Obwohl es sich bei Dießenstein (Gemeinde Saldenburg) nicht um einen Burgstall, sondern um eine kleine Festungsruine handelt, soll der Burgplatz hier vorgestellt werden. Denn unter den Mauertrümmern von Dießenstein sind gleich zwei faszinierende Geheimnisse verborgen. Da Hog’n mit einem weiteren Blick in das jüngst erschienene Buch „Keltenschanzen, Ringwälle, Burgställe“ von Manfred Böckl.
Die Burgruine Dießenstein, hoch über der Ilz gelegen, erreicht man am besten über die B85 von Grafenau beziehungsweise Passau her. Zwischen den Abfahrten Tittling und Saldenburg nimmt man die Ausfahrt nach Preying und durchquert diesen Ort, bis man gleich nach Preying in Ebersdorf auf die querlaufende Kreisstraße FRG11 stößt. Auf diese Straße biegt man nach links (in Richtung Haus im Wald) ein, folgt ihr ungefähr einen Kilometer weit und nimmt dann (bei 48°46’16.13’’N 13°23’25.79’’O) ein nach rechts abzweigendes Sträßchen, das bereits als Weg nach Dießenstein ausgeschildert ist. Wiederum nach etwa einem Kilometer gelangt man zu einer Hofstelle; gleich dahinter befindet sich ein kleineres Anwesen (bei 48°46’03.63’’N 13°24’02.97’’O), und dort kann man ganz in der Nähe eines weiteren Wegweisers zur Burgruine parken. Das letzte Wegstück führt dann durch einen Schluchtwald zur Ruine, die auf einem stark verwachsenen Felsbuckel steht.
Verschiedene Interpretationen der Namensgeschichte
Vom Mauerwerk der einstigen Festung ist nur noch wenig erhalten: insbesondere ein hoher Teil der früheren Schildmauer sowie zwei bogenförmige Palasportale mit dahinterliegenden Ruinenmauern und Teile des Burghofpflasters. Unbestritten erweckt die Burgruine einen wildromantischen Eindruck – noch sehr viel interessanter jedoch ist das, was sich quasi unter den steinernen Relikten verbirgt.
Im Festungsnamen Dießenstein stecken nämlich die Disen: göttliche Frauen, die in der germanischen Mythologie als Verwandte der Nornen und Walküren auftreten. Ein Disenstein (oder in etwas anderer Schreibweise Dießenstein) ist demnach ein Sakralfelsen, wo sich die Disen manifestieren – und der Felsbuckel, auf dem die Burg erbaut wurde, scheint infolgedessen ursprünglich ein den göttlichen Disen geweihtes Naturheiligtum gewesen zu sein.
Manche Heimatforscher erklären den Burgnamen allerdings anders; sie leiten ihn vom mittelhochdeutschen Verb diezen (rauschen) ab, weil angeblich die Ilz in der Tiefe unterhalb der Burg sehr laut rauscht; so laut, dass man es bis zur Festung hinauf hört. Dies ist jedoch in Wirklichkeit nicht der Fall, weshalb wohl auch die Namensinterpretation falsch ist – und auf eine Präsenz paganer überirdischer Frauen am Fels von Dießenstein weist zudem eine von Emmi Böck dokumentierte Sage hin:
Ein Handwerker aus der Donaugegend hatte einmal um Preying, unweit von der Saldenburg, zu tun und trat noch am Abend desselben Tages den Heimweg an. Nachdem er einige Stunden einsam dahingewandert war, ohne an ein Haus zu kommen, merkte er, dass er sich verirrt hatte. Um Mitternacht endlich gewahrte er ein Licht. Er glaubte, eine menschliche Wohnung zu finden. Aber wie erschrak er, als er zu dem Lichtlein kam!
Vor ihm erhob sich die Schlossmauer von Dießenstein, und darauf saß eine Jungfrau. Die stieg lächelnd von ihrem Sitz herab und klopfte mit ihrem Stab auf den Boden. Die Erde tat sich auf, und ein Schatz von Gold und Edelsteinen wurde sichtbar. Die Jungfrau stieg einige Stufen in die Gruft hinab, die sich aufgetan hatte, und winkte dem Mann, ihr zu folgen. Dieser aber blieb wie gebannt auf seinem Platz stehen. Nachdem er sich ein wenig von seinem Schrecken erholt hatte, floh er. Traurig sah ihm die Jungfrau nach und winkte ihm. Plötzlich entstand ein unterirdisches Rollen. Dann herrschte geheimnisvolle Ruhe wie vorher. Spuk, Schatz und Jungfrau waren verschwunden.
Das Urbild der jungfräulichen Hüterin des Schatzes könnte sehr wohl eine der geheimnisvoll-faszinierenden germanischen Disen sein, die in vorchristlicher Zeit am Disenstein oder Dießenstein verehrt wurden. Dies freilich geschah vor sehr langer Zeit – in einer historisch viel leichter fassbaren Epoche dagegen wurzelt das zweite Geheimnis, das mit der Burgruine verbunden ist.
Im Sommer 1742, während des Österreichischen Erbfolgekrieges, wurde die von einer bayerischen Truppe gehaltene Festung Dießenstein von Söldnern des berüchtigten, in Österreichs Diensten stehenden Pandurenobersts Franz von der Trenck belagert und erobert. Nach der Einnahme der Burg unternahm Trenck einen Inspektionsgang und kam dabei auch in den Bergfried von Dießenstein, der über einer begehbaren Höhle im Burgfelsen erbaut war. Mit einer brennenden Fackel stieg Trenck in diesen natürlichen Turmkeller hinunter, wobei er nicht wusste, dass in einem Teil des Felsenkellers eine Menge Schießpulver eingelagert war. Funken, die von der Fackel wegsprühten, genügten, um das Schwarzpulver zur Explosion zu bringen; der Burgturm stürzte über der Höhle ein – und Trenck, der mit Mühe geborgen werden konnte, kämpfte danach wochenlang mit dem Tod.
Der Österreichische Erbfolgekrieg und Franz von Trenck
Bis heute liegt ein großer Schutthaufen auf der Stelle, wo sich einst der Bergfried erhob. Ob die Felsenhöhle darunter völlig verschüttet wurde, weiß man nicht; ebensowenig weiß man, was außer dem Pulver eventuell sonst noch in dem Höhlenkeller aufbewahrt wurde. Da die Kaverne wahrscheinlich der sicherste Platz in der Festung war, könnten in der Höhlenkluft aufgrund der Belagerung womöglich die wertvollsten Besitztümer der Burgleute versteckt worden sein – und unter Umständen weist darauf auch die Sage hin, in der ja von einem Schatz in der Tiefe des Dießensteiner Burgplatzes die Rede ist.
Manfred Böckl/ da Hog’n
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