Kumreut. Die Natur ist der große gemeinsame Nenner. Wobei es einen solchen im Leben von Siegfried „Sigi“ Gibis erst gar nicht braucht. Beruf und Privatleben sind beim 60-Jährigen ohnehin eins. Der Kumreuter betreibt in seinem Heimatort in der Marktgemeinde Röhrnbach eine Bäckerei. Zudem war er dort lange als Gastwirt tätig. Man kann sagen, er ist eine kleine Berühmtheit in dem Dorf an der B12. Einer, der gekannt und geschätzt wird. Ein Waidler durch und durch. Sigi Gibis ist aber auch Abenteurer. Der begeisterte Fischer hat über die Jahre ein Faible für Alaska entwickelt, was auf den ersten Blick so gar nicht zu ihm passt – wäre da nicht der große gemeinsame Nenner…
Alles – und das ist nicht nur so dahergesagt – begann in der Kindheit. Als Wirtshaus- und Bäckerssohn war sein Weg mehr oder weniger vorgezeichnet. Siegfried Gibis beschritt diesen aber nicht nur, weil er musste. Sondern auch, weil er wollte. Es war stets eine Ehre für ihn, das Lebenswerk seiner Eltern weiter zu führen. Allerdings auf seine eigene Art und Weise. Von der Gaststätte – über Jahrzehnte hinweg der berufliche und private Mittelpunkt der Familie Gibis – verabschiedet er sich nun allmählich. „Es rentiert sich einfach nicht mehr. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, das Wirtshaus zu schließen. Dort entsteht nun ein neuer Verkaufsraum sowie ein Café.“
Wirt und Bäcker – eine schlaflose Kombination
Der 60-Jährige hat sich diese Entscheidung wahrlich nicht leicht gemacht, sind doch unzählige kostbare Erinnerungen mit den Gasträumen im hinteren Teil des markanten Gebäudes im Ortszentrum von Kumreut verbunden. Wehmut schwingt mit, aber auch Erleichterung. „An manchen Tagen war es schon extrem. Die halbe Nacht war ich Wirt, die andere Hälfte Bäcker.“ In der Backstube fühlte er sich dabei seit jeher wohler als hinter der Schanktheke. Lieber Brotschießer als Zapfhahn. Auch das wirtschaftliche Pendel – daraus macht er keinen Hehl – schlug immer deutlicher in die eine Richtung aus. Und weil beide Standbeine nicht mehr miteinander vereinbar waren, musste eben eines davon weichen. Auch, weil Sigi Gibis kein Freund von halben Sachen ist.
Als Bäcker könnte er es sich einfach machen – und sich auf die Industrie verlassen. Schlicht fertige Teiglinge weiterverarbeiten – und gut ist’s. Der 60-Jährige hat sich aber ganz bewusst für die traditionelle, natürliche Variante seines Handwerks entschieden. Alles, wirklich alles, wird selbst hergestellt. Auch wenn es deutlich aufwendiger ist. „Meistens geht es schon um 23 Uhr los bei uns. Wir lassen dem Teig viel Zeit, was ja inzwischen außergewöhnlich geworden ist.“ Dieser Mehraufwand, dieses Herzblut kommt an bei den Kunden. Vor allem die Pfeffer- und Salzstangerl aus dem Hause Gibis sind weitum bekannt. Es rentiert sich hier noch, Bäcker zu sein. „Allerdings darf man die Stunden nicht zählen – und auch nicht nur auf den Gewinn aus sein“, beteuert der Waidler.
Mit sechs Jahren beim Schwarzfischen erwischt
All diese beruflichen Schwerpunkte wurden ihm praktisch in die Wiege gelegt, kamen aber erst nach und nach zum Vorschein. In die Kindheit fällt auch der Start seiner Karriere als Fischer. „Spätestens, als mich die Polizei mit sechs Jahren vom Schwarzfischen heimgefahren hat, wussten alle, dass ich das gerne mache.“ Jäger wollte Siegfried Gibis jedoch nie werden. „Ich könnte nie auf ein Tier schießen. Die Fische werden gefangen, bekommen dann ein Busserl – und werden oft wieder zurückgesetzt.“ Nur selten sind die Fische für den Verzehr bestimmt. Nie zum Weiterverkauf. Profit ist nicht das Ziel.
