FRG/REG/München/Berlin. Rund 10.000 Personen sowie 7.500 Fahrzeuge waren am Montag laut Schätzungen der Polizei an den 88 Protestveranstaltungen (darunter 13 nicht angemeldete Aktionen) in ganz Niederbayern beteiligt. Wie das Onlinemagazin da Hog’n berichtete, machten auch im Bayerischen Wald zahlreiche Landwirte, Spediteure, Handwerker und Gastronomen ihrem Unmut Luft über die Sparpolitik der Berliner Amperl-Regierung – in Form von teils kilometerlangen Traktor-Korsos, Sternfahrten, Kundgebungen und Straßenblockaden.
Doch: Wie stehen eigentlich die hiesigen Politiker zur Protestbewegung der Bauern, die die Rücknahme der Subventionskürzungen (Kfz-Steuerbefreiung, Steuerbegünstigung beim Agrardiesel), der die Berliner Koalition bereits größtenteils nachgekommen ist, nach wie vor einfordern. Wir haben die regionalen Vertreter der demokratischen Parteien (CSU, SPD, Grüne, FDP und Freie Wähler) dazu befragt:
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Stefan Ebner (CSU): „Habe größtes Verständnis für die Proteste“
„Die Bauerproteste im Stimmkreis und im ganzen Land sind ein klares, richtiges und wichtiges Zeichen an Berlin: Die Ampel-Regierung hat sich mit ihren Sparplänen völlig verrannt.
Es kann nicht sein, dass die Landwirte für die verfehlte Haushaltspolitik des Bundes geradestehen müssen. Mich ärgert sehr, dass man hier eine besonders fleißige Berufsgruppe herauspickt und schröpfen will, so dass Existenzen auf dem Spiel stehen.
Ich teile die Anliegen der Bauern, unterstütze ihre Forderungen und habe größtes Verständnis für die Proteste. Der aktuelle Vorschlag der Ampel ist nicht akzeptabel und die Bauern haben Recht, dass sie ihren Widerstand aufrecht erhalten.“
Rita Hagl-Kehl (SPD): „Wir nehmen ihre Sorgen ernst“
„Das Recht, friedlich und gewaltfrei zu demonstrieren, ist ein grundlegendes und legitimes Element unserer Demokratie. Die ‚Bauernproteste‘ sind ein Zeichen des Unmuts und der Besorgnis unter den Landwirtinnen und Landwirten – und wir nehmen ihre Sorgen ernst.
Die Hintergründe der Kürzungen im Agrarbereich liegen in der Notwendigkeit, Einsparungen im Bundeshaushalt vorzunehmen. Diese ergeben sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das den zweiten Nachtragshaushalt 2021 nach einer Klage der CDU/CSU als verfassungswidrig und nichtig erklärte. Wir stehen somit vor der Aufgabe, 17 Milliarden Euro einzusparen. Dies ist keine Entscheidung, die wir leichtfertig getroffen haben, sondern eine, die durch rechtliche Notwendigkeiten bedingt ist.
Im Rahmen dieser Sparmaßnahmen war es uns besonders wichtig, die finanzielle Unterstützung für die Sozialversicherung im Agrarsektor zu erhalten. Mehr als vier Milliarden Euro sind hier für Beiträge zu Renten-, Kranken- und Unfallversicherungen gebunden. Dies war ein zentraler Punkt in unseren Überlegungen, da gerade die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe von dieser Unterstützung besonders profitieren. Deshalb haben wir uns als SPD-Fraktion dafür eingesetzt, dass diese Mittel erhalten bleiben. Darüber hinaus haben wir einige der geplanten Kürzungen für die Landwirtschaft zurückgenommen. So wird die Land- und Forstwirtschaft weiterhin von der Kfz-Steuer befreit und die Agrardieselsubventionen bleiben bis 2026 erhalten.
Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass Veränderungen im Agrarsektor notwendig sind. Die Kritik des Bundesrechnungshofes an der steuerlichen Begünstigung von Landmaschinen zeigt, dass Reformbedarf besteht. Vor diesem Hintergrund sind wir gefordert, einen ausgewogenen Ansatz zu finden, der sowohl den ökonomischen Herausforderungen der Landwirtschaft als auch den ökologischen Erfordernissen unserer Zeit gerecht wird. Unser Ziel ist es, Reformen so zu gestalten, dass sie sowohl die Wirtschaftlichkeit der Landwirtschaft sichern als auch den Umweltschutz fördern.“
Johannes Schätzl (SPD): „15.000 Liter rückvergütet pro Jahr“
„Grundsätzlich habe ich Verständnis für den Unmut von vielen Landwirtinnen und Landwirten. Das Recht, friedlich für Ihre Anliegen zu protestieren ist ein Grundrecht. Ich kann allen versichern, dass wir die Anliegen der Landwirtschaft sehr ernst nehmen.
Kein Verständnis habe ich hingegen für alle, die bei ihren Protesten weit über friedliche Protestform hinausgehen. Bereits nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes habe ich angekündigt, die geplanten Sparmaßnamen zulasten der Landwirtschaft nicht mitzutragen. Diese wären sowohl in der Höhe verfehlt gewesen aber auch ohne Übergangszeiten gekommen. Gleiche Kritik am Regierungsvorschlag wurde von vielen Kolleginnen und Kollegen ebenfalls geteilt. Der jetzt erzielte Kompromiss ist für mich eine gute Gesprächsgrundlage.
Die Befreiung der KFZ-Steuer bleibt erhalten und die vollständige Streichung der Agrardieselrückvergütung ist abgewendet. Darüber hinaus bleibe ich bei meinem Ursprungsvorschlag, die Rückvergütung für eine Grundmenge an Diesel weiterhin und dauerhaft zu sichern. Mein Vorschlag beläuft sich auf 15.000 Liter pro Jahr. Diese Maßnahme schützt insbesondere kleinere Betriebe und dient aus meiner Sicht damit auch der Wettbewerbsfähigkeit des ländlichen Raums.“
Toni Schuberl (Die Grünen): „CSU verantwortlich für die Agrarpolitik“
„Die Bauern kämpfen um ihre Subventionen. Das ist ihr gutes Recht. Dass sie sich aber von denjenigen vor den Karren spannen lassen, die seit 60 Jahren in München, Berlin und Brüssel die Bedingungen gelegt haben, dass sie bis zur Hälfte von Subventionen abhängig sind und nicht mehr eigenwirtschaftlich überleben und zigtausende kleine Betriebe schließen haben müssen, die sie mit Bürokratie und Vorschriften gängeln, ist sehr verwunderlich.
Die CSU ist verantwortlich für die Agrarpolitik der letzten 60 Jahre. Das sind die Schuldigen an der jahrzehntelangen Misere. Der Bauernverband hat den falschen Adressaten ausgewählt. Den Rücktritt einer Bundesregierung zu fordern, hat auch nichts mehr mit den konkreten Anliegen der Landwirtschaft zu tun. Der Bauernverband sollte sich überlegen, ob er dazu da ist, Parteipolitik für CSU und AfD zu machen.
Wir Grünen haben den Bauern vor 20 Jahren das wichtige Standbein der Photovoltaik ermöglicht, gegen den Widerstand der CSU. Wir stehen für eine bäuerliche Landwirtschaft, mit kleinen und mittelgroßen Familienbetrieben mit regionaler Vermarktung und sind gegen die großen Agrarfabriken. Wir Grünen waren es, die als Erste über unseren Bundeslandwirtschaftsminister und unsere Landtagsfraktion Druck gemacht haben, um die zu krasse Belastung der Landwirtschaft abzufedern. Wir waren erfolgreich. Das war vor den Demonstrationen und Blockaden der Bauern.
Ein Land kurzzeitig lahmlegen, das können die Bauern wirklich. Das muss man ihnen lassen. Ich hoffe, dass die Bauern in Zukunft auch für die dauerhafte Erhaltung der Landwirtschaft auf die Straße gehen werden. Denn Landwirtschaft braucht Klimaschutz. Wenn wir die durchschnittliche Erwärmung nicht auf 2 Grad begrenzen können, wird es in weiten Teilen Bayerns keine Landwirtschaft mehr geben können. Beim nächsten Klimastreik sollten sich nicht mehr nur die jungen Leute auf die Straße kleben. Wir brauchen „Bauern for future“.
