Teisnach/Regen. 1. Dezember 2017 – ein Tag, der in die Geschichte des Landkreises Regen eingehen wird. An diesem Tag endet nicht nur die Amtszeit von Michael Adam (32), der nach intensiven sechs Jahren das Landratsbüro gegen den Hörsaal der Uni Passau eintauschen wird. Mit Rita Röhrl nimmt auch erstmals eine Frau auf dem Chefsessel des Landratsamtes Platz. Gleichzeitig stellt die „Inthronisation“ der 64-Jährigen ein einschneidendes Ereignis für den Markt Teisnach dar, denn: Nach 27 Jahren verliert die Gemeinde ihre Bürgermeisterin. Rita Röhrl im ersten Interview als Landrätin des Landkreises Regen.
Landrätin Rita Röhrl – wie hört sich das an?
Seltsam (lacht herzlich). Dieser Titel ist für mich immer noch ungewohnt – auch wenn die Wahl inzwischen etwas zurückliegt. Nach fast 28 Jahren als Bürgermeisterin ist es nicht ganz einfach, sich umzustellen.
Wie blicken Sie heute auf den Wahlkampf zurück?
Das Ergebnis des AfD-Kandidaten Müller sehe ich immer noch sehr problematisch. Ob die großen Parteien inzwischen kapiert haben, was die Stunde geschlagen hat? Ich bin mir nicht sicher. Den Etablierten muss klar sein: Das Problem AfD kann man nicht aussitzen – man muss es aktiv bearbeiten. Erstaunlich dabei: Im Wahllokal I in meiner Gemeinde hatte die AfD bei der Bundestagswahl 31 Prozent, bei der zeitgleichen Landratswahl – obwohl ich für meine offensive Flüchtlingspolitik in Teisnach bekannt bin – spielte die AfD offenbar überhaupt keine Rolle. Den Aufschwung der AfD also nur auf das Thema Migration herunterzubrechen, ist deshalb Schwachsinn. Ich sehe vielmehr eine generelle Unzufriedenheit in der Wählerschaft. Und wenn die großen Parteien nicht endlich offenere und ehrlichere Politik betreiben, wird sich daran auch nichts ändern.
„Das Bestimmen von oben herab haben die Leute satt“
War dann das Abschneiden von Johann Müller bei der Landratswahl ebenfalls eine Protestwahl, oder – wie auf kommunaler Ebene üblich – eine Personenwahl?
Beides. Einerseits war es natürlich eine Personenwahl, weil er in seinem persönlichen Umkreis natürlich einige Fürsprecher hat – wie jeder Kandidat auf kommunaler Ebene. Andererseits gibt es inzwischen einen harten Kern an AfD-Wählern, der bei der vergangenen Wahl auch noch von den Protestwählern unterstüzt worden ist.
Wie können Sie als künftige Landrätin die AfD-Wähler zurückgewinnen?
Man muss hier zunächst klar differenzieren und deutlich machen: Wenn 31 Prozent der Gemeindewähler – so wie bei der Bundestagswahl geschehen – der AfD ihre Stimmen geben, heißt das nicht, dass diese 31 Prozent Teisnacher Nazis sind. Auf keinen Fall. Ich betone noch einmal: Beim Großteil hat es sich um Protestwähler gehandelt. Wir – auch auf Kommunalebene – müssen wieder glaubwürdigere Politik machen, um diese Wählerstimmen zurück zu gewinnen. Ich finde, wir haben das beim Landratswahlkampf bereits vorgemacht. Viele Themen sind klar und offen diskutiert worden. Das Bestimmen von oben herab und das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, haben die meisten Leute einfach satt.
Haben Sie nun, nachdem die Würfel gefallen sind, mit dem CSU-Kandidaten Stefan Ebner, der einen sehr intensiven und überaus engagierten Wahlkampf geführt hatte, so etwas wie Mitleid aufgrund seiner vergebenen Mühen?
Mitleid nicht, nein. Wenn er mir leid tun würde, wäre ich ja im Gegenzug nicht glücklich darüber, gewählt worden zu sein. Meiner Meinung nach hat Stefan Ebner einen zu intensiven Wahlkampf geführt, obwohl ich den Teufel tun werde, die Arbeit anderer Politiker zu kommentieren. In diesem Job muss man damit leben auch mal nicht gewählt zu werden. Eine derartige Erfahrung musste auch ich machen: 1986 bei der Landtagswahl habe ich gegen den etablierten Sepp Niedermeier verloren – obwohl ich deutlich jünger war und mit richtig Power an den Start gegangen bin.
Wäre die Stichwahl denn vermeidbar gewesen?
Ohne AfD: Ja.
…und jetzt „muss die Mama selbst ran“, wie Sie in einem früheren Hog’n-Interview bereits angekündigt hatten.
