Passau. Niederbayerns Wirtschaft ächzt zunehmend unter der Coronakrise und dem derzeit weitreichenden Lockdown. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Konjunkturumfrage der IHK Niederbayern unter den Betrieben aus Industrie, Handel, Dienstleistung und Tourismus. „Die Krise weitet sich aus und die Zukunftsaussichten haben sich verschlechtert“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Alexander Schreiner. Gerade bei Kleinunternehmen und Soloselbständigen steige die Gefahr der Geschäftsaufgabe. In den betroffenen Branchen sinkt nach seinen Worten auch die Zustimmung zur Krisenpolitik der Regierung merklich. Ein Lichtblick ist die Industrie: Sie zeigt laut Schreiber eine „hohe Widerstandskraft“.
Der IHK-Konjunkturklimaindikator, der die aktuelle Lage und die zukünftigen Erwartungen miteinander verrechnet, ist im Vergleich zur vorangegangenen Umfrage um 13 Punkte auf einen Stand von 93 gefallen. Das ist nach Angaben der IHK ein spürbarer Rückgang. Allerdings liegt dieser zentrale Indikator immer noch klar über dem historischen Tiefstand von 78 Zählern, der im Mai vergangenen Jahres erreicht wurde.
„Das sind alarmierende Werte“
Die schwierige Lage drückt auf die Stimmung in der Wirtschaft. „Gerade in den Rückmeldungen der besonders betroffenen Unternehmen aus Bereichen wie Hotellerie, Gastronomie, Freizeit-, Kultur-, Messe- und Kreativwirtschaft spürt man viel Frustration und Verdrossenheit“, berichtet Schreiner. So erwarte nur jeder vierte Tourismusbetrieb für die nähere Zukunft eine Verbesserung – während mehr als die Hälfte mit einer weiteren Verschlechterung rechnet. 82 Prozent haben sinkende Umsatzerwartungen, 20 Prozent sehen sich akut in ihrer Existenz bedroht. „Das sind alarmierende Werte. Sollte der Lockdown nicht in absehbarer Zeit beendet oder zumindest gelockert werden, könnte es in der Tourismusbranche zu etlichen Unternehmenspleiten und Geschäftsaufgaben kommen“, warnt Schreiner.
Endgültig zu den großen Krisenverlierern gehört laut IHK Niederbayern zudem der Handel. Nur noch die Hälfte berichtet von einer guten oder zumindest befriedigenden Geschäftslage. Darunter fallen insbesondere der Lebensmittel- und Onlinehandel. In allen anderen Betrieben ist die Stimmung schlecht. Bereits jetzt sind bei jedem zweiten Betrieb Umsatzrückgänge von bis zu 25 Prozent aufgelaufen und über 60 Prozent der Händler erwarten im laufenden Jahr ähnlich hohe Verluste. Dass die Kauflaune der Verbraucher eingebrochen ist, verschärft die Lage zusätzlich. Im Vergleich zur vorherigen Umfrage hat sich im Handel der Anteil der Pessimisten daher verdoppelt.
„Industriebetriebe von der Krise nur wenig betroffen“
Positiver ist die Lage in der niederbayerischen Industrie: „Drei Viertel der Industriebetriebe sehen sich von der Krise bisher nur wenig betroffen. Die Branche kann ihren Aufwärtstrend fortsetzen, die Beurteilung der aktuellen Geschäftslage ist fast so gut wie im Januar 2020. Gerade der Fahrzeugbau hat sich stabilisiert, das ist ein wichtiges Signal“, findet Schreiner. Wie fragil aber diese Entwicklung ist, zeigt der Blick auf die Investitionspläne in der Industrie: Hier zeige sich kein Aufbruch, Investitionen liegen weiterhin auf Eis.
Auch innerhalb der Branche gibt es Unterschiede, etwa in der Bauwirtschaft. Diese Unternehmen kamen bisher recht robust durch die Krise, doch nun melden die Betriebe Auftragsrückgänge von bis zu 70 Prozent und die Lagebeurteilung bricht folglich ein. „Insgesamt zeigt sich, wie stark der Lockdown und die damit verbundenen Einschränkungen die Substanz der heimischen Betriebe angreifen. Durch die enge Verflechtung und die vielfältigen Beziehungen untereinander steigt die Gefahr von Ansteckungseffekten. Das belegten, so Schreiner, etwa die 82 Prozent der Unternehmen, die stornierte oder weggebrochene Aufträge beklagen. Jeder vierte Betrieb kämpft demnach mit Liquiditätsengpässen und acht Prozent befürchten eine Insolvenz.
„Die Wirtschaft braucht dringend Planungssicherheit“
Eine klare Forderung richtet die IHK Niederbayern mit ihren über 81.000 Mitgliedsunternehmen an die Politik: „Was die Wirtschaft jetzt dringend benötigt, sind ehrliche Ansagen, Planungssicherheit und letztlich eine konkrete Öffnungsperspektive“, sagt Hauptgeschäftsführer Schreiner. Ein kurzfristiges Hin und Her zwischen teilweiser Öffnung und erneuter Schließung würde die Wirtschaft hingegen komplett zermürben. Lösungen mit Eigenverantwortung für die Unternehmen, wie sie beispielsweise gerade der Handel und die Gastronomie bereits vorgelebt hatten, sollten demnach die Leitlinie für einen Aufbruch aus dem Lockdown sein. „Denn die Zeit läuft für viele Unternehmen ab. Sie sitzen bei der Liquidität auf dem Trockenen, der Weg zur Pleite ist dann nicht mehr weit“, so der Chef der Kammer.
da Hog’n/obx-News