Kreuzstraßl/Grafenau. Gerade unterhalb des Großen Falkensteins sind derzeit die Spuren der Borkenkäfer (genauer gesagt: der Buchdrucker) nicht zu übersehen. Im Randbereich des Nationalparks Bayerischer Wald sind daher vielerlei Arbeiter mit dem Management der Situation beschäftigt – vor allem zwischen Regenhütte, dem Nationalparkzentrum Falkenstein bei Ludwigsthal und dem Weiler Scheuereck. Über die momentane Lage informiert Noch-Nationalparkleiter Dr. Franz Leibl per Pressemitteilung.
Die Buchdrucker sind dieses Jahr wieder vermehrt aktiv. Wie gestaltet sich daher gerade die Lage im Nationalpark?
Die warme und trockene Witterung seit Anfang Mai hat die Entwicklung der Käfer stark begünstigt. Nach mehreren Trockenjahren in Folge sind viele Fichten mittlerweile merklich geschwächt, weshalb deren Abwehrmechanismus – das „Ausharzen“ der Buchdrucker – nicht mehr allzu effektiv funktioniert. Bisher haben wir im ganzen Nationalpark-Randbereich rund 70.000 Festmeter vom Buchdrucker befallenes Fichtenholz registriert, davon allein 30.000 Festmeter in unserer Dienststelle Scheuereck und 20.000 Festmeter in der Dienststelle Bayerisch Eisenstein. Der absolute Schwerpunkt liegt zwischen dem Haus zur Wildnis und dem Parkplatz Weiße Brücke. Zum Vergleich: 2022 lagen wir am Ende des Jahres bei einer Komplettmenge von knapp 60.000 Festmetern in allen sechs Nationalpark-Dienststellen zusammen.
Der zeitliche Faktor ist das Entscheidende
Wo wird der Buchdrucker im Nationalpark überhaupt reguliert?
Auf dem Großteil der Fläche, genauer gesagt auf 75 Prozent des Nationalparks, gilt das Motto ‚Natur Natur sein lassen‘. Das heißt: Es findet keinerlei Eingriff statt. Anders sieht es im Randbereich des Schutzgebiets aus. Dieser umfasst ca. 5.500 Hektar, also rund 22 Prozent des Schutzgebiets. Hier wird die Ausbreitung des Buchdruckers auf einem 500 bis 1.000 Meter breiten Grenzstreifen verhindert. Die Grenze zwischen Randbereich und Naturzone ist im Gelände für Besucher nicht erkennbar – und so kann es sein, dass auf der einen Seite des Weges gearbeitet wird, während auf der anderen Seite kein Eingriff stattfindet.
Was ist das A und O beim Borkenkäfermanagement?
Der zeitliche Faktor ist das Entscheidende. Nur wenn der Befall von Fichten, dem Wirtsbaum der Buchdrucker, frühzeitig registriert und im Anschluss entsprechend gehandelt wird, kann eine Vermehrung effektiv unterbunden werden. Daher ist unsererseits eine hohe Anzahl an Personen schon allein mit der Suche nach Befalls-Flächen beschäftigt.
Was passiert, nachdem ein Befall registriert wurde?
Die mit Buchdruckern befallenen Fichten werden gefällt. Das klassische Management sieht im Anschluss vor, dass die Bäume aus dem Wald gebracht und an Sägewerke verkauft werden. Dies kann durch Harvester geschehen oder in sensiblen Bereichen auch durch Rückepferde. Da wir im Nationalpark jedoch im Vergleich zu Privat- oder Staatswäldern keine Gewinnorientierung verfolgen, wir keinen Druck auf den Holzmarkt ausüben wollen und darüber hinaus der Schutz der Natur an erster Stelle steht, kommen auch naturschonendere Maßnahmen zum Einsatz.
Denken auch über einen Hubschrauber-Einsatz nach
Wie sehen diese aus?
Es gibt zwei Varianten: Da wäre der Einsatz von Debarking-Harvestern: Das sind mit Entrindungsköpfen ausgestattete Erntemaschinen. Diese fällen die Fichten und entrinden sie im Anschluss direkt vor Ort. Fehlt die Rinde, kann sich der Buchdrucker nicht mehr vermehren. Vorteil ist jedoch, dass die Biomasse im Wald bleiben kann.