Josef Heisl (CSU): „Geht um jeden Einzelnen von uns“
„Ich stehe zu 100 Prozent hinter unseren Landwirten und deren Protesten. Langsam reicht es einfach mit der Politik der Ampelregierung. Dabei geht es schon lang nicht mehr ausschließlich um die KFZ-Steuer oder Agrardiesel. Es geht auch um die Gastronomiebetriebe oder die Spediteure und um uns Verbraucher.
Nahezu jeden Tag kommt ein weiterer Vorschlag, der sich gegen den ländlichen Raum richtet. Heißt: Unterm Strich geht es um weit mehr – um jeden Einzelnen von uns. Weil wir uns irgendwann das Leben unter diesen Umständen nicht mehr leisten können.“
Muhanad Al-Halak (FDP): „Sachlicher Umgang ist wichtig“
„Ich bin im Bayerischen Wald aufgewachsen, liebe meine Heimat und weiß, wie viel unsere Landwirte hier leisten. Demonstrationen gehören zu unserer Demokratie und es ist das Recht der Landwirte, jetzt gegen die Mehrbelastung zu kämpfen. Aber ein anständiger und sachlicher Umgang miteinander ist wichtig. Das haben wir jetzt gesehen (die grüne Nummer bleibt, Steuerbegünstigung beim Agrardiesel bis 2026), und das darf jetzt nicht durch Hass und Hetze bestimmte Gruppierungen zu Grunde gehen.“
Erhard Grundl (Die Grünen): „Habe bis heute kein Bedauern gehört“
„Die Proteste der Bäuerinnen und Bauern nehme ich sehr ernst. Das Demonstrationsrecht ist in einem Rechtsstaat eines der höchsten Güter. Rechtsstaatlichkeit muss dabei immer gegeben bleiben, sonst diskreditiert sich der Protest. Ich glaube, es war ein erster Erfolg für die Bauern, aber auch dem Einsatz von Landwirtschaftsminister Özdemir in der ganzen Debatte geschuldet, dass die Beibehaltung der grünen Nummernschilder erreicht wurde.
Das Urteil des Verfassungsgerichts zwingt die Regierungskoalition zu weiteren Einsparungen in einem Haushalt, der ja eigentlich schon ohne Subventionsabbau beschlossen war. Darauf muss der Bundestag in seinen anstehenden Haushaltsdebatten jetzt reagieren. Ich unterstütze die Landwirte dabei, wenn sie sich dafür einsetzen, dass sie nicht über Gebühr und nicht von jetzt auf gleich belastet werden.
Wenn bei den Protesten darauf hingewiesen wird, dass die Vorschläge der Ampel-Spitzen von Anfang Dezember das Fass zum Überlaufen gebracht haben, kann ich das zum Teil nachvollziehen, möchte aber höflich auch darauf hinweisen, dass das Fass in großen Teilen von denjenigen vollgemacht wurde, die sich jetzt unbeteiligt geben. Das Abstimmungsverhalten der CSU in Bundestagsausschüssen erst Mitte Dezember zur Kfz-Steuer passt nämlich gar nicht zu ihren aktuellen markigen Äußerungen oder ihrem Auftreten bei den Protesten.
Das Motto der CSU-Agrarpolitik war stets „wachse oder weiche“ und genau das kann nicht die Zukunft unserer heimischen Landwirtschaft sein und dass das nicht so weitergeht, auch dafür streite ich. 35 000 Höfe mussten bundesweit zwischen 2010 und 2020 dicht machen. Da habe ich von der CDU/CSU bis heute kein Bedauern gehört. Ich trete dafür ein, die Arbeit auf den Höfen mehr wertzuschätzen. Auch auf den kleineren Höfen. Landwirtschaft denkt in Generationen und auch das unterstütze ich gerade als Grüner.
Wir müssen in Zukunft gemeinsam dafür sorgen, dass sich die Betriebskosten und Produktionskosten im Rahmen halten und gleichzeitig die Abhängigkeit von Handels- und Betriebskonzernen reduziert. Wie jeder andere Wirtschaftszweig müssen wir auch die Landwirtschaft bei der Transformation unterstützen. Weltweit sind diese Prozesse im Gang. Das wird in Deutschland nicht ohne eine Reform der starren Schuldenbremse möglich sein.“
Martin Behringer (Freie Wähler): „Schlag ins Gesicht unserer Bauern“
„Für die Proteste der Landwirte habe ich großes Verständnis. Streichungen beim Agrardiesel und der Kfz-Steuer sind ein massiver Schlag ins Gesicht unserer Bauern. Höhere Lebensmittelpreise würden uns alle treffen.
