Bayerischer Wald. Man nehme: einen Mord, der eigentlich keiner ist, einen Pfarrer, der es mit dem Zölibat nicht so ernst nimmt, einen Bürgermeister, der sich in seiner Macht sonnt sowie zahlreiche weitere, der klischeehaften Zusammensetzung eines Bayerwald-Dorfes entsprechende Personen – und fertig ist der Krimi-Klamauk. Gibt man noch einen tiefen Einblick (vielleicht ab und an etwas zu tiefen) in das Liebesleben der Akteure mit hinzu, sind wir schon bei Franzi Wolfs Werk „A Mordslust“ angekommen, das jüngst im SüdostVerlag erschienen ist. Doch halt! Ganz so einfach ist es auch wieder nicht, ein Urteil über dieses Buch zu fällen…
Optik
Die Erst-Optik wird dominiert von einem düsteren Blick auf ein Waldstück, über dem dunkler Nebel hinfortwabert, der schließlich in sich auflösende Wolken übergeht. In Verbindung mit dem Untertitel „Irgendwo im bayerischen Nirgendwo“ muss man kein Hellseher sein, um festzustellen, dass diese Landschaft den Bayerwald repräsentiert. Die Vermutung, dass es sich im weitesten Sinne um einen Krimi handelt, lässt sich darüber hinaus erhärten, wenn man zum einen den Titel „A Mordslust“ miteinbezieht – und zum anderen die schemenhaft dargestellten Akteure samt Blutspuren erblickt.
Das Innenleben des Buches ist einfach, aber doch ansprechend gestaltet. Die einzelnen Kapitel sind in einer überschaubaren, leserfreundlichen Länge gehalten. Bayerische Dialektworte werden mit einer Fußnote versehen und am Seitenende erklärt – ein besonderer Service für alle, die der Mundart nicht mächtig sind. Ähnlich wie auf der Titelseite gibt es – wenn Platz vorhanden – auch im Buch immer wieder zum jeweiligen Inhalt passende Skizzen, die verhindern, dass das Buch zur reinen Bleiwüste verkommt.
Inhalt
Der Pfarrer begeht einen Mord – nicht an einem Menschen aus Fleisch und Blut, sondern an seiner Gummipuppe. Die Liebesstunden mit seiner „Susi“ machen dem Geistlichen zu schaffen, hält er sich somit ja nicht ans Zölibat. Deshalb lässt er seine Plastik-Gespielin schweren Herzens scheinbar heimlich verschwinden – im Fluss „Regen“. Bei diesem „Mord“ wird er jedoch beobachtet. Die Zeugin, die ebenfalls Susi heißt, nutzt ihr Wissen, um sich selbst an den attraktiven Pfarrer heran zu machen. Auch die Gattin des Bürgermeisters, die längst ihres Mannes überdrüssig ist, bekommt von der Sache Wind. Über ihren Liebhaber, mit dem sie ein neues Leben beginnen möchte und der gleichzeitig der Dorfgendarm ist, lässt sie verbreiten, dass sie die Leichte ist. Und fertig ist das Durcheinander, das sich – angereichert mit sehr schlüpfrigen Anekdoten – quer durch das ganze Buch zieht.
Stil
Nicht nur was den Inhalt betrifft, fühlt man sich wie auf einer Achterbahnfahrt. Auch Franzi Wolfs Stil ist „verdichtet, abstrahiert, temporeich“, wie sie es im Hog’n-Interview (siehe weiter unten) selber beschreibt. Ein Eindruck, der hier nur bestätigt werden kann. Obwohl die Handlung an sich eher oberflächlich daherkommt, tritt keine Langeweile zutage. Versehen mit zahlreichen Mundart-Begriffen und den kurzen Kapiteln schafft es die Autorin, die gerne anonym bleiben will (ist sie überhaupt eine Frau?), dass man nicht so schnell mit dem Lesen aufhören kann. Die 150 Seiten hat man daher relativ schnell durch.
Spannung
Da es sich nur im entfernteren Sinne um einen Krimi handelt, kommt keine Spannung auf. Die „hochprozentige Bayerwaldsatire“ (Franzi Wolf) erinnert vielmehr an ein Volkstheater als an einen Thriller. Es sind eher die Lacher an der Tagesordnung, nicht die einen in den Bann ziehenden Momente. Als Leser ist man der Handlung eigentlich immer einen Schritt voraus – wird aber dann überrascht, weil der Fortgang der Geschichte ganz anders ist, als eigentlich gedacht…
Bayerischer Wald
Der genaue Handlungsort lässt sich nicht feststellen. Es ist nur immer die Rede vom „Irgendwo im bayerischen Nirgendwo“. Darüber hinaus wird immer mal wieder der Fluss „Regen“, in dem auch der vermeintliche Mord passiert, erwähnt. Franzi Wolf selber betont, dass die Geschichte im Bayerwald spielt, es sich jedoch um eine fiktive Ortschaft handele. Bei der Szenerie bedient sich die Autorin dabei an vielen Klischees. Eine Ähnlichkeit mit irgendwelchen Dörfern im Landkreis Regen ist jedoch – wenn überhaupt erkennbar – rein zufällig.