Vielmehr sind die kostbaren Momente im Einklang mit der Natur sein „Verdienst“. Und so landete der Kumreuter irgendwann in Alaska. Warum gerade der größte US-Bundesstaat? „Wahrscheinlich habe ich irgendwo was darüber gelesen und gesehen. Ich weiß es nicht mehr.“ Bekannt ist aber mittlerweile seine große Leidenschaft für das beeindruckende Territorium am Yukon River. Von 1988 an war er bereits 25 Mal in Übersee. Und genug hat er noch lange nicht. „Da ist nur Wildnis, keine Menschenseele“, schwärmt er. „Kein Handynetz, ein klarer Sternenhimmel ohne Lichtverschmutzung, pure Natur.“
„Kostet unendlich viel Kraf“
Und enorme Strapazen. 36 Stunden braucht er von Kumreut aus, um über Anchorage und Bethel irgendwo im Nirgendwo im Norden Alaskas anzukommen. Erst noch per Linienflug unterwegs, muss er sich für die letzten Stunden ein eigenes Wasserflugzeug samt Piloten chartern. Dieser setzt ihn dann am Ausgangspunkt eines Flusses ab, den er in der Folge via Boot bis zu 200 Kilometer befährt. Szenen, die an den Kult-Film „Into The Wild„ erinnern. „Acht Tage verbringe ich auf diese Art und Weise. Mehr sind erfahrungsgemäß nicht drin, weil das Ganze unendlich viel Kraft kostet.“
Denn während dieser Zeit ist nicht nur entspanntes Fischen per Angel angesagt, sondern auch harte körperliche Arbeit sowie psychischer Stress. Im Norden noch in der Vegetationszone Tundra, erwartet Gibis weiter südlich meist dichter „Dschungel“. Täglich muss er sich ein neues Lager suchen und Nahrung heranschaffen, weil es unmöglich ist, Vorräte über einen so langen Zeitraum zu transportieren. Und es drohen Gefahren: Bereits mehrmals wurde es brenzlig, wenn Grizzlys oder Wölfe ihr Terrain verteidigen wollten. Zumindest von den Inuit geht keine Gefahr aus. „Trifft man zufällig auf sie, sind sie meist freundlich.“
Körperschaftssteuer an Eskimostämme muss entrichtet werden
Im Gegensatz zu den Anfangsjahren ist der Bäcker mit Alaska-Spleen nicht mehr alleine unterwegs in Nordamerika. Nicht, weil die Angst größer geworden ist. Sondern, weil sich sein Hobby rumgesprochen hat und ihn viele begleiten möchten. Insgesamt muss das wiederkehrende Jahreshighlight intensiv vorbereitet werden. Im Frühjahr geht’s los mit den Planungen. Meist im Herbst, wenn die Silberlachse zum Laichen aufsteigen, wird gereist. Was verwundert: Genehmigungen muss er keine einholen, um in Alaska fischen zu dürfen. „Nur Körperschaftssteuern an Eskimostämme, die der jeweilige Fluss gehört, muss entrichtet werden“, berichtet er.
Komplett auszuwandern kommt für Siegfried Gibis – trotz aller Begeisterung für das Gebiet, das 1867 die USA für läppische 7,2 Millionen Dollar von Russland kaufte – nicht infrage. Einerseits würde aus dem Besonderen irgendwann Normalität werden. Andererseits ist ihm das Klima dort einfach zu extrem. „Bis zu minus 30 Grad im Winter, im Sommer 30 Grad plus – das ist schon krass“, erzählt der Waidler. Da sind ihm die gemäßigten Temperaturen im Bayerwald schon lieber. Zudem wohnt er einfach zu gerne im Woid. Nicht nur wegen der Natur…
Helmut Weigerstorfer
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Wer mit Sigi Gibis nach Alaska reisen möchte, kann sich direkt bei ihm melden: siegfried.gibis@gmail.com