Regen. Knapp fünf Monate ist Rita Röhrl inzwischen als Landrätin des Landkreises Regen in Amt und Würden. Langsam aber sicher macht sich die politische Handschrift der 64-Jährigen erkennbar. Eine nicht unwichtige Rolle scheint dabei das deutsch-tschechische Miteinander zu spielen, wie regelmäßige bilaterale Besuche „drent und herent“ beweisen. Im Kurz-Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n spricht Rita Röhrl über den völkerverständigenden Moment, der unter ihrer Ägide weiter vertieft werden soll. Dabei verdeutlicht sie, wie wichtig eine gute Zusammenarbeit für beide Seiten ist.
Frau Röhrl: Täuscht der Eindruck oder legen Sie seit Ihrem Amtsantritt einen verstärkten Fokus auf das deutsch-tschechische Miteinander? Regelmäßig gibt es zumindest Pressemitteilungen über gegenseitige Besuche.
Mir sind die Beziehungen zu unseren Nachbarn sehr wichtig – ob dies nun ein verstärkter Fokus ist, kann ich nicht beurteilen. Ich habe mir vorgenommen, das Gespräch mit den Nachbarn zu suchen und die Beziehungen weiter zu verbessern.
Sind derlei gegenseitigen Besuche von Politikern beider Seiten der richtige Weg, um die Völkerverständigung auch für die Basis zugänglich zu machen?
Es darf nicht der einzige Weg sein. Es ist aber ein guter Start. Natürlich verändert dies zunächst an der Basis nichts, aber: Wir können auf politischem Weg die richtigen Weichen stellen und Projekte planen, die auch beim Bürger zur Völkerverständigung beitragen.
„Oft ist nur noch die Sprache ein trennendes Element“
Ganz allgemein gefragt: Wie würden Sie das deutsch-tschechische Miteinander im Landkreis Regen beschreiben?
Das Verhältnis ist gut. Es arbeiten viele Menschen aus dem Nachbarland bei uns. Man besucht sich gegenseitig, nutzt die Angebote auf beiden Seiten der Grenzen. Insofern wird das Miteinander im Alltag gelebt.
Welche Rolle spielt hier noch die Vergangenheit – Stichwort: Vertreibung?
Natürlich gibt es noch einige Menschen, bei denen diese geschichtlichen Ereignisse von Bedeutung sind. Im alltäglichen Umgang spielt dies aber kaum mehr eine Rolle. Vorurteile, Ängste und Vorbehalte gibt es auf beiden Seiten der Grenzen – doch ich habe den Eindruck, dass vor allem bei Kindern und Jugendlichen nur noch die Sprache ein trennendes Element ist.
Wie wichtig ist das deutsch-tschechische Miteinander für den Bayerischen Wald, insbesondere für den Landkreis Regen?
Sehr wichtig. Das Leben hört nicht an der Grenze auf. Je durchlässiger die Grenzen sind, desto mehr profitieren die Menschen, die hier leben. Wir profitieren bereits heute wirtschaftlich stark, viele Menschen aus dem Nachbarland kommen zum Einkaufen in den Landkreis Regen, auch unsere Freizeitangebote werden stark genutzt.
Geht es ausschließlich um zwischenmenschliche Dinge – oder erhoffen Sie sich auch weitere wirtschaftliche Vorteile für den Landkreis Regen durch eine verstärkte Zusammenarbeit?
Es geht um beides. Wirtschaftlich klappt die Zusammenarbeit in vielen Teilen schon sehr gut. Natürlich könnte eine bessere politische Zusammenarbeit auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen. Insofern wäre es dumm, wenn man hier keine Verbesserungen anstreben würde.
„Wir werden von dieser Annäherung weiter profitieren“
Mit welchen Mitteln kann die Völkerverständigung – trotz Sprachbarriere – im Kleinen vorangetrieben werden?
Wir arbeiten an Schulprojekten, wie beispielsweise am Gymnasium Zwiesel. Dor werden derzeit 17 tschechische Schüler auf das bayerische Abitur vorbereitet. Wenn alles nach Plan läuft, werden es in drei Jahren rund 50 Schüler sein. Zudem erhalten an fünf Grundschulen im Landkreis Regen Kinder tschechischen Sprachunterricht. Im Nachbarland bekommen ebenso an fünf Schulen im Bezirk Pilsen Kinder Sprachunterricht in Deutsch. Ich würde es begrüßen, wenn man dies weiter ausbauen würde, denn die Kinder werden über die gemeinsame Zukunft entscheiden.
Abschließend ein Blick in die Zukunft: Wie wird sich die deutsch-tschechische Grenzregion entwickeln?
Ich bin überzeugt davon, dass sich die Beziehungen von Jahr zu Jahr verbessern werden. Die Sprachbarriere wird uns natürlich weiter trennen, dennoch gehe ich davon aus, dass wir uns weiter annähern und wir von dieser Annäherung weiter profitieren werden.
Vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Helmut Weigerstorfer