Waldkirchen. Das Jahr 2015 wird dem Landkreis Freyung-Grafenau – vor allem den Bewohnern im süd-östlichen Teil – wohl für immer in Erinnerung bleiben. Denn Mitte und Ende der 10er Jahre wurde die Schließung des Waldkirchener Krankenhauses zunächst politisch auf den Weg gebracht und später auch in die Tat umgesetzt – einhergehend mit hitzigen Diskussionen und teils überkochenden Stimmungsbildern. Man kann sich in den buntesten Farben ausmalen, was los gewesen wäre, hätte es zu dieser Zeit auch noch eine Mordserie in der größten FRG-Stadt gegeben. Das hätte den Bayerwald wohl in seinen Grundfesten erschüttert…
Geht es nach Claus Kappl wird aus dieser Alptraum-Vorstellung Realität – zumindest auf dem Papier. Denn im neuesten Werk des ehemaligen Gymnasiallehrers und Buchautors, das den Titel „Herzstillstand“ (Edition Lichtland) trägt, geschieht das Unvorstellbare. Während das Ende der akutmedizinischen Versorgung bekannt gegeben wird, sterben im Klinikum und dessen direktem Umfeld mehrere Menschen. Patienten im OP bei fragwürdigen Stromausfällen, Ärzte bei scheinbaren Unglücksfällen. Als Unfälle getarnt, wird im Laufe der Ermittlungen von Kommissar Kleintaler immer mehr ersichtlich, dass es sich um Mordfälle handelt – dem Spürsinn des Beamten sei Dank.
Eine Affäre, die irgendwie geschehen musste..
Eben jener Georg Kleintaler ist es auch, der im Mittelpunkt der Erzählung steht. Kappl gelingt es, so manch interessante Anekdote vom Privatleben seiner Hauptperson preis zu geben – ohne dabei zu überfrachten. Man „spürt“ im Verlaufe des Handlungsstrangs regelrecht, dass auch eine Krise in diesem Bereich des kommissarischen Daseins fast schon notwendig ist. Und genauso kommt es auch: Die Affäre mit der neuen Geschäftsführerin der Kliniken gGmbH musste irgendwie geschehen. Elegant gelingt es dem Autor aber, den in dieser Hinsicht (überspannten?) Bogen so zu hinzubekommen, dass diese heimliche Kurz-Beziehung wieder relevant für die Dramaturgie wird.
Man merkt, dass Claus Kappl als geübter Schreiberling auftritt, der schon mehrere Bücher veröffentlicht hat – es ist bereits das dritte Werk der Kleintaler-Serie. Wie schon „Glasfieber“ und „Endlager“ lässt sich auch „Herzstillstand“ recht flüssig lesen. Einerseits richtig unterhaltsam. Andererseits mit der nötigen Spannung, die für das in einem Krimi so wichtige Bauchkribbeln sorgt. Nur schwer kann man das Buch beiseitelegen, was eigentlich Auszeichnung genug ist. Einziger kleiner Kritikpunkt: Der Wechsel zur Erzählung aus Sicht von der sich in Elternzeit befindlichen Polizistin Tina, die auf das Geschehen zurückblickt, verwirrt den Leser zunächst etwas.
Bekannte Orte, bekannte Ereignisse…
Alles in allem ist aber dieser Krimi lesens- und somit empfehlenswert. Und gerade die Tatsache, dass viele dem Waidler bekannte Orte darin vorkommen – und tatsächliche Ereignisse wie die Schließung des Krankenhauses, die Flüchtlingswelle 2015/2016 oder auch Sturm „Kolle“ angesprochen werden – , lässt einen regelrecht Eintauchen in die fiktive Geschichte. Was wäre nur, wenn das alles tatsächlich so passiert wäre?
Rezension: Helmut Weigerstorfer