Altreichenau. Toni Menacher? Ein Künstler? In Altreichenau? Wer ist das eigentlich und was macht der genau? Sakrale Kunst lautet das Stichwort, das mir zuerst ins Auge fällt, als ich nach Informationen im Internet über ihn suche. Ganz offen gestanden: Gar nicht mein Gebiet. Umso erstaunter bin ich, als ich dann im realen Leben auf den Künstler treffe. Aus dem zunächst als Hog’n-Interview angedachten Termin wird schnell ein sehr interessantes Gespräch – weit über sein künstlerisches Schaffen hinaus. Mir wird schnell klar: Da „versteckt sich“ eine außergewöhnliche Persönlichkeit in einem alten Hof in Altreichenau.
Künstlerische Möbel fertigen, Holzfiguren schnitzen, Altarräume kreieren, das Bühnenbild für die Festspiele in Leopoldsreut erschaffen oder ein Fort samt Marterpfahl für einen Spielplatz in Neureichenau bauen: So vielfältig sind die Arbeiten von Künstler Toni Menacher. Ihn als Bildhauer zu bezeichnen, greift daher eigentlich viel zu kurz. „Viele denken gar nicht dran, dass ein Künstler im Ort lebt“, meint der 63-Jährige. Deshalb werde er oft gar nicht gefragt, wenn in der Gemeinde etwas gemacht wird, bei dem er helfen und mitgestalten könnte. Denn viele wissen gar nichts von seinen zahlreichen Fähigkeiten. Genau das schätzt er auf der anderen Seite so am Leben hier im Bayerischen Wald: „Keiner stört sich, man kann tun und lassen, was man mag – sie lassen Dich in Ruhe arbeiten.“
Die Suche nach einem „unverbauten und unverschandelten Hof“
Seit mittlerweile 20 Jahren lebt Menacher relativ zurückgezogen am unteren Ortsrand von Altreichenau. Dort hat er einen alten Bauernhof gekauft und renoviert. Eines der ältesten Gebäude im Dorf. Dass es ihn damals genau hierhin in den Bayerischen Wald verschlagen hatte, war reiner Zufall: Eigentlich hatte er nach einem alten Hof im näheren Umkreis von München gesucht, wo er lange Zeit lebte. Doch dort fand sich nichts Passendes. „Der Makler hat mir dann ein Bild von diesem Haus geschickt“, erzählt Menacher. Er hat sich sofort in das Anwesen verliebt, ist nach Altreichenau gefahren, hat es angeschaut und war begeistert von der im Original erhaltenen Bausubstanz: „Ein unverbauter und unverschandelter alter Hof!“ Und dann stand der Entschluss schnell fest: In München die Zelte abbrechen und in Altreichenau etwas ganz Neues anfangen.
Der Lebensweg des Künstlers ist geprägt von jenen Wendepunkten, die sich alle eher zufällig ergeben haben. Begonnen hat alles mit einer Schreinerlehre in einem Betrieb, der nach alter Tradition Stilmöbel fertigte: barocke Kommoden zum Beispiel. Keine „normale“ Schreinerlehre also, es ging bereits in die künstlerische Richtung. Nach der Ausbildung verschlug es Menacher dann in die Schweiz. „Damals war ein Auslandsaufenthalt nach der Lehre üblich“, erzählt er. Er landete bei einem Auktionshaus in Luzern und hatte dort hauptsächlich mit der Restaurierung von Antiquitäten zu tun.
Weil auch immer wieder alte Schnitzereien bearbeitet werden mussten, entdeckte er dort seine Liebe zum Schnitzen. Und beschloss, noch ein zweites Handwerk zu lernen: In Oberammergau besuchte der gebürtige Oberbayer die Berufsfachschule für Holzbildhauer und Schnitzer. „Das ging schon stark in die Kunstrichtung.“ Und die Fachschule war gleichzeitig ein Sprungbrett Richtung Kunstakademie München – die nächste Station im Lebenslauf von Toni Menacher.
