Šumava/Böhmerwald. Die unermüdliche Begeisterung für die Entdeckung der mikrokosmischen Moorwelt des Böhmerwaldes hat Hans Schreiber (1859–1936) von klein auf begleitet. Die Moorlandschaften in der Nähe seines Geburtsortes Wallern (heute: Volary) und überhaupt die markante Dichte der Moore im Böhmerwald haben für seine Exkursionen die besten Bedingungen geboten. Diese besonderen Landschaften wurden ihm zu einer großen Inspirationsquelle, aus der später hervorragende wissenschaftliche Ergebnisse entsprungen sind. Allein im Böhmerwald hat Schreiber 246 Moore kartiert.
Schreibers Fachwissen über die Moorgebiete ging aber nach und nach über die Region des Böhmerwaldes hinaus und umfasste nicht nur die Gebiete Böhmens, sondern ganz Europas. Dabei ist zu bedenken, dass das Erkunden und Begehen der Moorlandschaften nicht immer einfach war:
„Es ist nicht jedermanns Sache, monatelang in Sümpfen umherzugehen, wie ich es tat, aber ich blieb dabei gesund und nenne mich nicht nur ‚Hans im Glück‘, sondern bin es auch. Die Liebe zur Sache überwindet alle Hindernisse spielend.“
(Hans Schreiber, 1927)
Einer der bedeutendsten Experten für die Moorkunde
Abgesehen von Schreibers Konzentration auf die naturwissenschaftliche Beschreibung der Moore – zum Beispiel nach ihrer Einteilung in Abhängigkeit der entstehenden Torfart, nach den bezeichnenden Moorpflanzen, der spezifischen Tierwelt oder nach dem Aufbau des Moores – befasste er sich auch mit deren land- und forstwirtschaftlichen Beziehungen (mit der Bewässerung, der Bodenbearbeitung oder der Düngung) sowie in technischer Hinsicht zum Beispiel mit der Gewinnung von Brenntorf oder der Erzeugung von Torfstreu.
Welche Gegebenheiten haben die so besonders tiefgehende wissenschaftliche Verankerung des Naturforschers Hans Schreiber in dem Fachgebiet der Moorkunde bewirkt? Das Studium der Physik, der Botanik und der Geologie an der Deutschen Technischen Hochschule und der Deutschen Universität Prag gab Schreiber die besten Grundlagen, um später als naturwissenschaftlich vielseitiger und dementsprechend beliebter Lehrer tätig zu sein.
Nach seiner Lehrtätigkeit an einer Obrerrealschule in Wien und an der Höheren Landwirtschaftlichen Lehranstalt in Tetschen-Liebwerd (heute: Děčín-Libverda) war es schlussendlich eine ideale Fügung des Schicksals, dass Schreiber 30 Jahre lang als erster Direktor der 1895 gegründeten Landwirtschaftlichen Winterschule in Staab (heute: Stod) wirken konnte. Diese Stellung ermöglichte es ihm, im Winter fünf Monate zu unterrichten – und während der restlichen sieben Monate seinen Forschungen im Bereich der Moorkunde nachzugehen:
„Alle freie Zeit benützte ich zu Studienreisen in die Moorländer Europas. Mit Ausnahme zu den 3 Reisen nach Skandinavien, in die Ostseeländer und Norditalien benützte ich das Zweirad, mit dem ich durch die ganze Schweiz, Frankreich, Belgien, Niederlande und Süddeutschland reiste.“
(Hans Schreiber, 1927)
Das bereits erwähnte unermüdliche Engagement von Schreiber im Bereich des Moorwesens brachte bald viele Früchte, und zwar nicht nur in Form von bahnbrechenden Publikationen, sondern auch in Bezug auf die institutionelle Verankerung dieses Forschungsbereiches. Zudem hat er sich als einer der ersten für den Schutz der Moore eingesetzt.
Moorverein, Moorzeitschrift und Volkshochschule
Während Schreibers Wirken in Staab (seit 1895) wurde das Sebastiansberger Moor im Erzgebirge für ihn ein besonders wichtiges Tätigkeitsfeld. In Sebastiansberg übernahm er 1899 die Leitung der von ihm in diesem Jahr eingerichteten Moorkulturstation. Ein Jahr später gründete er in Salzburg den deutsch-österreichischen Moorverein und betreute 15 Jahre lang die Herausgabe der Moorzeitschrift.
Schreibers naturwissenschaftlicher Ortsbezug war aber nach wie vor sehr eng auch und insbesondere mit dem Böhmerwald verbunden und spiegelte sich dementsprechend in seiner populärwissenschaftlichen Tätigkeit wider. Neben seinen Forschungsarbeiten und Publikationen im Bereich der Volkskultur des Böhmerwaldes ist sein Engagement für die Gründung der Böhmerwäldler Volkshochschule in St. Margarethenbad bei Prachatitz (heute: Prachatice) im Jahre 1921 hervorzuheben.
Mitbegründer des Böhmerwaldmuseums in Wallern
Bereits im Jahr 1907 bemühte er sich um die Gründung eines Böhmerwaldmuseums in Wallern. Dieses Vorhaben konnte er aber erst 1923 in Oberplan (heute: Horní Planá) – in Kooperation mit dem Ethnografen Gustav Jungbauer – verwirklichen. Hans Schreiber hat sich nicht nur maßgeblich an der Gestaltung der geologischen, botanischen und mykologischen Abteilungen beteiligt, sondern widmete dem Museum auch viele naturwissenschaftliche Exponate aus seiner eigenen Sammlung.
Eine Besonderheit dieses Museums stellte Schreibers Exposition in der sogenannten Torfstube dar, in der das Thema der Moorkunde und der Torfwirtschaft sehr vielschichtig präsentiert wurde.
Nach Schreibers Tod im Jahre 1936 wurde ein Raum im Museum seiner Person und seiner wissenschaftlichen Tätigkeit gewidmet: die Hans-Schreiber-Stube. Die dazu gehörige Bücherei aus Schreibers Sammlung beinhaltete an die 2.000 Bände.
Das Wirken von Hans Schreiber wird im Böhmerwald weder in Form einer Gedenktafel noch eines Denkmals vergegenwärtigt und gewürdigt. Sein Name wird nur auf dem Grabstein der Familie festgehalten, der unzerstört geblieben ist und sich im Ortsfriedhof von Wallern befindet.
Lenka Ovčáčková
Im Rahmen des Projekts „History of Natural Sciences in the Czech Lands“ hat Lenka Ovčáčková (wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Philosophie und Geschichte der Naturwissenschaften der Karlsuniversität Prag) zehn deutschsprachige Naturwissenschaftler aus dem Böhmerwald porträtiert (vom Mittelalter bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts), die das Onlinemagazin da Hog’n im Rahmen einer Serie seinen Leserinnen und Lesern präsentiert.
Schön zu lesen, dass nicht alles vergessen geht. ;)
Er war der Bruder meines Urgroßvater.