Waldkirchen. Unter den Landwirten ist Christian Baumgartner ein A-Promi. Rund um Waldkirchen, weil die größte Stadt des Landkreises Freyung-Grafenau sein Heimatort ist, in dem er als Fachtierarzt für Rinder inzwischen wieder freiberuflich wirkt. Überregional, weil der 63-Jährige jahrelang als Geschäftsführer des Milchprüfringes tätig war. Soweit zu den Eckdaten. Denn insgesamt führte der Waidler bisher ein ereignisreiches Leben, das auf keine Kuhhaut mehr geht – im positiven Sinne.
Sein Studium war nicht selbstverständlich
Es begann zunächst unspektakulär. Christian Baumgartner wuchs in Waldkirchen auf, besuchte die hiesige Grundschule und das Gymnasium. Dass er überhaupt die Abzweigung in Richtung Akademiker-Laufbahn nehmen konnte, war in seiner Jugendzeit – in einer Familie mit zwei Kindern – keine Selbstverständlichkeit. „Eigentlich hieß es: Für mich ist, was ein Studium betrifft, kein Geld da“, blickt der 63-Jährige zurück – und fügt sogleich mit einem Schmunzeln hinzu: „Aber wie man sieht, habe ich mich durchgesetzt.“
Zunächst interessierte ihn vor allem die Biologie. Da er aber in diesem Fachbereich in Bayern keinen Studienplatz bekam, entschied er sich für die Veterinärmedizin. „Weil auf dem Land logischerweise die Berührungspunkte mit Tieren sehr groß sind. Und weil ein Tierarzt viele Schnittpunkte mit der Biologie hat.“ Seiner ursprünglichen Meinung zufolge sei der diagnostische und therapeutische Umgang mit Vierbeinern einfacher, „da bei den Menschen die Verantwortung zu groß wäre“. Diese Haltung hat er aber schnell geändert. „Leidende Tiere sind genauso schlimm. Ich bin meinem Beruf, nur weil es sich um Tiere handelte, nicht weniger gewissenhaft nachgegangen.“
Mehr und mehr kristallisierte sich die Veterinärmedizin nicht nur als Beruf, sondern als Berufung heraus – wenn Christian Baumgartner seiner Passion auch in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen nachging. Nach seinem erfolgreichen Abschluss tourte er zunächst als gewöhnlicher Tierarzt durch den Freistaat, ehe er beim Tiergesundheitsdienst Bayern landete. „Dort war ich fast ausschließlich in beratender Funktion für Bauern tätig“, erinnert sich der Waidler. Er erstellte dabei mikrobiologische Befunde bei Milchkühen, prüfte in diesem Zusammenhang auch Melkmaschinen und setzte sich mit Viruserkrankungen auseinander.
Die Schiedsrichter der Landwirte
So ganz zufrieden war er mit diesem Job allerdings nicht. „Ich war nicht ganz auf einer Linie mit meinem Vorgesetzten. Er wollte, dass ich mich hauptsächlich um das Thema Unfruchtbarkeit kümmere. Aus meiner Sicht wäre ich aber dann in Konkurrenz zu den praktizierenden Tierärzten gestanden. Und das wollte ich nicht.“ Über Kontakte wurde er darauf aufmerksam, dass der Milchprüfring einen neuen Geschäftsführer suchte. Nach anfänglichen Bedenken („ein zu politischer Job„) entschied er sich aber dann doch, das Angebot anzunehmen. Eine Entscheidung, die er bis heute nicht bereut hat.
„Wenn man so will, war ich der Schiedsrichter der Landwirte“, umschreibt Baumgartner sein Tätigkeitsfeld, das er bis Ende 2021 bearbeitete. Seine Mitarbeiter und er waren bzw. sind das Kontrollorgan für Milch, die von den Molkereien direkt beim Bauern abgeholt wird. In regelmäßigen Abständen werden vom Milchprüfring Faktoren wie Fett und Eiweiß sowie generell die Qualität überprüft.
„Zweibeinige Rindviecher“
Christian Baumgartner liebte vor allem den direkten Umgang mit den Landwirten – auch wenn er manchmal schlechte Nachrichten überbringen musste. „Ich habe mehr und mehr festgestellt, dass Rindviecher auch ganz oft zweibeinig daherkommen. Damit meine ich aber keinesfalls die Landwirte, sondern manche Vertreter der Verbände und der Politik.“
Nach seiner berufsbedingten, fast 40 Jahre andauernden Reise durch Bayern, kehrte er nach seiner Pensionierung in die Heimat zurück. „Es war für mich immer vorstellbar, dass ich wieder in Waldkirchen lebe. Fest geplant war es allerdings nicht.“ Doch der Bayerwald, wo er früher gerne zuhause war und auch als Gewichtheber von sich reden machte, lockte ihn einfach zu sehr. Und wiederum hat er im Rückblick alles richtig gemacht. „Ich muss aufpassen, nicht zu sehr ins Schwärmen zu geraten – aber: Wie sich der Woid entwickelt hat, ist phänomenal“, macht Baumgartner deutlich und berichtet von endlosen, aber gleichzeitig kurzweiligen Radtouren durch die Natur.
„Kühe gewissermaßen Vorbilder für Menschen“
„Die Lebensqualität hier ist deutlich höher als in der Stadt“, betont er und blickt dabei auch auf den Fortschritt der regionalen Wirtschaft. „Ich verstehe inzwischen, warum immer mehr Städter aufs Land ziehen wollen.“
Christian Baumgartner ist mit sich selbst im Reinen. Grund hierfür ist auch ein durch und durch positiver Blick auf die Rinder, stete und treue Wegbleiter seines bisherigen Lebens. Einerseits ist er deshalb weiterhin als Tierarzt – genauer gesagt: als Facharzt für Rinder – aktiv, obwohl er es eigentlich nicht mehr müsste. Er will einfach „etwas zurückgeben“, zudem hat er ein Start-Up im Bereich der Milchanalytik mit einem jüngeren Kollegen gegründet. Andererseits faszinieren ihn Rinder an sich mehr denn je. „Kühe sind auf keinen Fall blöd. Sie sind einfach anders als Menschen. Sie sind Vagotoniker, also unglaublich gechillt und somit auch irgendwie Vorbild für uns Zweibeiner.“
Helmut Weigerstorfer