FRG. Die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz bewirken nach Ansicht von Freyung-Grafenaus Landrat Sebastian Gruber einen Dauer-Lockdown für das Grenzland. Er fordert daher ein „Sonderprogramm Grenzlandkreise“. Auch der Landtagsabgeordnete Manfred Eibl (Freie Wähler) sieht die Grenzregion benachteiligt.
„Der Grenzraum wurde bei den weiteren Schritten vollkommen außer Acht gelassen“, heißt es in einer Pressemitteilung des Landratsamts Freyung-Grafenau. Der vorgegebene Rahmen des Bundes und die Konkretisierungen des Freistaats würden für die Grenz-Landkreise bedeuten: „Wir verharren im status quo und wir befinden uns in einem Dauer-Lockdown.“ Durch Öffnungen in Abhängigkeit der Inzidenz gebe es nun eine Eingruppierung in gute und in schlechte Regionen. „Das ist eine Katastrophe für die Grenz-Landkreise“, zeigt sich Landrat Gruber empört. Die Pressemitteilung des Landrats im Wortlaut:
„Es geht nicht um blindes Öffnen“
„Wir haben im Grenzraum eine Sonder-Situation, die Sonder-Maßnahmen erfordert. Wir brauchen ein ‚Sonderprogramm Grenzlandkreise‘. Darauf haben wir in den vergangenen Wochen mehrmals aufmerksam gemacht. Die Grenz-Landräte haben dazu mehrere Punkte vorgeschlagen unter der Überschrift ‚Sicherheit und Perspektive für Ostbayern‚. Wir wurden zwar freundlich gehört, aber – mit Ausnahme von 1.000 zusätzlichen Impfdosen – ist davon bis dato nichts berücksichtigt worden.
Es geht nicht um blindes Öffnen. Es geht nicht darum, bei hoher Inzidenz zu den gleichen Rahmenbedingungen zu öffnen, wie andere Regionen, das ist vollkommen klar. Um hohe Inzidenzen zu kompensieren, braucht es eine Sonder-Strategie für die Grenzregion bei der Immunisierung, bei den Testkonzepten, bei den Zugangsmöglichkeiten zum Einzelhandel, zur Gastronomie, bei den Grenzpendlern usw. Testen muss generell und viel mehr ein Anreiz sein, um bestimmte Dinge wieder zu ermöglichen – in der Schule, im Einzelhandel, in der Gastronomie uvm. Die jetzige Öffnungs-Matrix beinhaltet weder die Berücksichtigung der Grenzregionen noch faire Rahmenbedingungen.
Zwei Beispiele, welche Folgen die jetzige Situation haben wird:
Schule und Kinderbetreuung: Die Vergleichbarkeit von Bildungschancen und Abschlüssen ist nicht mehr
gewährleistet. Neben den Abschlüssen wird die psychische Belastung für die gesamte Schulfamilie von Woche zu Woche größer.
Einzelhandel/Gastronomie: Die Menschen werden nach wochenlangen Entbehrungen, noch dazu bei frühlingshaften Temperaturen, konsumfreudig sein und einkaufen wollen, ja teilweise müssen. Es ergibt sich also ein Einkaufstourismus, konzentriert in bestimmten Regionen, Schlangen vor Geschäften, erhöhte Frequenz im öffentlichen Raum usw. Die Menschen werden ihre Einkaufsbedürfnisse im geöffneten Einzelhandel, somit aber nicht im Heimat-Landkreis erledigen (können). Die Einzelhändler haben volle Lager und bleiben auf den Waren sitzen, mit vielen weiteren Folgen. Kaufkraft geht verloren.
Mir ist durchaus bewusst, dass es einfacher ist: Die einen auf, die anderen zu. Mir geht es auch nicht um kurzfristige, schnelle und unüberlegte Öffnungen. Mir geht es in erster Linie darum, dass Aufenthaltsqualität, Leben und Nahversorgung in unseren Städten, Märkten und Gemeinden nicht verschwindet. Unsere kleinen, aber feinen Ortskerne zeichnet in der Regel ein Mix aus Einzelhandel, Gastronomie, Dienstleistung und gesellschaftlichem sowie kulturellem Leben aus. Mitunter durch erheblicher Unterstützung des Freistaats Bayern ist es den Kommunen in den letzten Jahren gelungen, diese Qualität und diesen Standard zu schaffen.
Eine Wiederbelebung von Innenstädten und Ortskernen ist generell eine Mammutaufgabe, im ländlichen Raum aber noch schwieriger als in größeren Städten. Die Pandemie an sich ist eine Bewährungsprobe für die gesamte Gesellschaft. Sie stellt aber auch und gerade die grenzüberschreitende Zusammenarbeit vor eine Zerreißprobe. Mit dem jetzigen Vorgehen befindet sich die Grenzregion leider dort, wo sie schon einmal war: Mit dem Rücken zur Wand.“
Eibl: „Darf keine Benachteiligung für Grenzregionen geben“
„Landkreise wie Freyung-Grafenau, Passau und Regen sind die klaren Verlierer“, moniert auch FW-Landtagsabgeordneter Manfred Eibl nach Bekanntgabe der neuesten Beschlüsse des Bayerischen Kabinetts am Donnerstagnachmittag. In seiner Pressemitteilung heißt es:
„Die Grenzlandkreise zu den Nachbarländern Tschechien und Österreich werden höhere Inzidenzwerte aufweisen als andere Regionen. Das liegt nicht am Verhalten der hier Ansässigen. Aber sie sind automatisch benachteiligt, weil durch den erhöhten Inzidenzwert die Öffnungsschritte ausbleiben werden.
Was es heißt, von einer Zahl abhängig zu sein, haben vergangene Woche besonders die Eltern und Kinder zu spüren bekommen. Viele Kinder durften wieder nach langer Zeit die Schule besuchen, aber leider nur, wie z. B. im Landkreis Passau, für einen einzigen Tag. Seither sind Schulen und Kitas wieder bis auf Weiteres geschlossen. Wie sollen Kindergartenkinder das verstehen? Auch Schüler ohne Aussicht auf Präsenzunterricht sind gegenüber anderen im Nachteil.
Nur eine umfassende und intensive Test- und Impfstrategie in den Grenzregionen kann Abhilfe schaffen. Sonst bleiben wir abgehängt. Ein Dauer-Lockdown trifft auch den Einzelhandel, Gastronomie, Hotellerie und Tourismus in nicht hinnehmbarer Weise.
„Gleiche Chancen für alle“
Es dürfe nicht nur auf die Inzidenz geschaut werden. Ich fordere ganz klar gleiche Chancen auf Lockerungen für alle Bürgerinnen und Bürger in Bayern.“
da Hog’n