Bayern/Europa/Welt. Es herrscht #AlarmstufeRot in der Veranstaltungsbranche, in der Kunst- und Musikszene. Hinter dem Hashtag verbirgt sich „das Bündnis der einflussreichsten Initiativen und Verbände der deutschen Veranstaltungswirtschaft“, wie auf der dazugehörigen Website zu lesen ist. „Wir stellen konkrete Forderungen an die Regierung. Die Veranstaltungswirtschaft benötigt dringend eine Perspektive, um den sechstgrößten Wirtschaftszweig Deutschlands mit 130 Mrd. Euro Umsatz sowie über 1 Mio. Beschäftigten vor dem Untergang zu retten.“
Am gestrigen Mittwoch, dem Tag der Verkündung des ab kommender Woche geltenden Quasi-Lockdowns, auf den sich Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Bundesländer geeinigt haben, sind tausende Anhänger der Veranstaltungsbranche durch Berlin gezogen, um für umfassendere staatliche Hilfen in der Coronakrise zu demonstrieren.
„Sollten mal lernen, mit der Gage vernünftig umzugehen“
Unter dem Hashtag #AlarmstufeRot finden sich aktuell zahlreiche Posts in den sog. Sozialen Medien, darunter auch ein mittlerweile tausendfach von mehr oder weniger prominenten Künstlern (u.a. Bastian Pastewka, Ralf Schmitz etc.) und Mitgliedern der Branche geteilter und an die Bundesregierung adressierter Offener Brief. Darin ist unter anderem zu lesen: „Sie haben Maßnahmen beschlossen, die für uns faktisch einem Berufsverbot gleichkommen. Als Teil der Bewegung #alarmstuferot prangern wir an, dass wir bereits seit sieben Monaten auf konkrete und zielführende Entscheidungen warten.“
Auch der Hutthurmer Comedian Martin Frank hat das Schreiben auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht. Dabei entstand eine Diskussion zwischen ihm und einem Facebook-Nutzer, in die sich auch Musiker Sebastian Hackl („Tom und Basti„) einklinkte, die wir im Folgenden auszugsweise (ohne Rücksicht auf Rechtschreibung) wiedergeben möchten:
FB-Nutzer: „Carolin Kebekus, Micky Beisenherz, Herr von Hirschhausen haben auch noch Grund sich zu beschweren… Ob man will oder nicht; die sind doch ständig im fernsehen präsent und ich will gar nicht wissen, welche Summen da verdient werden…. Da muss eine Pflegekraft ziemlich viele Windeln wechseln um das einmal vorsichtig auszudrücken… Vielleicht sollten manche Künstler einmal lernen mit der verdienten Gage vernünftig umzugehen…
In dieser Zeit haben wir nun einmal gelernt, dass wir manche Berufsgruppen eben als wichtiger empfinden als so manchen selbsternannten Künstler. Viele Künstler haben sich in ihren Soloprogrammen über Menschen und deren Berufe lustig gemacht… (…) Mir ist eine Krankenschwerster oder ein Altenpfleger wichtiger als mancher dieser oft sehr überheblichen Comedians… Ich habe auch mehr Achtung vor den Aushilfen in der Systemgastronomie, die sich allerhand gefallen lassen müssen um ihren sehr geringen Lohn zu verdienen.
Viele dieser Künstler wollen doch „freie Künstler“ sein… und jetzt soll der Staat, sprich der Steuerzahler dafür zahlen??? Für mich gibt es sehr wohl systemrelevante Berufe, die unsere Unterstützung brauchen…übrigens auch nach Corona…und wenn ich einzelne Künstler unterstützen möchte, gibt es in Deutschland kein Gesetz, dass mich daran hindert… Ich persönlich vermisse die wenigsten Comedians…
Das gilt aber nicht für Sie Herr Martin Frank…und auch nicht für die Gruberin…“
Martin Frank: „Weiß nicht, wie oft ich das noch sagen muss!“
Martin Frank: „Es freut mich, dass Sie mich gerne auf der Bühne sehen. Trotzdem kann ich Ihren Kommentar so nicht stehen lassen. Es mag sein, dass eine Carolin Kebekus z.B. keinen Grund zur finanziellen Sorge haben muss. Aber erstens brauchen wir diese prominenten Kollegen um Aufmerksamkeit zu bekommen (…), zum anderen geht es nicht nur um Künstler.
