Șinca Nouă/Freyung. Es war eine Kindheit wie aus dem Bilderbuche. Das Gebiet ringsum Freyung war sein Abenteuerspielzeit, ein beinahe grenzenloser noch dazu. Die Suche nach Dobernigl im Spätsommer. Lange, aber keinesfalls langweilige Streifzüge mit seinem Vater durch die Wälder. Fußball spielen auf den frisch gemähten Wiesen – so in etwa gestaltete sich der Alltag von Christoph Promberger Mitte der Siebziger, als er gerade die Grundschule in der Kreisstadt besuchte. „Hängen geblieben sind auch die Winter, als sie noch Winter waren – also mit viel Schnee“, sagt er. Die Begeisterung für die Natur ist bis heute geblieben und wurde, angereichert durch wissenschaftliche Hintergründe, zu seinem Lebensinhalt. Der 56-Jährige gilt als Wolfsexperte, hat den Piatra-Craiului-Nationalpark in Rumänien geprägt – und ist ein überzeugter Waidler.
Dass er den Bayerischen Wald als seine Heimat bezeichnet, überrascht jedoch etwas. Denn als Sohn eines Försters gehörten Umzüge schon in jungen Jahren dazu. „Er wurde alle paar Jahre versetzt“, erinnert sich Christoph Promberger. Und so verwundert es nicht, dass der gebürtige Unterfranke zum Regierungsbezirk im Nord-Westen Bayerns so gar keine Verbindungen mehr hat. Da Woid hingegen hat ihn geprägt. Persönlich aufgrund der eingangs erwähnten Erinnerungen, die noch immer als Synonym für Freude, Unbeschwertheit und Lebenslust in ihm abgespeichert sind. Beruflich, weil er rund um Lusen und Dreisessel, vor allem im dazugehörigen Schutzgebiet, einst seine Lebensbestimmung entdeckt hatte.
Der Uropa, der Großvater, der Vater – alle waren Förster
Sein Großvater war genauso Förster wie sein Uropa und sein Vater – dennoch wurde er nicht dazu gedrängt, in deren Fußstapfen zu treten. Er tat es vielmehr aus Überzeugung, aus eigenem Antrieb, da sein Opa und sein Papa ihm die Flora und Fauna praktisch in die Wiege gelegt hatten, sie in seiner DNA verankerten. Zum anderen, weil er die Natur über alles schätzt. So sehr, dass er sie auch verstehen und schützen möchte. „Natürlich, als Förster war mein Vater an einem wirtschaftlichen Holzeinschlag interessiert. Er hat sich aber auch immer schon für den Naturschutz eingesetzt und das an mich weitergegeben.“
Nach bestandenem Abitur am Gymnasium Freyung und der sich anschließenden Bundeswehr-Zeit nahm Christoph Promberger das Studium der Forstwissenschaft in München auf – und das, „obwohl ich zunächst nicht vorgehabt habe, im Forstbereich zu enden“. Ihn reizte jedoch die Vielfältigkeit dieser akademischen Ausbildung. Gleichwohl gibt er zu: „Durch Themenfelder wie Betriebswirtschaft und Holzeinschlag habe ich mich irgendwie hindurch gequält.“ Fachbereiche wie Biologie, Zoologie, Ökologie, Geologie und Meteorologie hingegen haben ihn in ihren Bann gezogen. Ein Interesse, das ihn bis heute nicht losgelassen hat.
Ein Rucksack voller Naivität, aber kein Geld
Eine zentrale Rolle nimmt dabei die Wildbiologie ein – mit den Wölfen als Schwerpunkt. Für seine Diplomarbeit bereiste er 1990/91 den Norden Kanadas, um sich auf die Fährte jenes sagenumwobenen Raubtiers zu machen. Wie sich etwas später herausstellte, hat sein wissenschaftliches Werk Eindruck hinterlassen. Denn im Anschluss an sein Studium fand Christoph Promberger sogleich eine Anstellung am Institut der Wildbiologischen Gesellschaft München. Dort angekommen, überschlugen sich die Ereignisse. „Im Rahmen eines Meetings wurde mir erst so richtig bewusst, dass die Grenzen in Richtung Osten von nun an offen sind. Ich wurde darauf aufmerksam, dass es in Rumänien die meisten Wölfe gibt. Als ich mich mit einem dort lebenden Kollegen angefreundet habe, wollte ich unbedingt dahin. Ich dachte damals, ich bleibe zwei, drei Jahre dort – heute sind es 28.“
Aufgebrochen mit einem Rucksack voller jugendlicher Naivität in einem kleinen Geländewagen, jedoch ohne Geld, Verbindungen oder Kontakte, hatte der Freyunger, wie er sich selbst bezeichnet, sich zunächst im Rahmen eines Forschungsprojektes über Wölfe, Luchse und Bären in dem südosteuropäischen Land freigeschwommen. Sein konzentriertes und erfülltes Arbeiten in den Karpaten war allerdings nicht gleichbedeutend damit, dass er in Deutschland von der (wildbiologischen) Bildfläche verschwand. Dass Christoph Promberger der ist, der mit den Wölfen tanzt, hatte sich in den Köpfen der Leute aus der alten Heimat festgesetzt.