Habe ich das wirklich gesagt? (lacht). Spaß beiseite: Ich möchte von den Landratsamt-Mitarbeitern als verlässliche Größe gesehen werden, die eine klare Richtung vorgibt. Gemeinsam müssen wir es schaffen, eine bürgerfreundliche Arbeit abzuliefern. Derjenige, der das Amt betritt, darf nicht das Gefühl haben, dass er lästig ist. Jeder, der Hilfe braucht, soll sie auch bekommen. Wir sind ein Dienstleister, für das werden wir bezahlt – und kein Abfertigungsbetrieb von Bittstellern. Man wird zwar das ein oder andere umschichten müssen – aber ich bin überzeugt davon, dass wir sehr gute Leute im Regener Landratsamt haben. Ich freue mich auf meine neue Aufgabe.
„Glaubt es nicht – es kommt viel schlimmer“
Wie würden Sie ihren Charakter als „Chefin“ beschreiben?
Der Landrat mit der ganz offenen Türe wird nicht möglich sein. Das liegt aber nicht an mir, sondern an der Größe eines Landratsamtes. Es ist unmöglich, die Sorgen von über 200 Mitarbeiterin persönlich anhören zu können. Trotzdem werde ich für meine Leute ein Ansprechpartner sein, der immer ein offenes Ohr hat. Keiner braucht Angst vor mir haben (lacht). Egal, was ihr von mir gehört hat: Glaubt es nicht – es kommt viel schlimmer… (lacht).
Wird die Landrätin Röhrl eine andere sein als die Bürgermeisterin Röhrl?
Nein – ich werde mich nicht verstellen. Ich werde dieselbe Person bleiben, jedoch meine Rolle als Chefin wird etwas anders werden. Doch keine Sorge: Für diejenigen, die ich bereits ewig kenne und mit denen ich per Du bin, wird sich nichts ändern.
Haben Sie Angst davor – nach 27 Jahren als Bürgermeisterin – nun neue Wege gehen zu müssen?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin davon überzeugt, mich schnell einzuarbeiten. Ich beschäftige mich ja als Kreis- und Bezirksrätin bereits länger mit Themen, die über die Gemeindegrenzen von Teisnach hinaus gehen.
Welche Rolle bei der Einarbeitung spielt dabei Michael Adam?
Keine. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.
Sie verlieren mit Michael Adam, der künftig in Passau studieren möchte, ihren politischen „Ziehsohn“, wie er in den Medien immer wieder genannt wurde. Steht schon ein Nachfolger parat – evtl. der Teisnacher Bürgermeisterkandidat Daniel Graßl?
Ja, Daniel ist mein wirklicher Ziehsohn. Er ist wegen mir zur SPD gekommen – ihn begleite ich auf seinem politischen Weg. Ich halte sehr viel von ihm. Er ist ein sehr gefestigter Mensch, beruflich sehr erfolgreich. Ein ruhiger, zurückhaltender und besonnener Typ – anders als Rita Röhrl (lacht). Kurz und knapp: Er wäre der richtige Bürgermeister für Teisnach. Und ich denke auch, dass Daniel Graßl – trotz seiner Jugend, er ist 28 – Chancen hat, mein Nachfolger zu werden.
„Ich traue Daniel Graßl sehr viel zu“
Wie begleiten Sie ihn auf seinem Weg?
Ich werde ihm bei Fragen seinerseits natürlich zur Seite stehen. Es wird aber nicht so sein, dass ich ihn vor den Karren spanne und auf verschiedenste Veranstaltungen schubse…
Wie bewerten Sie die durchgeführte Telefon-Umfrage der Teisnacher CSU, die dadurch eruieren wollte, wer als Bürgermeister-Kandidat antreten soll?
Eine derartige Aktion ist in einer Gemeinde unserer Größe einfach nur lachhaft – Entschuldigung. Welcher Kandidat nominiert wird, ist ausschließlich interne Parteisache. Wer Bürgermeister wird, entscheiden dann die Bürger. Ganz einfach.
Ist denn die CSU in Teisnach so gut aufgestellt, weil Sie gleich vier potenzielle Bürgermeister ins Rennen schicken wollte?
Im Gegenteil. Man könnte eher hineininterpretieren, dass sie hoffnungslos zerstritten sind.
Markus Hauf soll’s nun für „die Schwarzen“ in Teisnach richten – was trauen Sie ihm zu?
Viel wichtiger ist: Was traue ich Daniel Graßl zu. Und ihm traue ich zu, das Amt mit Besonnenheit, Freude an der Gestaltung unserer Gemeinde und viel Bürgernähe auszuüben.
Klare Worte. Danke für das Gespräch. Wir wünschen Ihnen eine erfolgreiche Zeit als Landrätin des Landkreises Regen.
Interview: Helmut Weigerstorfer