„Eins nach dem anderen hat sich ergeben“, schmunzelt er. Die Zeit an der Kunstakademie war es schließlich, die ihn zum vielseitigen Künstler machte: Hier hantierte er mit den unterschiedlichsten Materialien und bearbeitete diese mit den verschiedensten Werkzeugen. „Das Thema Holzkunst hat mich aber nie verlassen.“ Aus den Jahren nach dem Studium ist ihm vor allem ein Auftrag in Erinnerung geblieben, bei dem er einen Gefährten für Pumuckl schnitzte. In der Fernsehserie sieht es so aus, als würde Gustl Bayerhammer die Holzfigur kreieren – in Wahrheit waren es Menachers Hände, die da zu sehen sind. Einmal als Hand-Double für Schauspiel-Legende Gustl-Bayerhammer auf der Mattscheibe in Erscheinung getreten zu sein – das kann wohl auch nicht jeder von sich behaupten…
Die Kirche – einer der größten Förderer der Kunst
Nach zehn Jahren als Dozent an der Volkshochschule München wurde Toni Menacher schließlich zum freischaffenden Künstler – wobei er nicht viele Kunstwerke wirklich „frei“ erschaffen hat: „Ich bin ein Auftragsmensch“, sagt er über sich selbst. Deshalb bewirbt er sich immer wieder um größere Aufträge. Sein erster war eine Möbelarbeit: Toni Menacher baute riesige Baumfenster für die Villa eines Münchner Galleristen. Danach folgten viele weitere Aufträge dort, vom Tisch über Türgriffe bis zum Waschbecken.
Auftragsarbeiten führt Menacher seit den 90er-Jahren vor allem auch für die katholische Kirche aus. Ein Metier, in dem man sich einen Namen erarbeiten muss: „Da fängst Du ganz klein an, bis dann mal was Größeres kommt.“ Dass er Altarräume gestaltet, Kerzenhalter, Kreuze und andere Kunstwerke für Kirchen entwirft, hat aber nicht unbedingt mit übergroßer Gläubigkeit zu tun: „Natürlich muss man einen Zugang zu dem Ganzen haben“, sagt der 63-Jährige. Hauptgrund für sein künstlerisches Engagement im kirchlichen Bereich ist jedoch der Umstand, dass die Kirche einer der größten Förderer der Kunst sei. „Sie versuchen immer, auf dem Stand der Zeit zu sein.“
Die Holzfigur im Pumuckl-Film fertigt nicht Gustl Bayerhammer, sondern Toni Menacher:
https://www.youtube.com/watch?v=tlUMcai1zQ8
Wer als Künstler den Innenraum einer Kirche gestalten will, muss sich in einem Wettbewerb gegen Mitbewerber durchsetzen. „Das ist extrem viel Vorarbeit“, berichtet Menacher. Wochen-, teilweise sogar monatelang sitzt er an Modellen, mit denen er sich bei der katholischen Kirche bewirbt. Wenn er den Wettbewerb gewinnt, hat er danach mehrere Monate ein sicheres Einkommen – so wie aktuell: Er arbeitet an der Neugestaltung der Pfarrkirche Pocking. Auch die Kirche in Lackenhäuser ist sein Werk.
Urlaub auf dem Bauernhof mit zwei Yaks
Mittlerweile wissen seine kirchlichen Auftraggeber, dass man sich auf ihn verlassen kann. Dass er gute Arbeit abliefert und „dass ich Termine einhalte“. Sakrale Kunst ist daher zu seinem Hauptwerk (und -erwerb) geworden. Doch der Künstler möchte sich auch in seiner Wahlheimat Altreichenau einbringen und mitwirken. Daher freut er sich, wenn er beispielsweise ein neuer Spielplatz gebaut wird und er dafür ein Fort planen und bauen kann, wo die Kinder nun Cowboy und Indianer spielen.
Neben seinen Auftragsarbeiten baut der Künstler auch seinen Hof in Altreichenau immer weiter um: Er hat fünf Ferienwohnungen auf dem „Höpflhof“ eingerichtet, natürlich jede davon ganz individuell gestaltet. Und wer ihn besucht oder auf seinem Hof Urlaub macht, lernt seine ganz besonderen „Mitbewohner“ kennen: Zwei Yaks, eine vor allem in Tibet verbreitete Rinderart. Die Tiere aus dem zentralasiatischen Hochland genießen dabei die Ruhe in Altreichenau genau so wie der gebürtige Bad Tölzer Toni Menacher.
Sabine Simon