Bayerischer Wald. Geht es um „unsere“ Wälder, wird es meist emotional. Die hiesige Flora und Fauna ist nicht nur Namensgeber für den Bayerischen Wald, sondern auch Wirtschaftsfaktor, Imageträger – und irgendwie auch das Kind aller Waidler. Vor allem die Bayerischen Staatsforsten (BaySF), die den Wald des Freistaates bewirtschaften, stehen dabei immer wieder im Zentrum der Kritik. So auch dieses Mal. Christine Holzinger stört sich aber nicht am Borkenkäfer-Management, etwaigen Fällungen oder Abschusszahlen. Die Salzwegerin regt sich über den Wegebau in den Staatswäldern auf – und hat deshalb eine Petition ins Leben gerufen.
„Die Forstwege in den Wäldern in und um Passau werden immer mehr zu unbegehbaren Schotterpisten“, stellt die 47-Jährige fest. Für sie sind die Folgen daraus vielschichtig. Das Naherholungsgebiet Wald könne schlichtweg von Menschen aller Altersgruppen nicht mehr in gewohnter Weise genutzt werden – egal, ob der Senior, der einfach nur spazieren gehen, der Hobby- bzw. Leistungssportler oder der Urlauber, der seine Destination erkunden will. „Die Liste derer, die unter den verheerenden Zuständen der Forstwege leiden, ist schier unendlich. Auf dem groben Schotter kann man sich kaum mehr gefahrlos fortbewegen.“
„Man handle exakt nach Standard“
Diese Problematik sei nicht neu, sondern „schon lange bekannt“. Christine Holzinger hat eigenen Angaben zufolge mitbekommen, dass viele regionale Rathäuser mit diesbezüglichen Beschwerden regelrecht überflutet werden. Aus diesem Grund hätten bereits einige Ortstermine mit Vertretern der BaySF und „besorgten Privatpersonen, Gewerbetreibenden und den zu Hilfe gerufenen Mandatsträgern“ stattgefunden. „Das Ergebnis war immer das Gleiche: Die Forstwege dienen nicht dem Freizeitvergnügen der Bevölkerung, sondern sind Arbeitsplatz der Forstbetriebe, man handle exakt nach Standard, der keinerlei Spielraum offen lässt, man ist verpflichtet die Befahrbarkeit mit schwerem Gerät ganzjährig sicherzustellen etc. etc.“
Bisher 3.320 Unterschriften
Ihre Anliegen seien nicht nur kategorisch abgeblockt, sondern teilweise auch belächelt worden. „Kurz gesagt: Wenn man wirtschaftlich vom ordnungsgemäßen Zustand der Forstwege abhängig ist, soll man für deren Präparierung und Nutzung bezahlen“, fasst die 47-Jährige zusammen – und wird deutlich: „Das ist für mich Wegelagerei. Wo soll das noch hinführen? Letztendlich schneiden alle staatsforstlichen Wege in irgendeiner Weise das touristisch genutzte oder das für Erholungssuchende relevante Waldwegenetz. Will man hier zum Schluss alle zur Kasse bitten?“
Da Christine Holzinger sich nicht gehört fühlt, hat sie sich dazu entschlossen, eine Petition ins Leben zu rufen. Am 23. Juli gestartet, hat „Stoppt die Schotterpisten„ bisher (Stand: 7. September, 8 Uhr) 3.320 Unterschriften sammeln können. Ziel sind 5.000 Menschen, die sich dieser Forderung anschließen – und ihr somit Nachdruck verleihen. Doch was genau will die Salzwegerin erreichen? Welche Alternativen gibt es aus ihrer Sicht zu Schotter auf Feld- und Waldwegen?
Material passt, Problem ist Verarbeitung
Mit dem Material an sich – Schotter, also eine „grobe gebrochene Gesteinskörnung“ – kann die Petentin durchaus leben. Sie kritisiert insbesondere dessen Ausbringung bzw. Verarbeitung. „Der überwiegende Teil des Wegenetzes verfügt nicht einmal über eine Deck-, geschweige denn über eine Verschleißschicht. Auf dem reinen Unterbau – auch in zu großer Körnung, ohne Feinanteile und nicht verdichtet – soll sich Mensch und Tier fortbewegen. Wir fordern daher, dass feinkörniger präpariert wird, sodass man darauf wieder vernünftig laufen kann.“
Eine Gruppe, die Christine Holzinger zur Seite springt, ist die der Hobby- und Leistungsradfahrer, darunter auch Georg Urmann, erster Vorsitzender des RC Freyung. Freilich, in Sachen Strecken hätte der Bayerische Wald aufgrund seiner Topographie einiges zu bieten, weiß der erfahrene Radler zu berichten. Aber eher für den sportlich ambitionierten Mountainbiker als für die Familienmitglieder, die eine gemütliche Radltour planen. Hinzu komme dann eben noch der grobkörnige, nicht verarbeitete Schotter auf vielen Waldwegen. In dieser Hinsicht kann Urmann aus eigenen Erfahrungen beide Seiten verstehen, hofft dabei auf einen Kompromiss.