Verlosung
In Zusammenarbeit mit dem SüdostVerlag verlost die Hog’n-Redaktion 3 x 1 Buch „A Mordslust“ von Franzi Wolf. Wie Ihr mitmachen könnt? Schickt einfach eine Mail samt Euren Kontaktdaten (komplette Anschrift) und dem Betreff „Mordslust“ an info@hogn.de. Einsendeschluss ist Sonntag, 1. September. Viel Spaß!
+++ Gewonnen haben: Elena Gebhardt aus Grafenau, Sabine Blöchl aus Hinterschmiding und Julia Schrottenbaum aus Philippsreut +++
Rezension: Helmut Weigerstorfer
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Kurz-Interview mit Autorin Franzi Wolf
Frau Wolf: Bitte stellen Sie sich zunächst einmal unseren Lesern vor.
Ich beobachte und lese gerne, auch zwischen den Zeilen, ich mache mir meine Gedanken, hinterfrage das Tun der Menschen um mich herum, male mir aus, wie sie „privat“ sein könnten, also wirklich „privat“. Ich liebe Stille, besonders die mystische Stille des Bayerischen Waldes, ich haue aber auch gerne mal so richtig auf den Putz, probiere gerne Neues aus. Das Neueste aktuell ist „A Mordslust“.
„Wie stellen Sie sich die Autorin vor?“
Warum wollen Sie, wie uns der Verlag mitgeteilt hat, anonym bleiben?
Ich liebe meine Privatsphäre und damit rege ich automatisch die Phantasie der Leser an. Wie stellen Sie sich die Autorin von „A Mordslust – Irgendwo im bayerischen Nirgendwo“ vor? Eine pensionierte, alleinstehende Akademikerin, die ihrer Phantasie freien Lauf lässt? Oder doch lieber die rothaarige, heißblütige Mittzwanzigerin, die sich neben ihrer Tätigkeit als Tankstellenwärterin als Autorin versucht? Suchen Sie es sich aus!
Welche Intension steckt hinter dem Werk „A Mordslust“?
Ein Roman unter der Überschrift Sex, Crime and Rock ’n‘ Roll in Bavaria, das war das Ergebnis eines Brainstormings mit Freunden. Das mit Crime und Rock ’n‘ Roll war von Anfang an kein Problem; der dritte Pfeiler erwies sich allerdings als große Herausforderung – zumindest zu Beginn.
Als sich aber Plot und Figuren mehr und mehr herauskristallisiert haben, schrieb sich „A Mordslust“ quasi wie von selbst. Auch in punkto Sex, das böse Wort mit den drei Buchstaben (lacht). Schließlich ging es von Anfang an darum, den Leser zu unterhalten – und unterhalten kann man sich auf verschiedenste Art, nicht wahr?
In welches Genre würden Sie dieses Buch einordnen?
Was halten Sie von hochprozentiger Bayerwaldsatire?
Wo spielt die Szenerie eigentlich? Es ist einmal vom Fluss „Regen“ die Rede…
Im Bayerischen Wald! Ich habe mir aus den Bildern, die ich im Kopf habe, ein persönliches Dorf mitten im Bayerischen Wald geschaffen.
„Mir schwebt eine Trilogie vor“
Warum haben Sie als Spielort den Bayerischen Wald ausgewählt?
Weil ich mit dem Bayerischen Wald, den ich liebe, eng verwurzelt bin.
Was entgegnen Sie denjenigen, die behaupten, das Buch sei ein billiger Abklatsch der Eberhofer-Idee?
Eingangs möchte ich sagen, dass ich die Filme der Rita Falk-Romane zum Schießen finde – allerdings habe ich keinen ihrer Romane gelesen. Ich weiß, dass ich einen ganz eigenen Schreibstil habe: verdichtet, abstrahiert, temporeich. Das sagt man den Eberhofer-Romanen nicht unbedingt nach. Und meine Figuren sind auch ganz andere. Klar, es ist bayerische Belletristik, aber eben meine ganz persönliche. Und: Ich denke, dass „A Mordslust“ mehr Sexappeal hat – Achtung Satire…
Sind in absehbarer Zeit weitere Veröffentlichungen geplant bzw. welche Bücher haben Sie bereits veröffentlicht?
Tatsächlich schwebt mir eine Franzi Wolf-Trilogie vor; und den Plot für Buch zwei hätte ich schon im Kopf. Aber zuerst möchte ich abwarten, wie „A Mordslust – Irgendwo im bayerischen Nirgendwo“ bei den Lesern ankommt.
Vielen Dank für Ihre Zeit – und alles Gute für die Zukunft.
Interview: Helmut Weigerstorfer