St.Oswald/Riedlhütte. Die Kommune hat schwierige Zeiten hinter sich. Vor allem das Jahr 2009 wird keiner der Bürger so schnell vergessen. Vor mittlerweile sechs Jahren nämlich musste die dortige Glasfabrik („Nachtmann“) schließen, 290 Arbeiter waren – einen Tag vor Weihnachten – plötzlich arbeitslos. Nicht die einzige Hiobsbotschaft für die Gemeinde St. Oswald-Riedlhütte in diesem Jahr. Die Haushaltskasse war leer, leerer als leer. Der Kämmerer musste einen Schuldenberg von rund zehn Millionen Euro bekannt geben. Nur durch die Stabilisierungshilfe des Bayerischen Freistaates konnte Schlimmeres verhindert werden.
Und obwohl die Nationalparkgemeinde an diesen Ereignissen noch heute zu knabbern hat, blickt Bürgermeister Helmut Vogl im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ wieder etwas optimistischer in die Zukunft. Der 58-jährige gelernte Bauzeichner und Maurermeister spricht dabei nicht nur über die vergangenen Glanzzeiten und deren Folgen, sondern thematisiert auch das gemeindeinterne Dauerthema Feuerwehrhaus Riedlhütte und erklärt, was im ehemaligen Kloster in St. Oswald entstehen soll.
„Wir müssen uns endlich vom Kirchturmdenken verabschieden“
Herr Vogl, was wäre Ihre Gemeinde ohne den Nationalpark Bayerischer Wald?
Wir arbeiten mit dem Nationalpark sehr eng zusammen. 1986 zum Beispiel wurde in St. Oswald das Waldgeschichtliche Museum errichtet. Später ist es vom Nationalpark übernommen und saniert worden. Darüber sind wir natürlich sehr froh. Denn dadurch konnte sich die Gemeinde vieler Unkosten entledigen, verliert aber keine kulturell und touristisch wertvolle Einrichtung. Was wäre unsere Region ohne den Nationalpark?
Sagen Sie es uns bitte.
Nicht umsonst haben wir auch schon eine ILE Nationalparkgemeinden und die Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald GmbH gegründet. Das allein macht deutlich, wie wichtig der Nationalpark für uns ist. Beispielsweise hätten wir ohne Tierfreigelände oder Baumwipfelpfad längst nicht die Übernachtungszahlen, die wir derzeit haben.
Böse Zungen könnten behaupten, St.Oswald-Riedlhütte setzt sich in ein gemachtes Nest. Verlässt man sich nicht zu sehr auf den Nationalpark und den Tourismus?
Wir haben das durchaus erkannt. Deshalb wollen wir – nach dem Verlust der Firma Nachtmann – wieder mehr kleinere Betriebe in die Gemeinde holen. Dennoch muss man zugeben, dass wir verstärkt vom Tourismus leben.
Also ist die Tourismus GmbH ein richtiger und wichtiger Schritt?
Ja. Wir müssen unsere Kräfte bündeln und uns gemeinsam nach außen präsentieren. Nur so geht es. Gleichzeitig müssen wir uns vom früheren Kirchturmdenken endlich verabschieden. Bei Monika Dombrowsky sind wir da in guten Händen. Sie wird demnächst bestimmte Aufgaben an einzelne Tourist-Infos übergeben.
Da bleiben dann die Industrie und das Handwerk auf der Strecke?
Nein, nicht unbedingt. Wie schon vorher angedeutet, haben wir schon erkannt, dass wir uns breiter aufstellen müssen. Allein auf den Tourismus zu setzen wäre ein großer Fehler. Derzeit sind wir beispielsweise dabei, ein Gewerbegebiet auszuweisen.