Der Wolf – das menschenfressende Ungeheuer?
Als weitum bekannter Wolfsexperte ist es ihm ein großen Anliegen, eine Lanze für dieses Tier zu brechen. Ihm geht es vor allem auch darum, gewisse Vorurteile auszuräumen. In einer Vielzahl von Märchen und Erzählungen – Stichwort: Rotkäppchen – wird der „Canis Lupus“ als blutrünstiges, durch und durch böses, menschenfressendes Ungeheuer dargestellt. Irgendwann verflossen die Grenzen zwischen Fiktion und Realität, sodass der Wolf selbst im 21. Jahrhundert noch mit Argusaugen beobachtet wird: In Zoos und Tierparks mit staunendem Interesse – in freier Wildbahn, wo sich der Vierbeiner auch in Bayern wieder mehr und mehr ausbreitet, hingegen mit ängstlicher Sorge.
Und genau diese Reaktionen sorgen beim 56-Jährigen für Kopfschütteln. „Wölfe sind für den Menschen überhaupt nicht gefährlich. Im Gegenteil. Sie meiden ihn sogar. Für das Ökosystem ist der Wolf insgesamt aber sehr, sehr wichtig. Er trägt mit dazu bei, dass die Reh- und Hirschbestände im Gleichgewicht bleiben.“ Die Zeiten, als Isegrim als Tollwutüberträger gefürchtet war und in den Tierbeständen der Häusler wütete, sind inzwischen längst vorbei. Der pelzige Vierbeiner trage heute das Prädikat eines vom Aussterben bedrohten Wesens, in dessen Leben dank Experten wie dem rumänischen Exil-Waidler wieder mehr Einblicke möglich sind.
Die „blauäugige“ Etappe mit einer Pension
Beruflich hat sich Christoph Promberger mittlerweile etwas von seinem einstigen Schwerpunktthema entfernt, wobei er wohl nie ganz davon loskommen wird. „2003 war es an der Zeit, etwas anderes zu machen“, sagt er lapidar. Etwas detaillierter ausgeführt, stellte er sein Leben praktisch auf den Kopf. Er erwarb einen Reitstall in Șinca Nouă (Region Siebenbürgen), baute „etwas blauäugig“, wie er sagt, eine Pension dort auf, die „zehnmal so teuer war wie zunächst berechnet“, ehe er sich vier Jahre später wieder von diesem Abenteuer verabschiedete – wobei dies freilich nicht das Ende seiner verrückten Ideen war.
In den Jahren nach der Jahrtausendwende gab der rumänische Staat viele Wälder, die während des Kommunismus enteignet worden sind, an die eigentlichen Besitzer zurück. Diese begannen umgehend damit, ihren neuen, alten Flächen in Geld umzumünzen, indem sie die Bäume abholzten und verkauften. Christoph Promberger war über dieses Verhalten erschüttert. Er hatte aber sogleich einen Ausweg parat: Mithilfe eines Schweizer Investoren kaufte er einige Waldgebiete auf und fasste sie unter dem Schirm des Piatra-Craiului-Nationalparks zu einem Schutzgebiet zusammen. Das klingt einfacher als es war bzw. ist. „Das war nicht nur eben mal ein bisschen Land kaufen“, erzählt er. „Dafür waren viele Gespräche mit staatlichen Organisationen nötig.“
„Ich habe hier eine sehr hohe Lebensqualität“
Inzwischen ist der Waidler auch im einst so ungeliebten Sektor Betriebswirtschaft zumindest ein bisschen beheimatet „Ich beschäftige mich viel mit Umweltbildung, genauso muss aber die Infrastruktur im Park immer weiter ausgebaut werden“, gewährt er einen kleinen Einblick in seinen unternehmerischen Alltag. „Wir haben inzwischen ein ähnliches Budget wie der Nationalpark Bayerischer Wald – und über 100 Mitarbeiter.“ Es gibt also viel zu tun für Christoph Promberger in seinem Zuhause in Rumänien, wo er sich nach wie vor sehr wohlfühlt. „Ich habe hier eine hohe Lebensqualität“, bestätigt er. Es bleibt daher nur wenig Zeit, seine Herzens-Heimat, den Woid, zu besuchen. Glücklicherweise sind ihm die Erinnerungen an seine Kindheit geblieben, in die er immer wieder eintauchen kann. Und diese bleiben – für immer.
Helmut Weigerstorfer