Passau. Max Matheis wurde in den 60er Jahren zum Ehrenbürger der Stadt Passau ernannt. Eine dortige Straße trägt seinen Namen. Der Heimatschriftsteller, geboren 1894 in Triftern im Rottal, veröffentlichte Zeit seines Lebens Mundartgedichte, Romane und Erzählungen. Die Menschen aus dem Bayerischen Wald standen dabei meist im Fokus. Doch Matheis war einst auch Mitglied der NSDAP sowie Truppführer der SA. Er diffamierte zu Nazi-Zeiten Juden und Andersdenkende in seinen Schriften und wurde nach dem Krieg verhaftet. Aktivisten kämpfen heute gegen Nazi-Straßennamen.
„Höhe 15, Länge 57“, sagt Rosa Grünspan (richtiger Name der Redaktion bekannt), bevor sie das Maßband einrollt und von der Gartenmauer zurück auf die Straße springt. Ginge es nach ihr, würden die braunen Namen Matheis, Stockbauer und Watzlik sowie der Nazimythos Langemarck in Passau längst keine Rolle mehr spielen. „Aber leider kriegt die Stadt die Umbenennung nicht hin. Deswegen müssen wir das machen.“, meint Rosa und grinst. Mit zwei anderen Aktivisten misst sie die Straßenschilder aus, um die Alternativen aus Plastik gleich groß drucken zu können. So soll etwa aus dem Watzlikring der Sophie-Scholl-Ring werden. Zumindest für ein paar Stunden, mit etwas Glück einen Tag lang.
Ist das nicht etwas paranoid?
Es ist Mitte Januar, durch die dunklen Straßen pfeift ein eisiger Wind. Auf zur nächsten Straße. Als in der Max-Matheis-Straße eine Passantin in Sichtweite kommt, treten alle drei zügig in eine Einfahrt. Bloß keine Aufmerksamkeit erregen. Noch nicht. Nachdem alle Maße genommen sind, ist die Stimmung spürbar gelassener. Auf der Rückfahrt fragt jemand: „Das ist maximal eine Ordnungswidrigkeit und kein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, oder so? Also bloß, falls wir erwischt werden.“
In den nächsten Tagen wird alles weitere über eine Gruppe auf Signal besprochen, einem besonders sicher verschlüsselten Messenger-Dienst. Die Route steht, die Schilder müssen in den Druck. Kurz bricht Hektik aus, weil Rosas Mitbewohnerin ihr Auto jetzt doch nicht zur Verfügung stellen will. Ein anderer springt ein. Alle gesendeten Nachrichten werden nach wenigen Tagen automatisch gelöscht. Ist das nicht etwas paranoid?
„Nein“, meint Rosa. Einige aus der Gruppe wollen später mal in den Staatsdienst, da gehen sie kein Risiko ein. Auch sie hat noch viel vor. Der Vorschlag von Rosa, alle Straßen nach weiblichen Widerstandskämpferinnen und Jüdinnen zu benennen, kommt gut an. Zwei bekannte sind dabei, Sophie Scholl und Anne Frank. Die jüdische Schriftstellerin Gertrud Schloss und die weltweit erste weibliche Rabbinerin Regina Jonas, beide von den Nazis im KZ ermordet, kennt dagegen wohl kaum jemand. Rosa macht das wütend. Spricht sie über geschichtliche Aufarbeitung und Antifaschismus, merkt man sofort, wie sehr sie das Thema bewegt. Für Rosa sind Nazistraßen keine Nebensache, sondern eine Verhöhnung der Opfer des Holocausts…
Den gesamten Artikel von Nils Fleischmann gibt es bei „PAblish“ zu lesen (einfach klicken)
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„PAblish“ lautet der Name der Projektplattform des Studienganges Journalistik und Strategische Kommunikation an der Universität Passau. Während ihres Studiums können sich dabei Studierende aller Semester in verschiedenen Praxiskursen auf unterschiedlichen medialen Plattformen in den Tätigkeitsfeldern Journalismus und Public Relations ausprobieren. In Zusammenarbeit mit dem Onlinemagazin da Hog’n werden in diesem Rahmen ausgewählte Projekte der verschiedenen Kurse präsentiert.