Šumava/Böhmerwald. Es war eine besondere Fügung des Schicksals, dass Adolf Pascher (1881–1945), einer der bedeutendsten Experten im wissenschaftlichen Fachgebiet der Algologie, in der Böhmerwaldgemeinde Tusset (heute: Stožec) geboren wurde. Sowohl die Lage jenes Ortes in der unmittelbaren Nähe der Kalten Moldau sowie eines weitläufigen Moorgebietes, als auch der spätere Wohnort der Familie im Böhmerwald in Mugrau (heute: Mokrá), der sich nicht weit von dem Teich Langenbruck (heute: Olšina) befand, haben Paschers Konzentration auf die Süßwasser-Algen und somit seine naturwissenschaftliche Laufbahn an der Deutschen Universität in Prag höchstwahrscheinlich vorbestimmt.
Seine Forschungs- und Publikationstätigkeit fand jedoch nicht nur in Böhmen, sondern auch auf internationaler naturwissenschaftlicher Ebene große Resonanz.
Paschers akademische Laufbahn in Prag
Nach dem Abitur am achtjährigen Gymnasium in Krumau kam Pascher im Jahre 1900 nach Prag, um an der deutschen Karl-Ferdinands-Universität Naturwissenschaften zu studieren. Sein wissenschaftliches Interesse konzentrierte sich immer mehr auf die Botanik, insbesondere auf das Thema der Morphologie. Die Suche nach den Geheimnissen der Gestaltvariabilität, der Formenvielfalt und der Organisationsstufen im Rahmen der Evolution der Algen prägte Paschers wissenschaftliche Entwicklung. Im Jahre 1912 wurde er zum außerordentlichen Professor ernannt. 1927 erhielt er die ordentliche Professur. Ab dem Jahre 1933 war er als Leiter des Botanischen Institutes und des Botanischen Gartens der Universität tätig. Diese Stelle behielt er bis an sein Lebensende im Jahre 1945. Pascher blieb das ganze Leben der Universität – ab 1920 nicht mehr der Karl-Ferdinands-Universität, sondern der Deutschen Universität in Prag – treu.
Umfangreiche wissenschaftliche Arbeiten
Paschers größte wissenschaftliche Leistung gilt seinem Engagement für die Reform der algologischen Systematik. Bereits im Jahre 1914 formulierte er seine Vorstellung über die Organisationsstufen, das heißt: Er beschrieb die allgemeinen Regeln der Evolution sowohl der einzelligen als auch der einfachen mehrzelligen Organismen. Dieses Konzept, das Pascher in den nächsten Jahren nach und nach erweiterte und präzisierte, ermöglichte es, die Diversität der Algen und der Protisten erstmals umfassend zu verstehen und somit die Grundlage einer fundierten Algen-Systematik zu schaffen.
In diesem Kontext ist hervorzuheben, dass Pascher bereits ab 1913 sehr intensiv an der Herausgabe der umfangreichen vierzehnteiligen Monographie mit dem Titel „Die Süßwasserflora Deutschlands, Österreichs und der Schweiz“ (ab 1930: „Die Süßwasserflora von Mitteleuropa“) mitarbeitete. In diesem Werk wurde sowohl die Diversität der Algen als auch der Pflanzen der Süßwasserökosysteme vorgestellt. Dabei ist zu betonen, dass Pascher der Autor bzw. Co-Autor von fünf Teilen dieses in revidierten Editionen bis heute herausgegebenen Werkes ist.
Das Konzept der Organisationsstufen war in Paschers Schriften – im Rahmen der formalen Klassifikation der Algen – stets präsent und somit suchte er auch in späteren Jahren in der Natur weitere Entwicklungsstadien, die den Organisationsstufen seines Konzeptes entsprechen. Mit diesen bahnbrechenden Arbeiten im Rahmen des naturwissenschaftlichen Forschungsgebietes der Algologie wurde Pascher zu einem sehr produktiven international anerkannten Forscher:
„… in den 20er und 30er Jahren hat dann Pascher dank seinem Ruhm als bedeutendster lebender Algologe und dank seinem umfassenden Einfluss als Editor einiger der wichtigsten Fachzeitschriften und monographischen Reihen diese Konzeption so verbreitet, dass sie zu einer allgemein angenommenen Grundlage für die Systematik und die Evolutionsbiologie der Algen bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde.“ (Neustupa 2017)
Auch sozial engagiert
Das Material für seine vergleichenden morphologischen Studien sammelte Pascher in Gewässern und Moorgebieten in ganz Mitteleuropa. In Bezug auf Böhmen war für ihn aber gerade der Böhmerwald ein sehr wichtiges Fundgebiet und deswegen bezog er sich in einigen wissenschaftlichen Arbeiten explizit auf diese Region.
Pascher gehörte auch zu den führenden Persönlichkeiten, die im Jahre 1919 eine Spendenaktion zur Unterstützung von Studenten aus dem Böhmerwald organisiert hatten. Sein diesbezügliches Engagement beruhte sicher auf seiner eigenen Erfahrung, denn er hatte während seiner eigenen Studienzeit nur sehr geringe finanzielle Mittel zur Verfügung – und musste durch Privatstunden und Stipendien seinen Lebensunterhalt sichern.
Paschers lebendiges Vermächtnis
Paschers große wissenschaftliche Leistungen bleiben somit nicht nur unumstritten, sondern auch lebendig. Denn die Ergebnisse seiner Forschungen sind für viele nicht nur an der heutigen Karlsuniversität in Prag tätige Botaniker und Botanikerinnen – wie zum Beispiel Prof. Jiří Neustupa, von dessen auf Pascher bezogenen Arbeiten bei diesem Artikel ausgegangen wurde – nach wie vor von großer Bedeutung. Und dies nicht nur aus wissenschaftsgeschichtlicher Sicht.
Im Böhmerwald wird an Paschers außergewöhnlichem wissenschaftlichen Rang an keinem Ort erinnert. Diese Tatsache mag auch damit zusammenhängen, dass es sein Geburtshaus in Tusset (Nr. 21) als Folge der geschichtlichen Verwerfungen nach der Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung nicht mehr gibt.
Lenka Ovčáčková