist gar nicht mal so weit entfernt voneinander, oder wie siehst du das?
Find ich auch. Klar, Gaudi gehört beim Rappen für mich immer schon dazu. Aber ich verfolge auch stets den ursprünglichen Rap-Ansatz, dass das Ganze eine gewisse Message haben sollte – auch wenn diese nur unterschwellig vorhanden ist. Und das ist bei mir auch so drin: Ich kann kaum was machen, das nicht auch irgendwie hintersinnig ist, eine Meta-Ebene hat. Das ist mir wichtig – und da bringt mir tatsächlich mein Philosophie-Studium was, weil ich da Techniken gelernt habe, wie man gewisse Dinge hinterfragt, sie zerlegt und sie am Ende zu deuten hat. Daher gibt’s auch immer eine gesellschaftspolitische Komponente in meinen Texten.
Wie oft kommst Du noch in den Woid?
Für den Entstehungsprozess der neuen Platte war ich ein paarmal daheim in Regen, in meinem alten Proberaum. Bei der Oma, also bei meiner Mam, schauen wir auch häufiger vorbei. Meine Freunde seh ich dann auch. Ich möchte das weiterhin regelmäßig machen. Ein Tapetenwechsel schadet ab und zu nicht. Im vergangenen Jahr war ich sogar wieder mal beim Basketball-Training mit dabei – doch dann ist ja leider Corona dazwischen gekommen…
Apropos: Wie geht’s Dir damit?
Mal schauen, wie’s im Winter wird. Ich will wieder an neuen Projekten arbeiten. Ich gebe aber offen zu: Mich hat die ganze Sache schon sehr runtergezogen. Die neue Platte kam nach einem Jahr Arbeit raus, dann die ausverkaufte Release-Party mit 450 Leuten Ende Februar in München – und zwei Wochen später: alles aus.
Wie hat Dein Alltag in den letzten Monaten ausgeschaut?
Die Kolumne für PULS vom BR mach ich ja von zu Hause aus – dahingehend hat sich nichts verändert. Ich hab viele Kinderbetreuung gemacht und werde das auch weiterhin machen. Künftig werde ich auch verstärkt als Hausmann daheim sein, weil meine Frau als Lehrerin den sichereren Job hat. Für mich als Künstler schaut’s nach wie vor düster aus. Ich denke auch nicht, dass die Kulturbranche im nächsten Jahr wieder anläuft, sondern vermutlich erst 2022. Ich bin da eher pessimistisch. Planen kannst Du ja eh nix…
„Hoffe, die Politik hat aus den vorherigen Fehlern gelernt“
Was hältst Du von den Rettungsmaßnahmen und Hilfspaketen für die in der Kulturbranche Beschäftigten?
Bisher sind viele durchs Netz gefallen – ich selbst war und bin mit meinem BR-Job nicht in meiner Existenz gefährdet. Ich habe einfach nur viel Geld verloren, das ich investiert habe. Die erste Soforthilfe betraf ja die Betriebskosten – und als Solokünstler hast du nun mal wenig bis gar keine Ausgaben dieser Art. Kein Büro, keine Angestellten, kein Fuhrpark etc. Dann gab’s dreimal hintereinander monatlich bis zu 1.000 Euro. Viele meiner Münchener Freunde haben gesagt: Wenn ich 500 Euro bekomme, kann ich davon nicht einmal die Miete bezahlen.
Jetzt bin ich gespannt, was mit dem neuen „Kulturstabilisierungsprogramm“ passiert, bei dem es so eine Art Grundeinkommen für die Soloselbstständigen geben soll. Ich hoffe, dass dieses Programm dann greift – vor allem für die Leute, die zum Beispiel nur von der Musik allein leben. Die benötigen dringend diese Hilfen, sonst müssen die ihre letzten Ersparnisse und Altersvorsorgen aufbrauchen. Hier ist unbürokratische Hilfe gefragt, die die Einnahmeausfälle kompensieren. Ich hoffe, die Politik hat aus den vorherigen Fehlern gelernt…
Themawechsel zum Stichwort „Fichtenkartell„. Du kennst die Jungs, oder?
Ja, die kenne ich. Möglicherweise passiert da demnächst auch was – aber spruchreif ist noch nichts. Wir haben uns getroffen, aber konkret wird’s erst noch. Ich find’s cool, was die beiden machen. An dem Tag, als es beim Fichtenkartell mit „Woid Oida“ losgegangen ist, haben mir unterschiedliche Leute den Song zugeschickt und gefragt: „Hey, host Du des g’mocht? Gheast Du do dazua?“
Es ehrt mich natürlich, wenn man die Begriffe Rap und Woid mit mir verbindet. Andererseits hab ich mir gedacht: „Habt ihr Euch eigentlich amoi de Stimmen angehört? Des kann i doch goa net sei!“ (lacht) Und mich freut’s ehrlich gesagt am meisten, dass es auch andere außer mir gibt, die sich dem Boarischen Rap verschrieben haben. Denn das zeigt: Das, was wir Oidn angefangen haben, wird irgendwo weitergeführt.
„Diese Entwicklung finde ich cool und schlecht gleichzeitig“
Wie schätzt Du den Zustand der bayerischen Rap-Szene derzeit ein? Wen zählst Du da momentan überhaupt dazu?
Das kann ich gerade gar nicht so richtig einschätzen. Ich kann nur die Namen aufzählen, die meine Blosn betrifft. Leute, mit denen ich mindestens seit zehn, fünfzehn Jahren was mache. Dazu gehört da BBou, dicht & ergreifend, da Gräm, Liquid & Maniac und viele mehr. Die Los Brudalos und das Fichtenkartell gehören etwa zu den neueren Vertretern. Da gibt’s bestimmt noch viele andere, die ich jetzt vergessen habe…
Die Zeiten haben sich jedenfalls geändert. Wir haben uns damals noch auf Hip-Hop-Jams getroffen, zu denen die wenigen Rap-Fans, die’s gegeben hat, hingepilgert sind. Heute spielt sich das meiste im Internet ab. Diese Entwicklung finde ich cool und schlecht gleichzeitig. Schlecht deswegen, weil es keine richtige Szene mehr heute gibt, die sich „in echt“ trifft, an einem realen Ort, mit Rappern, Breakdancern usw. Das existiert so leider nicht mehr.
Andererseits muss ich sagen, dass gerade der Bairisch-Rap ohne Internet nicht so groß geworden wäre. Als wir unser „Watschnbaam„-Lied damals mit Doppel D gemacht haben, hatten wir im Nu mehrere zehntausend Klicks beisammen. Die Reichweite war enorm. Das ist der Vorteil vom Netz – da kannst Du Dir selbst die Plattform geben.
„Manche kennen mich nur über die Videos“
Wie sehr haben die BR-PULS-Videos zur Steigerung Deines Bekanntheitsgrades beigetragen, Franz?
Manche kennen mich nur über die Videos – das ist mir aufgefallen, als ich die neue Platte gemacht habe; dass viele es noch gar nicht gecheckt haben, dass ich auch Musik mache. Aber ja, es gibt viele Videos, die sehr erfolgreich im Netz gelaufen sind. Die Kolumne gibt’s ja schon länger, seit mehr als 13 Jahren. Ich hab mehr als 550 Folgen für Radio und Internet geschrieben, mehr als 200 Videos gemacht. Da hab ich den Überblick bereits verloren ehrlich gesagt…
…dann wirst Du den Überblick nach Corona hoffentlich wieder zurückbekommen. Ois Guade!
Interview: Stephan Hörhammer