Příbram/Freyung. Gerade in der Grenzregion Bayerischer Wald/Böhmerwald spielt die Völkerverständigung eine maßgebliche Rolle – immerhin leben hier Bayern und Tschechen in unmittelbarer Nachbarschaft. Eine beispielhafte Vorreiterrolle nehmen dabei Menschen wie Heinrich Vierlinger ein. Dies betont auch Alois Seidl vom Kulturkreis Freyung-Grafenau, der über den „Brückenbauer“ aus Freyung sagt: „Er verfügt über ein erstaunlich umfassendes Wissen und stellt immer wieder auf faszinierende Art und Weise Zusammenhänge her zwischen Land und Leben, Geschichte und Geschichten, Kultur und Politik, Literatur und Bildender Kunst, Religion und Wirtschaft. Sein Hauptanliegen gilt der grenzüberschreitenden Begegnung mit unserem Nachbarland Tschechien.“
Zu Vierlingers wichtigsten Mitteln, um das deutsch-tschechische Miteinander zu stärken, zählen die jährlich stattfindende Pilgerwanderung sowie verschiedene Kultur- und Naturreisen nach Příbram, die der 76-Jährige seit 2007 organisiert. Über die Pilgerwallfahrt, die nun auch dokumentarisch auf Film festgehalten wurde und u.a. am Montag, 8. Oktober, um 19 Uhr im Cineplex Freyung zu sehen ist, spricht der Rentner im Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n genauso wie über seine Bemühungen, die Deutschen und die Tschechen, die Bayern und die Böhmen, noch weiter zusammen zu führen.
Die Geschichte der Wallfahrt ins böhmische Příbram
„Einmal im Leben auf’n heiligen Berg“ – kürzlich feierte ein Dokumentarfilm mit diesem Titel seine Premiere im Cineplex Freyung. Worum geht’s dabei konkret?
Seit Ende des 18. Jahrhunderts sind Wallfahrten aus dem Bayerischen Wald zum Heiligen Berg in Böhmen, zum zweitgrößten Marienheiligtum nach Maria Zell, in den habsburgischen Ländern belegt. Die damalige Vorgabe: Einmal im Leben sollte laut Prof. Dr. Reinhard Haller, Volkskundler aus Bodenmais, der gläubige Waidler sich diese Mühe antun und die zirka 150 Kilometer einfache Wegstrecke zum Heiligen Berg für sein Seelenheil auf sich nehmen.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts sowie Anfang des 20. Jahrhunderts waren diese Wallfahrten am populärsten. Der Niedergang kam in den 1930er Jahren – das Ende mit dem Zweiten Weltkrieg sowie mit dem Erstarken des Kommunismus‘ im Nachbarland. In den 1980er Jahren ließen Vinzenz Binder aus Kreuzberg und andere Mitstreiter jenen Wallfahrtsbrauch zunächst als Buswallfahrt wiederaufleben.
Ich persönlich war zehn Jahre als Pilger-Reiseleiter und Wanderführer für das Bayerische Pilgerbüro unterwegs. Bei meiner letzten von drei Touren auf dem Jakobsweg in Spanien im Jahr 2006 kam mir die Idee, doch diesen alten Brauch auch als fußläufige Pilgerwanderreise wieder aufleben zu lassen. Zunächst brauchte ich einen Partner, der gewillt war dies mitzumachen. In meinem Freund Jens Schörnich fand ich genau den richtigen.
Wie ging es dann weiter?
Nach intensivem Quellenstudium, Erkundungen und Vorarbeiten war es dann im Herbst 2007 soweit: Die erste Tour ging über die Bühne. Nun, im Jahr 2018, waren es bereits achtzehn Pilgerwanderungen innerhalb von elf Jahren. 2009 entstand auch ein neuer Ast der Via Nova von Bayern zum Heiligen Berg in Böhmen. Während dieser neue Weg auf bayerischer Seite auf großes Interesse stieß, war und ist auf böhmischer Seite offensichtlich mangels Bekanntheit – aber auch aus anderen Gründen – noch kaum Resonanz zu finden. Genau hier möchte dieser Film, dessen deutsche Version jüngst mit großem Erfolg gestartet ist, ansetzen. An der tschechischen Version arbeiten wir zur Zeit.
„Svata Hora“ als wichtiges Projekt der Gegenreformation
Nach deren Fertigstellung hoffen wir gemeinsam mit unseren tschechischen Partnern, den Projektpartnern Kulturkreis Freyung-Grafenau, der Agentur für Regionalentwicklung in Stachy/CZ, der Euregio Bayerwald-Böhmerwald-Mühlviertel sowie dem ViaNova-Verein Salzburg und unseren Sponsoren, dass wir damit einen wichtigen Anschub auf tschechischer Seite leisten können.
Warum ist der „Svatá Hora“ bei Příbram heilig – und so besonders?
Den Heiligen Berg in Böhmen sehe ich als ein wichtiges Projekt der Gegenreformation. Aus einem lokalen Marienwallfahrtsort des späten Mittelalters entwickelte sich nach einer wundertätigen Begebenheit am Ende des Dreißigjährigen Krieges ein vor allem durch die katholischen Habsburger und dem Orden der Jesuiten gefördertes Heiligtum für das durch Krieg, Armut und Krankheiten arg geschundene Volk.
Eindrücke der bisherigen Pilgerreisen nach Příbram (Fotos: Jens Schörnich)
Mit der Durchführung dieser alljährlichen Reise gelten Sie als Experte der deutsch-tschechischen Völkerverständigung. Wie ist da der Stand der Dinge?
Aus meiner Sicht hat unser Nachbarland in den vergangenen Jahren eine bemerkenswert positive wirtschaftliche Entwicklung vollzogen. Man begegnet sich heute mehr und mehr auf Augenhöhe. Auf meinen Touren – nicht nur während meiner Pilgerwanderreisen – erlebe ich durchwegs freundliche Begegnungen. Natürlich gibt es nach wie vor die Sprachbarriere – diese spielt aber im Bereich der touristischen Zusammenarbeit – wenn überhaupt – nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Leute, die in diesem Bereich arbeiten, sprechen meist auch Deutsch und Englisch.
Was muss passieren, dass diese beiden Völker noch enger zusammenwachsen?
Wir müssen uns weiterhin bemühen, Vorurteile abzubauen und Kontakte auf allen Ebenen zuknüpfen.
Vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen Ihnen weiterhin alles Gute.
Die Fragen stellte: Helmut Weigerstorfer
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Das Filmprojekt wird gefördert durch