„Wir hatten damals zehn Millionen Euro Schulden“
Hat man in dieser Hinsicht aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt? Finanziell war Ihre Gemeinde ja mal sehr angeschlagen…
Ja, wir waren sehr stark verschuldet. Mit dazu beigetragen hat damals der Neubau des Schulhauses in Riedlhütte. Keine Frage, es war der richtige Schritt, der aber der Gemeinde sehr viel Geld gekostet hat. Danach hatten wir rund zehn Millionen Euro Schulden – was wir inzwischen halbieren konnten. Man muss aber auch berücksichtigen, dass wir ab 2012 um die 4,5 Millionen Euro Stabilisierungshilfe vom Freistaat Bayern erhalten haben.
Eine schwierige Zeit für Sie als Bürgermeister, nicht?
Absolut. Eine sehr stressige Angelegenheit. Fast täglich hatte ich Kontakt zur Rechtsaufsicht, um gewisse Dinge genehmigen zu lassen. Kurz nachdem ich 2008 Bürgermeister geworden bin, haben wir aber sofort ein Konsolidierungskonzept aufgestellt, das seitdem streng eingehalten wird. Dies war auch eine Voraussetzung dafür, dass wir überhaupt die Stabilisierungshilfe erhalten. Diese finanzielle Unterstützung hat uns gerettet, das muss man schon so sagen.
Eine solche staatliche Hilfe ist aber gleichzeitig ein Offenbarungseid, oder?
Nicht unbedingt. Man muss beachten, wie die Gemeinde zum damaligen Zeitpunkt dastand. Die Schulden wurden gemacht, weil vorher investiert worden ist. Kanal, Wasserversorgung, Schulbau – das alles hat viel Geld verschlungen.
Wie sieht’s derzeit aus in der Gemeindekasse?
Gott sei Dank wieder besser. Mittlerweile können wir uns wieder ein bisschen was leisten. Dennoch wird unser Konsolidierungskonzept weiter verfolgt. Bestimmte Einrichtungen wie Wasser oder Kanal müssen kostendeckend betrieben werden. Wir möchten wieder unabhängig sein.
Dennoch ist man in solchen Zeiten als Bürgermeister eher Verwalter als Visionär?
Die vergangenen Jahre war ich wirklich mehr der Verwalter. Doch es sind auch immer wieder Visionen gefragt. Zum Beispiel ist das Feuerwehrhaus in Riedlhütte mit sechs Stellplätzen ein nicht alltägliches Projekt. Zudem soll in Riedlhütte ein Wasserkraftwerk gebaut werden. Und jetzt, vor dem Start in die Sommersaison, werden unsere Badeseen in Riedlhütte und St. Oswald erneuert. Darüber hinaus verbauen wir jährlich mehr als 100.000 Euro in unsere Straßen. Es wurde auch viel Geld in unsere Wasserversorgung investiert.
„Den 23. Dezember 2009 werde ich wohl nie vergessen“
Pflichtaufgaben – doch wo bleibt da die Kür?
Eins nach dem anderen. Erst müssen wir unsere Hausaufgaben machen.
Vorher bereits kurz angesprochen: Das Ende der Glasfabrik („Nachtmann“) in Riedlhütte. 290 Arbeiter sind damals von jetzt auf gleich auf der Straße gestanden.
Eine sehr schwere Zeit für mich und die ganze Gemeinde. Den 23. Dezember 2009 werde ich wohl nie vergessen. Einen Tag vor Weihnachten wurde die Glasfabrik geschlossen. Das Fest war gelaufen – auch für mich. Doch Gott sei Dank hat sich die Lage wieder etwas gebessert. In Teilen der Hallen sind inzwischen andere Betriebe heimisch. In den noch übrigen Hallen wird lediglich Glas eingelagert. Obwohl einige Betriebe Interesse an den noch vorhandenen Flächen hätten, wird von Seiten der Firmenleitung immer bestätigt, dass diese zur Einlagerung des Glases gebraucht werde. Es wäre für die Gemeinde sehr wichtig, denn jeder Arbeitsplatz ist von Bedeutung.
