Perlesreut. Manfred Böckl ist als Autor fiktiver Werke bekannt. Der Schriftsteller ist aber auch Heimatforscher, der sich vor allem für bereits verschwundene, historische Bauten interessiert. In seinem neuesten Werk „Thonarsteyn“ vereint der Perlesreuter diese beiden Leidenschaften zu einer Geschichte, die einen wahren zeitlich-geschichtlichen Rahmen hat, in die der 74-Jährige das erfundene Leben der Hauptprotagonistin „Jana“ hineingebettet hat. Herausgekommen ist dabei ein blutiger Blick in die Vergangenheit des Bayerischen Waldes.
Zu Beginn der Handlung ist Rain am Lech der „Drehort“. Dort wütet der Dreißigjährige Krieg. Die protestantischen Krieger aus Schweden wollen die katholischen Hausherren aus der schwäbischen Stadt vertreiben. Eine barbarische Angelegenheit. Denn die Soldaten bekämpfen sich nicht nur gegenseitig, sie schlachten auch die Bevölkerung regelrecht ab. Es wird gemordet, gemeuchelt, gefoltert, missbraucht und vergewaltigt. Und mittendrin: die Marketenderin Jana. Sie entzieht sich mit Nachdruck einer billigen Anmache eines Leutnants aus der eigenen Truppe, worauf sie dieser als Hexe verunglimpft und sie zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt.
Auch Sachbuch-Kriterien werden erfüllt
Der jungen Frau allerdings gelingt dank eines befreundeten Soldaten die Flucht, die sie erst nach Ingolstadt und später ins Dachauer Land führt. Dann in den tiefsten Urwald, der sich später als bayerisch-böhmische Grenzregion herausstellt. Dort entdeckt sie die verlassene Burganlage „Thonarsteyn“ (Donnerstein). Jana bringt das Gemäuer wieder auf Vordermann, lebt sich nach und nach ein. Weitere Heimatlose kommen dazu – darunter ein namenloser, von der Schlacht bei Lützen gezeichneter Deserteur sowie ein Reiter, der sich als Burgerbe ausgibt.
Der zeitliche Rahmen der Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten. Man erfährt einiges Wissenswerte über den Dreißigjährigen Krieg mit dessen maßgebliche Feldherren Schweden-König Gustav Adolf, Johann T’Serclaes von Tilly und Wallenstein. Genauso werden entscheidende Gefechte wie die bei Rain/Lech und auch die Schlacht bei Lützen detailliert beschrieben, sodass „Thonarsteyn“ auf eine gewisse Art und Weise Sachbuch-Kriterien erfüllt.
Lesens- und somit empfehlenswert!
Böckls etwas altbackener, beinahe schon altertümlich anmutender Schreibstil – ob bewusst oder unbewusst gewählt, ist nicht bekannt – passt hervorragend zur Handlung, die im 17. Jahrhundert spielt. Worte und Redewendungen wie „Medikus“ für „Arzt“, „Durst stillen“ statt „trinken“ und „gewahrte“ für etwas „sehen“, lassen einen eintauchen in eine Welt, die gut und gerne 500 Jahre zurückliegt. Dazu tragen auch die ausführlichen Beschreibungen der Landschaft und der Tätigkeiten der Personen bei. Der Perlesreuter Autor schafft es, dass man regelrecht ein Teil des Mittelalters wird.
Auch für Leser, die diese Materie – sprich: Geschichtsroman – eher fremd ist, hat „Thonarsteyn“ durchaus seinen Reiz. Eben weil es Manfred Böckl schafft, einen in das Buch hineinzuziehen. Es gibt zwar, wie erwähnt, genaue Beschreibungen vieler Ereignisse. Dennoch wirkt die Geschichte nicht überladen. Gut 220 Seiten sind längenmäßig angemessen, wobei das Ende etwas abrupt daherkommt – und das weitere Fortleben der Akteure im Zeitraffer erzählt wird. Alles in allem: Lesens- und somit empfehlenswert!
Rezension: Helmut Weigerstorfer