Klimaschädliche Importe aus anderen Teilen der Welt würden wahrscheinlich die zuverlässige Versorgung mit unseren eigenen heimischen Nahrungsmitteln verdrängen. Dazu darf es keinesfalls kommen. Landwirtschaft und Mittelstand sind die tragenden Säulen der Wirtschaft in unserem ländlichen Raum. Sie gilt es zu stärken, statt an ihren Fundamenten zu sägen.“
Thomas Erndl (CSU): „Bauern können nicht die Zeche zahlen“
„Ich unterstütze die angemeldeten Demonstrationen der Landwirte. Die Vorschläge der Ampel würden den Landwirten erhebliche zusätzliche Belastungen auferlegen. Dadurch stehen gerade bei unserer kleinteiligen Struktur Existenzen auf dem Spiel!
Dabei geht es nicht nur um den Agrardiesel, sondern auch um weitere Einschränkungen, zum Beispiel die Flächenstilllegungen und bei der Tierhaltung, die schon am Horizont sichtbar werden. Wir brauchen eine dauerhaft wettbewerbsfähige Landwirtschaft, damit Versorgungssicherheit und Wertschöpfung in der Region erhalten bleiben. Und wir brauchen langfristige Planungssicherheit, damit Zukunftsinvestitionen leistbar sind. Die Vorschläge der Ampel müssen komplett vom Tisch. Die Bauern können nicht die Zeche zahlen für eine falsche Haushaltspolitik, die trotz Rekordsteuereinnahmen falsche Prioritäten setzt.“
Alois Rainer (CSU): „Ich finde es absolut richtig, dass…“
„Demonstrationen gehören zu unserer demokratischen Grundordnung. Ich finde es absolut richtig, dass die Landwirte auf diesem Weg darauf aufmerksam machen, welche Auswirkungen die Beschlüsse der Bundesregierung für sie haben. Die Landwirtschaft ist und bleibt eine der wichtigsten Grundsäulen unserer Gesellschaft, sie muss wettbewerbsfähig bleiben, sonst droht die Gefahr, dass wir immer mehr von importieren Lebensmitteln abhängig werden.“
Roswitha Toso (Freie Wähler): „Am Ende trifft es jedoch uns alle“
„Mit eindrucksvollen Demonstrationen ziehen die Landwirte aus unserer Region auf unsere Straßen und bringen so ihre Unzufriedenheit über die beschlossenen Mehrbelastungen zum Ausdruck. Die Bauernproteste sind eine Reaktion auf die wachsenden Schwierigkeiten mit denen Landwirte konfrontiert sind, darunter steigende Produktionskosten, unfaire Preisgestaltung, bürokratische Hindernisse und ein Mangel an Unterstützung für nachhaltige Praktiken.
Ich habe großes Verständnis für den Unmut unserer Landwirtinnen und Landwirte und zeige mich sehr besorgt über den derzeitigen Kurs der Ampelregierung, der vor allem die Existenzen unserer ländlichen Bevölkerung bedroht. Wir dürfen dabei allerdings nicht vergessen, dass dieses Thema auch Speditionen, Gastronomiebetriebe und am Ende uns alle betrifft. Mit der Ausweitung der Mautpflicht und dem Anstieg der CO2-Abgabe entstehen auch gerade in Logistikbetrieben große Mehrkosten. Währenddessen scheiterte die Gastronomie in ihrem Kampf für eine dauerhafte Absenkung der Mehrwertsteuer. Eine dringende Maßnahme, um unsere Wirthauslandschaft zu erhalten und Deutschland als Tourismusland attraktiv zu gestalten.
Am Ende trifft es jedoch uns alle. Wieder steigen die Preise für unsere Bürgerinnen und Bürger und das obwohl wir immer noch mit einer erhöhten Inflation zu kämpfen haben und große Unsicherheit in Zuge des Heizungsgesetzes besteht. Ich fordere die Bundesregierung dazu auf ihren falschen Kurs zu korrigieren und unseren Leuten nicht ihre Existenzgrundlage zu nehmen. Ich werde mich weiterhin mit den Freien Wähler für eine Umkehr dieser verfehlten Politik einsetzen.“
Umfrage: Stephan Hörhammer