Welche Folgen der Schließung sind noch heute erkennbar?
Anfangs waren freilich viele Gemeindebürger arbeitslos, die Arbeiter sind aber schnell wieder wo untergekommen – was zum damaligen Zeitpunkt sehr wichtig war. Generell gilt: Jammern bringt nichts! Wir müssen die Vergangenheit hinter uns lassen und uns anderweitig orientieren. Die Zeiten haben sich nunmal geändert.
Was auch im Ortskern von St. Oswald und Riedlhütte erkennbar ist – dort stehen einige Wirtshäuser leer.
Da sind wir nicht die einzige Kommune, die mit den Leerständen zu kämpfen hat. Das hängt sicher auch mit dem Ende der Glasfabrik zusammen. Man hat eben einen Bäcker, einen Metzger, ein Wirtshaus gebraucht, um die Mitarbeiter versorgen zu können. Wir sind gewillt, die Leerstände wiederzubeleben – vielleicht mit einer anderen Bestimmung. Hier bringe ich wieder die Ansiedlung von Handwerksbetrieben ins Spiel.
„Da musste ich als Bürgermeister oft als Mediator herhalten“
Wie macht man denen die Gemeinde schmackhaft?
Erst einmal muss man schauen, für welche Betriebe wir überhaupt interessant sein könnten. Die Entsorgungssparte zum Beispiel wird in der Zukunft immer wichtiger – irgendwann sind zum Beispiel die PV-Anlagen kaputt und müssen wiederverwertet werden. Und dann komme ich als Bürgermeister ins Spiel. Ich muss bestimmte Unternehmen direkt ansprechen, denen unser Gewerbegebiet vorstellen – und hoffen, dass sie sich dafür interessieren. Vorher müssen aber freilich die Grundvoraussetzungen geschaffen werden wie schnelles Internet, Wasser, Abwasser und Strom.
Großes Thema zuletzt war auch der Neubau des Feuerwehrhauses in Riedlhütte. Wie ist der Stand der Dinge?
Gerade als Bürgermeister musste ich da oft als Mediator herhalten. Es gilt stets darauf zu achten, dass einzelne Ortsteile nicht benachteiligt werden. Vor fünf oder zehn Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass sich zwei Feuerwehren zusammentun. Nachdem Reichenberg und Riedlhütte schon seit einigen Jahren gemeinsam im Gefahrenzug miteinander ausrücken, war es hier jedoch eine einfachere Sache. Das Problem ist nicht, dass sich zwei Feuerwehren ein Gerätehaus teilen. Nein. Diskutiert wurde nur über die Größe und die dadurch entstehenden Kosten. Doch dabei müssen wir uns an Vorgaben der Regierung von Niederbayern halten. Der Neubau wird 1,6 Millionen Euro kosten, abzüglich einiger Förderungen sollen wir um die 900.000 Euro aufbringen.
Apropos große Bauten: Kürzlich besichtigen Sie das Konzerthaus in Blaibach. Wird es ein ähnliches Objekt demnächst in Ihrer Gemeinde geben?
Das ehemalige Kloster in St. Oswald mit seiner bis ins Mittelalter reichenden Geschichte, seinen historischen Verbindungen nach Böhmen und seiner einzigartigen Lage am Nationalpark hat großes Potenzial – ein kulturelles Highlight mit Zukunft. So könnte es einmal werden: Geistliches Zentrum Kloster Sankt Oswald. Einkehr- und Seminarzentrum für theologisch-gesellschaftliche Themen, Musik und Kunst im Kloster, Zentrum für Hildegard-Heilkunde und so weiter. Wie sich das Ganze entwickelt, daran muss noch kräftig gearbeitet werden. Der neugegründete Verein Klosterfreunde St. Oswald wird sich nun damit beschäftigen.
Da sind wir gespannt. Danke für das Interview und alles Gute für die Zukunft.
Interview: Helmut Weigerstorfer