Regen. Mehr als 25.000 YouTube-Aufrufe binnen einer Woche für ihren Track „Woid Oida“ – damit hatten die beiden Rapper aus dem Landkreis Regen wahrlich nicht gerechnet. „Wir fühlen uns ehrlich gesagt momentan etwas überrollt“, zeigt sich „Krampus“, der für Text und Gesang zuständig ist, vom bisherigen Erfolg des „Fichtenkartells“ positiv überrascht. „Woid Oida ist durch die Decke gegangen. Wir bekommen momentan extrem viel Zuspruch – und extrem viele Nachrichten.“
Dabei wissen diejenigen, die mit Krampus und dessen kongenialem Partner namens „CocaKoda“ via Social-Media oder Email in Kontakt treten, bislang gar nicht, wer sich hinter den beiden Pseudonymen verbirgt. Doch genau das gehört zum Konzept des Hiphop-Duos, wie sie im Gespräch mit dem Onlinemagazin da Hog’n betonen: „Wir wollen absolut anonym bleiben und es gibt auch keine Bilder von uns. Auch unser Alter verraten wir nicht. Das Fichtenkartell ist zeitlos“, erklärt Krampus. Und CocaKoda ergänzt: „Anonym werden unsere Worte als tatsächliche Worte aufgefasst – und nicht als die Worte von dem und dem.“ Ein Interview über boarischen Rap, fette Punch-Lines und Identifikation mit dem Bayerischen Wald.
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Ihr nennt euch „Krampus“ und „CocaKoda“ – was hat es mit diesen Namen auf sich?
Krampus: Den Krampus gibt’s ja schon immer. Er ist derjenige, der einerseits viel Gaudi macht, andererseits aber auch aufzeigt, was schief läuft und was die unartigen Kinder falsch gemacht haben. Der Krampus haut ihnen dafür auch mal auf die Pratzen. Das ist modernes Haberfeldtreiben, was wir machen. Dieses Krampus-Konzept spiegelt sich in unserer Musik wider, weil wir Themen ansprechen, die von der regionalen Politik verbockt werden. Wir bekommen dafür gerade sehr viel Zuspruch von der Öffentlichkeit à la: Endlich spricht das mal jemand an!
„Eine geheime Organisation ausm Woid“
CocaKoda: Der Name ist eigentlich ein Insider. Es ist uns wichtig, dass wir Sachen aufgreifen, die die Leute in der Region bewegen. Und der CocaKoda ist ein Aufgedrehter, der umherstreift, der aufmischt, und der den Krampus auf seiner Tour begleitet.
Und wie kommt ihr auf den Namen „Fichtenkartell“?
Krampus: Der Name ist spontan entstanden. Ursprünglich steckt einer unserer Songtexte dahinter, den wir auch bereits veröffentlicht haben. Der Name hat uns gefallen, er hat irgendwie gut zu unseren Pseudonymen gepasst. Das Fichtenkartell, quasi eine geheime Organisation ausm Woid (beide lachen).
Seit wann macht ihr beide Musik?
CocaKoda: Gefühlt machen wir, jeder für sich, immer schon Musik. Gemeinsam sind wir seit ungefähr einem Jahr am Start.
Krampus: Ich habe früher Punkrock gemacht und habe früh mit dem Rappen und Texte schreiben begonnen. CocaKoda hat immer schon Beats gebaut – und irgendwann sind wir eher zufällig darauf gekommen, was der jeweils andere macht. Ich dachte mir: Boarischer Rap – das ist geil, vor allem weil es diese Art von Musik bis dato im Woid eigentlich nicht gibt. Es existiert hier keine Hiphop- oder Rap-Szene. Es gibt mit Monaco F lediglich einen Vorreiter. Er ist ein Idol für uns, weil er den Weg für diese Art von Musik geebnet hat.
CocaKoda: Wir haben a bisserl rumexperimentiert und haben einen Track aufgenommen – das hat gleich gut funktioniert. Und dann haben wir die ersten Stücke veröffentlicht.
„Das Fichtenkartell bleibt unberechenbar“
„Woid Oida“ ging ja bis dato so richtig steil, oder?
Krampus: Ja – und wir sind da auch wahnsinnig stolz drauf. Dieser Erfolg hat den Grundstein gelegt fürs Weitermachen – und es kommt noch viel mehr von uns. Die ersten Pläne sind geschmiedet. Bisher sind unsere Tracks ja ausschließlich im Netz verfügbar, wir möchten aber dieses Jahr noch ein Album produzieren. Das ist auch der Wunsch vieler Leute.
