Oberseilberg. Im kleinen Ort in der Gemeinde Grainet spielt die Landwirtschaft noch eine große Rolle. Das Halten von Rindern ist in Oberseilberg (im Volksmund: „Saijbeag“) – im Gegensatz zu mehr und mehr Dörfern im Bayerwald – keine Erinnerung, sondern Gegenwart. Und aus der hohen Dichte an Bauern sticht Thomas Blöchl noch einmal hervor, denn: Der 51-Jährige hat einen anderen, alternativen wie unkonventionellen Weg eingeschlagen: Seit 2016 züchtet er im Nebenerwerb Yaks. Eine Rinderart aus Hochasien, die sich auch in den hiesigen Hochlagen wohlfühlt.
Wie so viele Landwirte stand auch Familie Blöchl Mitte der 2010er Jahre vor einer Grundsatz-Entscheidung. Es war schlichtweg nicht mehr rentabel, den kleinen bäuerlichen Betrieb zu bewirtschaften. Nicht einmal mehr im Nebenerwerb. Die Agro-Industrie hat ihre Opfer gefordert. Seine Eltern, die die Hauptarbeit auf dem heimischen Hof geleistet haben, gingen zudem langsam aber sicher auf ihren Lebensabend zu. Thomas Blöchl selbst war als Dozent bzw. Ausbilder in Passau voll eingespannt. „Immer mehr hat sich herauskristallisiert, dass wir die Viecher weg tun müssen“, erinnert sich der heute 51-Jährige.
Unkomplizierte Yaks: „Bleiben Sommer und Winter draußen“
Doch so ganz trennen wollte man sich nicht von den Tieren. Aus traditionellen Gründen. Ebenso aus praktischen, da sämtliche Gerätschaften und Räumlichkeiten sowie die Weide ja ohnehin vorhanden waren. Und auch aus ideellen, weil die Landwirtschaft, vor allem die Tiere, seit jeher zur Familie gehörten. „Ich habe mich also umgehört, welche Alternativen es gibt“, blickt Thomas Blöchl zurück. Seine Recherchen führten ihn dabei relativ schnell ins Himalaya-Gebirge. Denn dort lebt eine Rinderrasse, die ihn schnell begeistert hat: das Yak.
Eine weitläufige Weide, die problemlos unterteilt werden kann, das Klima, der Pflegeaufwand, der ruhige, ausgeglichene Charakter – die asiatischen Tiere und die Familie Blöchl: Es passte alles von Beginn an. Bei einem oberbayerischen Züchter kaufte sich der 51-Jährige vier Stück – drei potenzielle Mutterkühe, einen Stier. Eine Entscheidung, die er bisher keine Sekunde lang bereut hat. „Die Yaks sind völlig unkompliziert. Sie bleiben Sommer wie Winter draußen, brauchen nur einen kleinen Unterstand.“ Die restlichen Arbeiten wie das Ausmisten oder die Heuernte gehen den in dieser Hinsicht geübten Blöchls leicht von der Hand. Noch wichtiger: Sie können sich mittelfristig einteilen, was wann erledigt werden muss.
„Bayerwald-Yaks“: Die eigene Marke von Thomas Blöchl
Es muss also u.a. nicht mehr täglich zweimal gemolken werden. Generell führen die neuen Mitbewohner ein eigenständigeres Leben als ihre klassischen Vorgänger. Thomas Blöchl und seine Eltern gelten somit im Vergleich zum traditionellen Bauern-Bild von Oberseilberg als Exoten. Ihre Entscheidung wurde dennoch nie von Argwohn begleitet, wie sie berichten. Erst dominierte die Neugier, die dann von Respekt verdrängt wurde. „Vielen geht es ja ähnlich wie uns: Sie müssen ihren Hof aufgeben – aus unterschiedlichen Gründen“, weiß der 51-Jährige. Sein Weg diene daher inzwischen vielen Artgenossen als Vorbild. Mit „Bayerwald-Yaks“ hat er sogar eine eigene Marke ins Leben gerufen.
Inzwischen sind aus den vier Tieren 16 geworden. Die Herde vergrößert sich stetig, was ein Zeichen dafür ist, dass sich die Yaks wohlfühlen. Es geht alles etwas langsamer als bei den in hiesigen Breitengraden üblichen Rindern. „Sie wachsen nicht so schnell, sind nicht so überzüchtet“, erklärt Thomas Blöchl. Im Umgang mit den zotteligen Vierbeinern hat er nun Zeit. Er hat sich komplett davon gelöst, auf Einnahmen aus der Landwirtschaft angewiesen zu sein. Seit 2016 wurde bisher nur ein einziges Mal geschlachtet. Die Kühe leben bei den Blöchls, weil diese es so wollen – und nicht, weil sie davon ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen, wie so viele Bayerwald-Bauern im Laufe der Jahrhunderte…
Helmut Weigerstorfer