Ökologisch noch besser, dafür auch zeitaufwendiger, ist das Schlitzen von Baumstämmen. Auch hierbei werden die Fichten zunächst gefällt. Im Anschluss kommen Waldarbeiter-Trupps mit speziellen Motorsäge-Aufsätzen zum Einsatz. Diese schlitzen die Rinde streifenförmig auf kompletter Länge ein – auch dabei wird die Ausbreitung des Buchdrucks effektiv unterbunden. Jedoch kann sogar ein Teil der Rinde am Baum bleiben. So haben dutzende totholzbewohnende Pilze und Insekten – unter ihnen auch die Fressfeinde der Borkenkäfer – ein Lebensraum- und Nahrungsangebot. Zugleich werden bei dieser Methode der Waldboden und die vorhandene Verjüngung geschützt, da keine schwere Maschine in den Wald fahren muss. Diese Methode kommt in naturschutzfachlich besonders sensiblen Bereichen zum Einsatz.
Wie wird entschieden, wann welche Managementmaßnahme zum Einsatz kommt?
Natürlich ist uns besonders wichtig, die zeitliche Komponente zu berücksichtigen. Daher kommen wir in der aktuellen Situation nicht drumherum, auch Harvester einzusetzen. Anders wäre das aufgelaufene Arbeitspensum schlicht nicht zu bewältigen. Im Moment sind bis zu sechs dieser Maschinen im Einsatz, vier davon sind mit Entrindungsköpfen ausgestattet. Insgesamt sind 70 Waldarbeiter – aus der eigenen Mannschaft und von Fremdfirmen – mit dem Management beschäftigt. Insgesamt konnten wir schon 50.000 Festmeter Schadholz aufarbeiten, 20.000 Festmeter stehen noch an. Diese Befallsflächen liegen allerdings in schwer zugänglich, ökologisch wertvollen Gebieten, zum Beispiel Moorwaldstandorte. Nachdem hier keine Harvester zum Einsatz kommen können, denken wir auch über einen Hubschrauber-Einsatz nach.
Werden wahrscheinlich bei 100.000 Festmetern landen
Kann man schon abschätzen, wie sich die Buchdrucker-Situation im Jahresverlauf weiter entwickeln wird?
In Teilbereichen der Naturzone ist die erste Generation des Buchdrucker-Nachwuchses bereits ausgeflogen. Daher erwarten wir in den benachbarten Randbereichen eine weitere Befalls-Welle. Die weitere Entwicklung im Jahresverlauf ist natürlich stark von der Witterung abhängig, jedoch werden wir höchstwahrscheinlich bei einem zu bearbeiteten Volumen von über 100.000 Festmetern landen. Dazu werden wir auch in den nächsten Wochen mit allen Kräften daran arbeiten, den Buchdrucker im Randbereich zu bekämpfen. Generell gehen wir davon aus, dass wir in den nächsten zwei bis drei Jahren noch mit einem hohen Befall rechnen müssen. Dann wird sich die Situation unserer Ansicht nach entspannen.
Ist der starke Befall mit dem Buchdrucker nur im Bayerischen Wald so extrem?
Nein, die Situation ist in ganz Deutschland schwierig. Experten sprechen von einer Borkenkäferwelle, die eine Folge des Klimawandels ist. In den sächsischen Wäldern – die Fläche ist um das zwanzigfache größer als der Nationalpark – mussten seit 2018 über acht Millionen Kubikmeter befallene Fichten eingeschlagen werden. Im Jahr 2022 verzeichnete das Statistische Bundesamt in ganz Deutschland 44,7 Millionen Kubikmeter Schadholz, 60 Prozent – also 26,6 Millionen Kubikmeter – gingen auf das Konto des Buchdruckers. Zum Vergleich: 2012 waren es nur 4,8 Millionen Kubikmeter Schadholz, davon waren nur 18 Prozent von Schädlingen befallen, das sind 0,9 Millionen Kubikmeter. Das ist deutschlandweit ein extrem starker Anstieg in den vergangenen zehn Jahren.
Wie sieht die Lage in Bayern aus?
Es scheint, als ob nur noch das Alpenvorland von einem extremen Buchdruckerbefall verschont ist. Die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft in Freising bewertet regelmäßig, wie groß das Risiko eines Borkenkäferbefalls in den unterschiedlichen Regionen Bayerns ist. Grundlage hierfür sind Monitoringfallen. Enthalten diese mehr als 3.000 Buchdrucker pro Woche, geht man von einem hohen Risiko für einen akuten Stehendbefall aus. Dies ist derzeit in ganz Franken, in der Oberpfalz und in Niederbayern gegeben.
da Hog’n