Hutthurm. Die Zeit um den Jahreswechsel ist ja durchaus positiv behaftet: die ruhige und besinnliche Adventszeit, gefolgt vom Weihnachtsfest im Kreise der Familie. Vom 25. Dezember bis 6. Januar stehen aber auch die zwölf Raunächte an. Die Zeit der Perchten, der Geister, der wilden Ungetüme. Die Phase, auf die die Passauer Burgdeiffen das ganze Jahr über hinfiebern, stellt sie doch den Höhepunkt ihres Vereinslebens dar. Und dann treiben die mehr als 60 Mitglieder um erste Vorsitzende Astrid Palluotto in ganz Niederbayern ihr Unwesen…
„Das wird falsch verstanden“
Doch: Halt! Genau hier muss die 49-jährige Vereinschefin gleich einmal einhaken. „Das mit den Perchten wird oft falsch verstanden. Die, die diesen Brauchtum nur nutzen, um Leute drangsalieren zu können, sind absolut fehl am Platze. Genauso ist es ein Irrsinn, die Zuschauer mit Müll zu bewerfen oder mit Schuhcreme zu beschmieren“, zeigt Astrid Palluotto klare Kante. „Sowas machen wir nicht!“ Die gebürtige Neureichenauerin, die inzwischen in Hutthurm wohnt, betont ebenso, dass es in den Raunächten nicht darum geht, Menschen zu erschrecken. Die bösen Fratzen, die gespenstische Atmosphäre soll vielmehr Geister aller Art vertreiben.
Zurück geht dieses Brauchtum bis weit in die Vergangenheit des Bayerischen Waldes. In grauer Vorzeit waren die Waidler der festen Überzeugung, dass sie nur auf diese Art und Weise vom Unglück, das böse Geister mit sich bringen, verschont werden – von Krankheit, Fehlernten und Unfällen. So verkleideten sich die Menschen als Teufel oder traten in Gestalt von Gevatter Tod auf, um mit Feuer alles Niederträchtige zu vertreiben. Die zivilisierte Gesellschaft hat natürlich irgendwann erkannt, dass das alles nicht für bare Münze genommen werden kann – wie so viele historische Überlieferungen. Das Brauchtum und die Tradition sind allerdings geblieben.
Bunt, schrill und laut: Eindrücke von den Passauer Burgdeiffen
Die Perchtenläufe bzw. -shows, die regional unterschiedliche Namen wie etwa „Winteraustreiben“ haben, sind auch in Niederbayern weit verbreitet. Ebenso im angrenzenden Österreich. Und genau hier liegt der Ursprung der Passauer Burgdeiffen. „Dort war ich mit meiner Familie jedes Jahr“, erinnert sich Astrid Palluotto. „Und jedes Jahr haben wir gesagt, dass wir sowas auch mal machen möchten.“ Eines Tages – den genauen Zeitpunkt weiß die 49-Jährige heute nicht mehr – war es dann soweit: Sie, ihr Mann Franco sowie die beiden Söhne Fabio und Marcelo schlossen sich einer entsprechenden Perchten-Vereinigung an.
Aus einem schlichten Fehler wurde ein Markenzeichen
2013 gingen sie sogar noch einen Schritt weiter, machten schließlich ihr eigenes Ding – und gründeten die „Passauer Burgdeiffen“. Der Name der Dreiflüssestadt wurde deshalb gewählt, „weil wir damals in Salzweg lebten und uns an einer Burg orientieren wollten – die nächste war in Hals, das ja zu Passau gehört“. Und auch das Doppel-F in „Burgdeiffen“ – eigentlich ein Rechtschreibfehler – ist inzwischen zum Markenzeichen des Vereins mutiert. „Ganz am Anfang war es schlicht und einfach ein Versehen. Dann war aber schon alles gedruckt, weshalb wir es einfach dabei belassen haben.“
Generell sind die Passauer Burgdeiffen mittlerweile weitum bekannt. Die 69 Mitglieder im Alter zwischen drei und 82 Jahren treten in ganz Niederbayern auf, u.a. in Hengersberg, Bad Füssing, Obernzell, Hutthurm, Osterhofen sowie im österreichischen Schwarzenberg. „Früher hatten wir von Ende November bis 6. Januar bis zu 20 Auftritte. Inzwischen sind es um die 15“, berichtet Astrid Palluotto. Klasse statt Masse steht dabei im Vordergrund. Denn mit unkoordinierten Bewegungen, lautem Gebrüll und hitzigen Flammen ist es nicht getan:
Die Vereinschefin überlegt sich jedes Jahr ein neues Programm. Zwar orientiert sie sich dabei an gewissen Eckpunkten, die schon immer Teil der Darbietung sind – wie zum Beispiel der Fruchtbarkeitstanz. „Aber es muss immer auch etwas Neues her – das ist mein Anspruch“, betont sie. 2023 gibt es somit einen neuen Hexentanz zu sehen.
„Schauen uns genau an, wer bei uns mitmachen will“
Um den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, wird immer ab Anfang August geprobt. Mitmachen kann grundsätzlich jeder – allerdings ist ein Aufnahmeverfahren Pflicht. „Wir schauen uns schon an, wer genau bei uns mitmachen will. Schlägertypen sind bei uns, wie bereits erwähnt, nicht willkommen.“ Man kann schließlich auch anders sein Unwesen treiben…
Helmut Weigerstorfer