CocaKoda: Und da werden mit Sicherheit so einige Überraschungen mit drauf sein…
Krampus: Das Fichtenkartell bleibt unberechenbar (lacht).
Wird es auch Live-Auftritte in absehbarer Zukunft geben?
Krampus: Auftritte sind geplant, jedoch nicht in nächster Zeit. Wir haben dafür aktuell keine Kapazitäten übrig, da wir privat sehr eingespannt sind. Voraussichtlich Ende des Jahres aber, spätestens nächstes Jahr, werden wir dann auch auf der Bühne stehen…
CocaKoda: …natürlich verschleiert bzw. maskiert. Welche Masken wir tragen, wird sich zeigen. Der Krampus tritt jedenfalls mit einem riesigen Mantel auf, einem Hut, einem gigantischen Bart, einem Stock, mit dem er den bösen Kindern dann auf die Finger haut – und natürlich mit ein paar derben Punch-Lines…
Krampus: Uns ist wichtig, dass unsere Musik vor allem den Leuten ausm Woid gefällt.
„Eine humorvolle Hommage an unsere Heimat“
„Unsare Gloshittn hand zua, do heast du net moi mehr an Besn, dafia vokaffans iatz bom Joska drent Glasl vom Chinesn“ lautet eine Eurer durchaus kritischen Zeilen in „Woid Oida“. Eine Zeile, über die die Joska-Verantwortlichen gewiss nicht gerade frohlocken…
CocaKoda: Ja, wir wollen jedoch keinen vor den Kopf stoßen oder eine Kampagne gegen irgendjemanden fahren. Wir greifen im Prinzip lediglich das auf, was die Leute draußen berührt, was die Menschen im Bayerischen Wald bewegt – und worüber sie reden. Viele sind traurig, dass einerseits die Glasindustrie in den vergangenen Jahren zu Grunde gegangen ist, dass die Glashütten zugemacht haben – und andererseits hier Glas aus China verkauft wird. Das ist Thema bei uns – und das gehört angesprochen. Dafür stehen wir mit unserer Musik.
Krampus: Klar, wir können’s nie allen recht machen. Doch Rap im Besonderen muss weh tun. Rap muss gewisse Missstände kritisieren.
In Eurem Song „Woid Oida“ heißt es: „Da Woid, a Fleck vom Paradies“ – ist das aus Eurer Sicht so? Oder ist das eher ironisch gemeint?
Krampus: Das ist tatsächlich so. Da Woid ist ein Fleck vom Paradies. Es heißt ja immer: Man kriegt einen Waidler aus dem Woid raus, aber den Woid nicht ausm Waidler. Diejenigen, die längere Zeit weg waren, entwickeln irgendwann eine starke Sehnsucht nach ihm.
CocaKoda: Unsere Texte sind eine humorvolle Hommage an unsere Heimat, vor allem an die Leute, die hier leben, an deren Herzlichkeit und Kühle. Ein ganz besonderer Menschenschlag, der den Charme dieses Landstrichs ausmacht. Wir glorifizieren den Bayerwald nicht, wir widmen ihm uns mit Humor – dazu gehört es auch diejenigen Sachen anzusprechen, die nicht so gut laufen. Mit „Woid Oida“ haben wir, denke ich, einen Nerv getroffen.
„Wir sitzen alle im gleichen Boot“
Die Quattrofahrer aus Freyung-Grafenau bekommen auch noch einen kleinen Seitenhieb mit Eurem Woid-Text verpasst. Ihr schaut als auch über die Landkreis-Grenzen hinaus?
Krampus: Natürlich. Da Woid hört nicht beim Landkreis Regen auf. Unsere Fans kommen mittlerweile aus der Chamer Richtung genauso wie aus dem Unteren Wald und aus der Passauer Gegend. Wir sitzen alle im gleichen Boot. Das ist auch das Schöne, wenn man sich als Waidler identifizieren kann. Das hat etwas mit Gemeinschaftsgefühl zu tun. Wir sehen uns als Waidler, die diese Region repräsentieren wollen.
CocaKoda: Alles, was etwa im Track „Woid Oida“ vorkommt, ist ja nichts, was wir uns ausgedacht haben, sondern das sind genau die Sachen, über die Leute in der Region reden. Wir schauen ihnen aufs Maul, wir saugen das alles wie ein Schwamm auf und machen daraus einen Song – da gibt’s positive, aber auch negative Aspekte. Und der Humor darf dabei freilich nicht fehlen.
Danke fürs Gespräch – und weiterhin viel Erfolg mit dem, was ihr macht.
Interview: Stephan Hörhammer
Mehr zum Fichtenkartell gibt’s hier: