St. Oswald-Riedlhütte. Richtig warm geworden ist er noch nicht mit der neuen Aufgabe als Bürgermeister der Gemeinde St. Oswald-Riedlhütte. Das gibt Peter Schwankl ganz offen zu. Auf die Frage hin, wie es ihm in seinem „neuen“ Büro gefällt, lacht der 38-Jährige kurz auf – und erwidert dann: „Heimisch bin ich hier noch nicht wirklich. Mein Büro daheim ist etwas moderner. An dem Schreibtisch sind schon mehrere Bürgermeister gesessen. Für nächstes Jahr werden wir einen Etat in den Haushalt mitaufnehmen, um hier einiges auf Vordermann zu bringen.“
Mindestens zwei Bildschirme benötige er auf seinem Schreibtisch, um alles gut überblicken zu können – das sei er als (seit Kurzem) ehemaliger Geschäftsführer des von ihm aufgebauten IMS-Rettungsdiensts so gewohnt. Ein paar Bilder habe er bislang ausgetauscht in dem Zimmer im ersten Stock des St. Oswalder Rathauses, das mit den mit grünem Leder bezogenen Besucherstühlen den Charme der späten 80er versprüht – und wo zuletzt sein Vorgänger Helmut Vogl die Geschicke der Gemeinde leitete. „Etwas farbenfroher“ soll’s in der Amtsstube künftig zugehen, sagt der in Bayerisch Gmain im Landkreis Berchtesgadender Land aufgewachsene Peter Schwankl mit ruhiger Stimme, während er aus dem Fenster in Richtung Brotjacklriegel schaut. Ein Gespräch mit einem Modernisierer, dessen Ausgangslage sich als suboptimal erweist.
Herr Schwankl: Ihre Partei, die CSU, hat mit vier Sitzen im Gemeinderat nicht die Mehrheit inne, sondern die Freie Bürgerliste mit fünf Sitzen. Ein Vor- oder ein Nachteil?
Es ist kein Nachteil. Die Anfangswogen haben sich langsam aber sicher wieder geglättet und wir sind im Gemeinderat zur Sacharbeit übergegangen. Dort sollte jeder im Sinne der Gemeinde entscheiden. Die Parteizugehörigkeit darf in einem Kommunalparlament keine Rolle spielen. Das wäre auch nach außen hin ein völlig falsches Signal. Ich selbst bin offen für sämtliche Vorschläge und sehr neutral. Ich kommuniziere transparent unsere Probleme innerhalb der Gemeinde – und das jedem gegenüber. Dass man’s nicht immer jedem recht machen kann, ist kein Geheimnis.
„Aber meine Berufung ist es nicht“
Mit „Anfangswogen“ sprechen Sie die Wahl der stellvertretenden Bürgermeister an, bei der die Freie Bürgerliste um Klaus Pleintinger leer ausging. Wenn Sie heute darauf zurückblicken: Waren alle Entscheidungen richtig diesbezüglich?
Kein Kommentar. Dazu möchte ich mich nicht mehr äußern.
Thema: eigener Betrieb. Sie haben mit IMS einen Rettungsdienst aufgebaut, der weit über die Landkreisgrenzen hinaus im Einsatz ist, insbesondere im Zuge der zuletzt geschaffenen regionalen Corona-Testzentren. Wie schwer war es für Sie, dieses „Baby“ nach der Wahl zum Bürgermeister abzugeben?
Sehr schwierig, ehrlich gesagt. Wir haben damals bei null angefangen, haben den Betrieb über viele Jahre hinweg aufgebaut. Es gibt aktuell mehr als 160 Mitarbeiter. Andererseits war und ist es mein Ziel nun als Bürgermeister, dass in der Gemeinde mehr vorwärts geht. Ich weiß, dass mein IMS-Geschäftsführer sehr gute Arbeit leistet, meine Frau ist mittlerweile auch in der Geschäftsführung tätig. Wir sind im ständigen Austausch – und somit bin ich auf dem aktuellen Stand der Dinge, was in der Firma los ist. Mein Hauptaugenmerk liegt freilich jetzt auf meiner Aufgabe als Bürgermeister.
Fühlen Sie sich nach den paar Monaten denn schon als Bürgermeister?
Das ist ganz unterschiedlich. Je nach Veranstaltung. Bürgermeister bin ich in der Gemeinderatssitzung und auf öffentlichen Veranstaltungen. Ansonsten fühle ich mich nicht anders als zuvor. Ich bin zum Bürgermeister gewählt worden, ja – aber meine Berufung ist es nicht. Das heißt: Ich bin nicht zur Welt gekommen, um Bürgermeister zu werden. Das hat sich nun einfach so ergeben.
Ich will Verantwortung tragen, weil immer nur schimpfen – und das habe ich genug (lacht) – reicht nicht. In den sechs Jahren als Gemeinderat habe ich oftmals Kritik geäußert – jetzt geht es darum, berechtigte Kritik entsprechend aufzunehmen und zu kanalisieren.
„Man könnte viel mehr daraus machen“
„Als Riedlhütter hat er keinen leichten Stand in Oswald“, ist in ihrer Gemeinde zu hören. Ist das tatsächlich so? Gibt es nach wie vor Grabenkämpfe zwischen den beiden Ortschaften?
Grabenkämpfe gibt es nach wie vor, ja. Die einen schauen auf die anderen, wer was und wie viel bekommen hat. Mein Ziel ist es, für eine gerechte Verteilung zwischen den beiden Ortschaften zu sorgen, etwa was die Aufwandsstunden des Gemeindebauhofs angeht. Die Arbeit soll gleichmäßig verteilt werden, freilich auch auf die Satelliten-Dörfer wie Höhenbrunn, Guglöd usw.
Das Aus der Glasproduktion in Riedlhütte liegt über zehn Jahre zurück, ist weiterhin aber ein Thema in der Gemeinde. Wie tief sitzt dieser Stachel Ihrer Meinung nach noch?
Das ist generationsabhängig. Bei den Jüngeren sitzt er definitiv nicht tief, da diese Zeit schon wieder lange her ist. Da fehlt bereits der Bezug. Bei den Älteren, die ihr Leben lang in der Glashütte gearbeitet haben, sitzt er natürlich noch sehr tief. Die Gemeinde leidet nach wie vor darunter, weil die Glashütte das einzige Standbein war, auf das man über Jahrhunderte hinweg gesetzt hatte. Ein Pferd, das zunächst zu kränkeln begann – und schlussendlich gestorben ist. Mit dem Aus fiel auch ein großer Teil der Gewerbesteuer weg. Unsere Nachbargemeinden haben Gewerbesteuereinnahmen teils in Millionenhöhe, hier in St. Oswald-Riedlhütte gibt es nahezu kein Gewerbe.
Die einstige Glasfabrik wird teils von anderen Firmen und teils als Lagerstätte für Riedel-Glas genutzt; teils steht sie auch leer. Ist diese Anlage, deren besten Tage vorbei sind, mittlerweile ein Schandfleck?
Teilweise. Der hintere Teil des Gebäudes gehört dringend renoviert. Riedel hatte es sich relativ leicht gemacht, in dem sie große Teile des Gebäudes verkauft haben, ohne jedoch eine Sanierung durchzuführen. Wir würden gerne noch viel mehr Firmen ansiedeln. Es gibt Anfragen von Gewerbetreibenden, aber Riedel verkauft nichts, weil hier anscheinend noch gewisse Hemmungen vorhanden sind. Man könnte meiner Meinung nach viel mehr daraus machen…
„Nicht dramatisch, aber ungut“
Sie hatten es bereits angesprochen: Wie ist es um die derzeitige finanzielle Lage bestellt?
Es gibt viele Schulden. Wir sind daher auch Empfänger der so genannten Stabilisierungshilfe, die dazu beiträgt, dass es uns überhaupt noch gibt. Eine Kommune mit 2.900 Einwohnern, fast keine Einnahmen aus der Gewerbesteuer und einer einstigen Pro-Kopf-Verschuldung von 3.000 Euro – das funktioniert nicht. Dank der Stabilisierungshilfe sind wir im Laufe der Jahre in ein einigermaßen vernünftiges Fahrwasser gekommen, wobei wir auch viele Investitionen aussetzen mussten.
Ich habe die Gemeinde mit einem sehr hohen Investitionsbedarf übernommen. Wenn wir heute fünf Millionen Euro erhalten würden, wäre dieser Betrag innerhalb eines Jahres wieder verbaut – und man würde fast nichts davon sehen. Wasser- und Kanalleitungen, die Hochbehälter sind dringend sanierungsbedürftig. Teilweise seit den 50er Jahren ist hier nichts mehr passiert.
Wie dramatisch ist die Lage?
Als dramatisch möchte ich die Lage nicht mehr bezeichnen. Sie ist ungut. Wir können unsere Schulden bedienen mit den derzeitigen Einnahmen, es sind jedoch keine größeren Ausgaben möglich. Das ist genau der Punkt. Uns stehen größere Investitionen bevor: Wir müssen etwa eine Kinderkrippe bauen. Ich möchte das gerne in Verbindung mit dem Kindergarten in St. Oswald realisieren, um nicht ein super-modernes Gebäude zu haben – mit einem Gebäude aus den 80ern nebendran. Da müssen wir noch schauen, ob die Regierung zustimmt. Wir brauchen zudem dringend neue Feuerwehrautos. Das kostet alles Geld, das nicht vorhanden ist.
„Ohne Betreiberkonzept brauchen wir gar nicht erst anfangen“
Stichwort: weitere Nutzung des Klosters in St. Oswald. Ein Verein hat sich gegründet, es fehlt aber weiter ein Konzept für die Nachnutzung. Wie geht‘s hier weiter?
Das Thema wurde im Wahlkampf ja noch recht hitzig diskutiert. Von Vereinsseite her ist es momentan sehr ruhig. Anfang Oktober kommt ein Regierungsvertreter nach St. Oswald, der uns dann aus erster Hand etwa über mögliche Fördersummen informieren wird. Wir brauchen jedoch noch ein vernünftiges Konzept.
Woran liegt es denn, dass man kein vernünftiges Konzept zustande bringt?
Momentan, in Corona-Zeiten, hat keiner viel Geld übrig, um in ein solches Projekt groß zu investieren, ja Millionen hinein zu stecken. Ich denke auch, dass die bislang veranschlagten sieben Millionen Euro in dieser Größenordnung bei Weitem nicht reichen werden – insbesondere, wenn man bedenkt, was bereits kleinere Bauwerke an Renovierungskosten verursachen.
Wir haben ein Konzept für den Ausbau, ein Konzept für die Gestaltung – doch ohne Betreiberkonzept brauchen wir gar nicht erst anfangen. Wenn ich im Voraus nicht weiß, wie das Gebäude künftig genutzt werden soll, grenzt es an Steuerverschwendung, wenn ich es nun einfach mal pauschal mit Steuermitteln aufzuwerten versuche.
Inwieweit der Verein bislang Kontakte zu möglichen Betreibern geknüpft hat, ist mir nicht bekannt. Ich selbst habe schon bei verschiedenen größeren Firmen, die mit der Geschichte des Klosters etwas zu tun haben, angefragt. Doch wie gesagt: Die Zeit ist nicht die beste dafür…
„Wir brauchen ein Gewerbegebiet“
Abschließend: Was wünschen Sie sich für Ihre Gemeinde?
Wir brauchen ein Gewerbegebiet. Denn damit könnten wir dann über Jahre hinweg Gewerbesteuer-Einnahmen generieren. Aber momentan fehlen uns dafür die Grundstücke. Vor fünf Jahren hatten die Leute ihre Grundstücke noch gut und gerne weiterverkauft, momentan ist es eher schwierig. Und natürlich ist auch nicht überall ein Gewerbegebiet erwünscht, da es beispielsweise nicht ins Landschaftsbild passt. In erster Linie sind wir Urlaubsgemeinde im Nationalpark – und keine Gewerbegemeinde.
Vielen Dank für das Gespräch – und alles Gute für die Zukunft.
Interview: Stephan Hörhammer