Besucher der im Spätmittelalter erbauten Saldenburg können ihre Autos nahe der Festung auf einem Parkplatz abstellen und dann das letzte kurze Wegstück zur Burg, die heute als Jugendherberge dient, bequem zu Fuß gehen. Noch interessanter allerdings als eine Burgbesichtigung, die man leider nur von außen vornehmen kann, ist die Erforschung einer monumentalen heidnischen Sakralstätte, die sich gleich nördlich der Saldenburg im Wald verbirgt. Da Hog’n mit einem weiteren Blick in das jüngst erschienene Buch „Keltenschanzen, Ringwälle, Burgställe“ von Manfred Böckl.
Um dorthin zu gelangen, geht man vom Parkplatz aus in entgegengesetzter Richtung zur Burg in den Forst. Ein breiter Trampelpfad weist dort den Weg; nach ungefähr 100 Metern erreicht man eine Geländefalte, ersteigt sie und blickt von dort oben auf einen mächtigen, breit hingelagerten Felsen (bei 48°46’33.48’’N 13°21’15.00’’O), auf dem sich mehrere verschiedenartige Eintiefungen befinden.
Bei diesem Monolithen handelt es sich laut der Vorgeschichtsforscherin Dr. Heide Göttner-Abendroth um einen Sakralfelsen, der wahrscheinlich in der Jungsteinzeit, also vor fünf-, sechs- oder sogar siebentausend Jahren, mit den genannten Eintiefungen versehen wurde.
Wenn man den Monolithen genauer betrachtet, erkennt man, dass er auf seiner Oberfläche in drei Bereiche unterteilt ist. Ganz rechts befinden sich eng nebeneinander drei nach vorne offene Steinschalen, in denen laut Göttner-Abendroth einst bei bestimmten paganen Ritualen drei Priesterinnen der Großen oder Dreifachen Göttin saßen.
Eine Sage mit historischem Hintergrund
Etwa in der Mitte des Felsens gibt es eine große, v-förmige Eintiefung; laut Göttner-Abendroth wurden in dieser Steinmulde in grauer Vorzeit Sakralhochzeiten zelebriert: öffentliche Beischlaf-Rituale, die von einer Göttinnenpriesterin und einem hochgestellten Mann, zum Beispiel einem Stammeshäuptling, vollzogen wurden. Und in einer großen Steinschale ganz links, in der man wie in einem Gynäkologenstuhl sitzt, wurden die Kinder geboren, die bei den Heiligen Hochzeiten gezeugt wurden; Kinder, die für spätere Führungsaufgaben in ihrem Stamm prädestiniert waren.
Hinter den genannten Eintiefungen liegen noch etliche andere, die als Wasserbecken oder Opferschalen dienten, und insgesamt stellt der Saldenburger Sakralfelsen ein heidnisches Naturheiligtum von sehr hoher Bedeutung dar. Zunächst versammelten sich bei dem Monolithen jungsteinzeitliche Menschen zu ihren religiösen Ritualen; in späteren Jahrtausenden wurde der Sakralstein vermutlich auch von bronzezeitlichen und danach keltischen Anhängern der Großen Göttin genutzt – und selbst im Spätmittelalter noch wurde die Göttin im Wald bei der Saldenburg verehrt, wie die folgende Sage (Quelle: Hans Schopf: „Hexen, Druden und Durandl“) aufzeigt:
Ritter Tuschl von Söldenau, ein tapferer und begüterter Mann, lebte auf der Saldenburg. Das ewige Jagen, Zechen und Trinken war ihm langweilig geworden. Deshalb ritt er auf das Schloss Aheim, um das schöne Fräulein Anna zu heiraten. Der Burgschreiber setzte die Urkunde auf, und der Burgkaplan vollzog die Trauung. Es begannen nun schöne Tage auf der Saldenburg, und im Schloss herrschte große Freude.
Bald aber führte eine üble Gewohnheit der jungen Frau Tuschl ein schreckliches Ereignis herbei. Sie pflegte nämlich ganz laut und rührend mit dem Mond zu sprechen. Darüber packte den Ritter Tuschl ein heftiger Zorn, und er ließ sie in das Burgverlies einmauern.