Radverein-Chef Urmann: „Würde mir Mittelweg wünschen“
„Hier liegen einfach unterschiedliche Interessen für die Nutzung der Wald- und Feldwege vor, welche ich aufgrund der Tatsache, dass wir selbst eine Landwirtschaft hatten und ich den dazugehörigen Wald noch immer bewirtschafte, durchaus nachvollziehen kann“, macht er deutlich.
„Ich würde mir einen Mittelweg wünschen, der es vorsieht, dass die markanten Verbindungswege für alle nutzbar bleiben. Aktuell hat man eher das Gefühl, das gewisse Institutionen mit der groben Schotterung – man kann teils von Schrotten sprechen – die Radfahrer eher gezielt abhalten wollen.“ Denn die Gefahr sei durchaus real: „Man stelle sich mal vor, man fährt in einer Abwärtspassage auf normal geschottertem Weg und dann plötzlich kommt ein sanierter Bereich, der mit grobem Schotter mit größeren Steinen ausgebessert wurde…“
Gudula Lermer sind all diese Argumente inzwischen bestens bekannt. Sie hatte bereits Kontakt mit Christine Holzinger samt Vor-Ort-Termin. „Frau Holzinger wandte sich als Betreiberin einer Pferdepension vor mehreren Monaten mit einer E-Mail an den Forstbetrieb“, berichtet die Betriebsleiterin des Forstbetriebes Neureichenau – und zitiert die Petentin wörtlich: „Wir als steuerpflichtige Hofbetreiber sind auf die Möglichkeit, dass unsere Einsteller diese Waldwege als Ausreitgelände nutzen können, angewiesen. Wir generieren unsere Umsätze aus unseren Angeboten, wozu auch passende Ausreitmöglichkeiten etc. gehören.“
Wegebau kostet eine halbe Million Euro
Man sei „in gutem Einvernehmen“ auseinander gegangen. Weitere Telefonate und E-Mails hätten gefolgt. „Im Rahmen der Möglichkeiten des Forstbetriebs unterbreiteten wir Frau Holzinger auch konkrete Angebote für den Pferdepensionsbetrieb, z.B. einen Gestattungsvertrag zur Nutzung der Privatwege des Forstbetriebs. Diese Angebote wurden aber nicht angenommen. Stattdessen hat Frau Holzinger eine Online-Petition gestartet.“
Grundsätzlich werden Lermer zufolge die Wege für die Bewirtschaftung der Wälder gebaut und gepflegt. „Selbstverständlich können sie aber auch von der Allgemeinheit zum Spazierengehen und Radfahren genutzt werden. Wir bemühen uns, die Wege in einem Zustand zu halten, der das ermöglicht. Bei einem Netz von vielen tausend Kilometern ist das nicht überall und zu jeder Zeit möglich.“
Rund eine halbe Million Euro jährlich investiere allein der Forstbetrieb Neureichenau in mehrere tausend Tonnen Schotter, die auf den 600 Kilometern Forststraßen ausgebracht werden. Der Aufwand falle zum überwiegenden Teil für Maschineneinsätze wie Spezialbagger, Grader und Walzen an, zum kleineren Teil für Material- und Personalkosten betriebseigener Arbeitskräfte. Die Art der Körnung richte sich dabei nach „örtlichen Erfordernissen wie dem Nutzungszweck und der Steilheit des Geländes. In Hanglagen kann nur gröberes Material verhindern, dass Wegestücke abrutschen oder ausgeschwemmt werden“, informiert die Betriebsleiterin.
Die Folgen des Klimawandels
Generell würden die Wälder in Folge des Klimawandels „leiden wie nie“. Gewitterstürme, Hitze- und Trockenjahre hätten zu einem enormen Borkenkäfer-Befall und somit großen Mengen von Schadholz geführt. „Der Forstbetrieb Neureichenau bewältigt in den Wäldern eine herausfordernde Ausnahmesituation und verfolgt dabei das oberste Ziel, den Wald und seine vielfältigen Funktionen zu erhalten.“
Entscheidend sei, wie Gudula Lermer betont, dass Schadholz so schnell wie möglich abtransportiert werde, um weiteren Schaden zu vermeiden. Deshalb liege ein Fokus auf einem intakten Wegenetz. „Sie müssen allen Erfordernissen standhalten. Ausgewiesene Wander- und Radwege haben bei Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten immer Vorrang und werden zusätzlich mit etwas feineren Deckschichten versehen.“
Hog’n-Informationen nach soll es in Kürze zu einem erneuten Treffen zwischen Vertretern der Politik und der Bayerischen Staatsforsten kommen, um eine Verbesserung der Wegebeläge zu erwirken. Ausgang: ungewiss.
Helmut Weigerstorfer