Ich stand mal, spätabends, vor einem dieser Schnellimbisse. „Asia Noodles“ hieß der. Vor mir in der Schlange standen zwei Inder, die ihre Bestellung von einer Serbin serviert bekamen. Sie unterhielten sich auf Englisch. Stattgefunden hatte dieses Spektakel transkultureller Kommunikation in Österreich. Jeder war zufrieden, machte seinen Job oder mampfte sein Glutamat. Vorausgesetzt alle Beteiligten lassen sich auf dieses Globalisierungs-Gedöns ein, funktioniert das meist recht reibungslos – und ohne, dass sich die Beteiligten darüber groß den Kopf zerbrechen.
Und dann gibt’s da die andere Fraktion, die dem Globalisierungs-Gedöns dann doch eher mit – sagen wir mal – einer gewissen Skepsis gegenüber tritt. Die gerne das Abendland vor seinem vermeintlichen Untergang bewahren möchten. Die allerorts Weihnachtsmärkte sterben sehen und hinter jedem Islam-Kindergarten eine Terrorzelle vermuten. Auch diese Menschen müssen essen.
Auf dem Weg zur Macht braucht es ideologische Flexibilität
Und das tun sie. Auch, wenn es thematisch manchmal etwas – sagen wir mal – aneckt. Wenn beispielsweise die Vorsitzende der AfD-Landtagsfraktion Katrin Ebner-Steiner ausgerechnet im Waldkirchener Eiscafé „Venezia“ zum Gespräch lädt. Ebner-Steiner, nicht gerade berühmt berüchtigt dafür, dass sie Neuankömmlinge mit offenen Armen empfängt. Aber wer kann bei so einem echt italienischen Gelato schon Nein sagen?
Als sich der AfD-Rechtsrechtsaußen Björn Höcke im Juni vergangenen Jahres nach Bayern bequemte, suchte er sich dafür das „Aurelium“ in Lappersdorf bei Regensburg aus. Slogan: Raum für Kultur und Begegnung. Endgültig die Peking-Ente abgeschossen hatte aber wohl AfD-Bundestagsabgeordneter Petr Bystron (übrigens tschechischer Herkunft, aber egal): Er referierte im Juli im Passauer Chinarestaurant „Mandarin“ über „Asylchaos und soziale Gerechtigkeit“.
Dass AfD-Dreifach-Rechtsaußen Ralf Stadler nun sein Freyunger Bürgerbüro ausgerechnet neben einem griechischen Restaurant in Betrieb genommen hat, wirkt auch – sagen wir mal – konträr zur eigenen Ideologie. Wir erinnern uns: 2016 urteilte AfD-Chef Alexander Gauland über den Nationalspieler Jerome Boateng: „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“ Wie heißt es doch immer so schön: Auf dem Weg zur Macht braucht es ideologische Flexibilität.
Aber Hauptsach‘ es schmeckt…
Aus solchen Fauxpas lässt sich meiner Meinung nach aus AfD-Sicht auf drei Motive schließen – erstens das kulinarische. Mit Migration und Neuankömmlingen haben’s die Herren und Damen der sogenannten Alternative für Deutschland zwar nicht so, aber tagein tagaus Knödel mit Kraut ist schließlich auch keine Perspektive. Das Motto in so einem Fall: „Ausländer raus – aber Hauptsach‘ es schmeckt“.
Dann gibt’s, zweitens, das – sagen wir mal – etwas in die Jahre gekommene Kolonialherren-Motiv: „Ausländer sind den Deutschen in Geist, Kultur, Leistung und Motorik unterlegen – aber zum Essen servieren reicht’s“. Das ist eine böse Unterstellung, beinahe geschmacklos – also schnell weiter zum (deutlich freundlicheren) dritten Motiv: das poetisch-lyrische.
Dieses funktioniert so, dass die Widersprüchlichkeit des eigenen Handelns mittels Reim und Versmaß geschickt kaschiert wird. Die Reimerei tauft man anschließend Hochkultur – und die Wan-Tan-Taschen flutschen runter, dass selbst der Chinese vor Neid erblasst.
Mit vollem Munde reimt man nicht
Zur Erläuterung ein paar Beispiele. „Am deutschen Tresen soll die Welt genesen – und kurz vor’m Abkotzen hol‘ ich noch was vom Chinesen“. Für die Dialekt-Lyriker hier: „Lieber Inder, ich ess‘ zwar gern dein Naan – aber danach schleich‘ die bitte wieder haam“. Für die Günstlinge der anatolischen Handsemmel: „Döner-Kebab, alles lecker – trotzdem lieber Türke, nach dem Abwasch, ab nach Mekka!“. Und für jene AfD’ler, die es zufällig nach afrikanischer Küche lustet: „Shiro, Beyaynetu, Dulet, Doro Wot und dazu äthiopisch Brot – aber dann lieber Chefkoch, steig‘ doch bitte wieder in dein Boot“.
Inwiefern diese drei Motive hinreichend sind, um die thematisch-kulinarische Spannung zwischen Ideologie und Veranstaltungsort zu erklären, weiß ich nicht. Vielleicht ist die trivialere Erklärung folgende: Dass sich selbst die größten Verfechter der Bewahrung „deutscher Identität“ (was auch immer das sein soll) irgendwo eingestehen müssen, dass es dieses homogene Deutschland, das sie sich täglich herbeisehnen, so einfach nicht gibt – und noch nie gegeben hat. Und, sorry: Das wird sich auch in den nächsten 1.000 Jahren nicht ändern. Was einmal bunt war, bleibt bunt. Und jenen Patrioten, denen vor Empörung gerade die Kartoffel aus dem Mund plumpst, sei lediglich mitgeteilt: Die kommt aus Südamerika! Zwinkersmiley.
Glosse: Johannes Greß
Nicht, daß ich ein Verehrer von Franz Josef wäre. Man muß sich die Typen nur ansehen, hat er über die Bundestagsabgeordneten gesagt.