Aber eines Tages war das schöne Annerl verschwunden und mit ihr sein Reitknecht. Unglücklich und voller Unruhe und Reue ritt der alte Ritter Tuschl durch die Lande. Nach vielen Jahren wollte er sich im Welschland, in der Nähe von Rom, bei einem Schuster seine Reitstiefel besohlen lassen. Er saß in der Schusterstube und wartete. Da erkannte er, dass der Schuster sein einstiger Reitknecht war. Die Frau Schusterin aber, welche ihren Kindern gerade lustige Geschichten erzählte, war das schöne Annerl.
Wieder erwachte in Tuschl der Zorn. Schon wollte der alte Ritter das Schwert ziehen. Dann aber beherrschte er sein Herz und zog traurig heim auf seine Saldenburg, wo er noch lange Jahre einsam verbrachte. Er nannte sich „Ritter Allein“. Das Wort „Allein“ ließ er auf seinen Schild und seinen Stuhl schnitzen. Als er starb, wurde das Wort auch auf seinen Grabstein gemeißelt. Seine Rittergüter und seine Schätze vermachte er dem Kloster in Vilshofen.
Die tragische Geschichte von Heinrich Tuschl von Söldenau
Der in der Sage erwähnte Ritter Tuschl ist der historische Adlige Heinrich Tuschl von Söldenau, welcher die Saldenburg ab dem Jahr 1368 erbauen ließ. In seinem Leben war er dreimal verheiratet, allerdings niemals mit einer Frau namens Anna. Ana oder Dana ist jedoch ein sehr alter Name der Großen Göttin, und die junge Frau, die so „laut und rührend“ mit dem Mond sprach, wird wohl noch im 14. Jahrhundert eine Anhängerin der Göttin oder vielleicht auch eine Göttinnenpriesterin gewesen sein, die in der Gegend der Saldenburg lebte und womöglich eine Geliebte des Burgherrn war.
Offenbar wurde sie dann aber wegen ihres heidnischen Glaubens eingekerkert; mit Hilfe eines Reitknechts (eines Mannes aus dem Volk, der eventuell ebenfalls noch Heide war) gelang ihr aber die Flucht – und sie lebte glücklich weiter, während der christliche Ritter Tuschl der Schwermut verfiel.
Soweit die Sage, deren Kernaussage lautet: Im Spätmittelalter existierte in der Gegend der Saldenburg noch die heidnische Religion. Sie wurde jedoch von der Obrigkeit (dem Ritter und der Kirche) brutal verfolgt, konnte aber mit Hilfe der einfachen Menschen (des Reitknechts) dennoch im Untergrund (in der Fremde) weiterbestehen.
Bestimmt wird die geheimnisvolle Anna dem Mond – besser wohl: der Mondgöttin, die wiederum eine der Erscheinungsformen der Großen oder Dreifachen Göttin ist – beim Sakralstein im Wald gehuldigt haben, und wenn man bei dem Monolithen steht, kann man die schöne Heidin des 14. Jahrhunderts womöglich mit dem inneren Auge sehen.
Manfred Böckl/ da Hog’n
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„Keltenschanzen, Ringwälle, Burgställe“: 120 Ausflüge zu verwunschenen Plätzen im Niederbayerischen Hügelland und im Bayerischen Wald. Das Buch von Manfred Böckl mit diesem Titel ist hier bestellbar.
Schön gedichtet. Aber die Mulden in den Felden kommen öfter vor, auch bei der sogenannten Sesselkapelle bei Saldenburg oder auf dem Berg Dreisessel im Dreiländereck im Bayerischen Wald, wo Österreich, Bayern und Böhmen zusammentreffen. Enstanden sind die Sesselartigen Vertiefungen durch vermoderndes Laub, dass sich in einer leichten Vertiefung gesammelt hat. Die Säure und Verwitterung hat den Granitfelsen im Laufe von zig-tausenden von Jahren weiter vertieft. Solche „Sessel“-Felsen haben aber immer schon die Phantasie angeregt. So geht die Sage, das die Sessel des Dreisesselberges dadurch entstanden,, dass die Herrscher der angrenzenden Länder hier Platz genommen haben, Bei der Sesselkapelle seien die Vertiefungen dadurch entstanden sind,, dass Jesus, Maria und Josef hier gelagert hätten.