Ich weiß nicht, wie oft ich das noch sagen muss! Hinter uns Künstler stehen sehr viele sehr wichtige Menschen. Techniker für Licht und Ton, Caterer, die Rentnerin oder Studentin an der Garderobe die sich so ihre Rente aufbessern oder ein Studium finanzieren muss und und und… Deshalb fehlt mir mittlerweile echt das Verständnis, wenn man sich ständig auf die prominenten Kollegen oder Künstler einschießt! Wir sind das Sprachrohr für alle hinter den Kulissen.
Mit Ihrer Kritik sprechen Sie all diesen Menschen das Recht ab, auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Ich bin der Meinung, jeder der in diesem Land seine Steuern zahlt – ob das eine Pflegekraft, ein Tontechniker oder ein Künstler ist – hat ein Recht darauf. Der Steuerzahler zahlt für die Lufthansa, ein Mautdebakel und was weiß ich noch alles. Und ob Sie es glauben oder nicht aber auch wir Künstler zählen zu diesen Steuerzahlern. Der Staat bittet auch uns ordentlich zur Kasse. Für uns gelten keine anderen Regeln. Aber diese Diskussion zeigt, wie wenig die Bevölkerung aber eben auch die Politik über die Kulturbranche Bescheid weiß! Das ist sehr traurig!“
Sebastian Hackl: „All das nahmen wir hin und haben uns arrangiert“
Sebastian Hackl: (…) Es ist so, dass auch ich mich in dieser Situation befinde. Ich bin auch ein sogenannter selbsternannter Künstler, der mit seinem Geld besser hätte wirtschaften sollen. Und ob Sie es glauben oder nicht. Ich habe gewirtschaftet. Und zwar eigentlich sehr gut. Ich habe es geschafft, von meiner „Kunst“ zu leben. Ich habe davon meinen Kredit für mein Haus bezahlt, meine Familie ernährt, mich privat versichert und meine Steuern bezahlt. Ich habe dadurch ein geregeltes Leben führen können. Ich habe Pläne aufgestellt und Prognosen für die Zukunft gemacht. (…)
Dann kam der erste Lockdown. Jeder in der Kunst und Kulturbranche hatte dafür Verständnis. Alle haben mitgemacht und, obwohl wir am stärksten betroffen waren, im Internet für alle Gratislivestreams angeboten und Mut gemacht. Es war für alle klar, dass wir daheim bleiben müssen. Man hätte auch Veranstaltungen ohne Hygienekonzept nicht durchführen können. Das war allen klar. Aber alle in der Szene haben dann ihre Hausaufgaben gemacht. Alle haben aktiv überlegt, wie man Konzerte sicher machen kann. Veranstalter haben investiert. Es wurde keine Veranstaltung ohne die Absegnung der Behörden abgehalten. Wir spielten vor Autos, wir spielten in riesigen Hallen die leer wirkten, weil nicht viele rein durften. Die Saalmiete wurde natürlich trotzdem voll bezahlt. Wir spielten vor Leuten zwischen denen Plexiglasscheiben aufgestellt wurden. Wir spielten vor Menschen, bei denen man nicht mal mitbekommen hatte, dass sie lachen, weil jeder eine Maske trug.
All das nahmen wir hin und haben uns arrangiert. Wir haben uns auch damit arrangiert, dass wir nicht mehr so viel verdienen. Das ist hald jetzt einfach so. Aber dass wir jetzt, trotz aller Maßnahmen, wieder die Buhmänner sind, das ist nicht gerecht. Es ist nicht fair, wenn einzelne Firmen Milliardenbeträge hingeschmissen bekommen, nur damit diese weiterhin das Geld zum Fenster rausblasen können. Man könnte nämlich jetzt, lt. ihrer Argumentation, auch sagen: Hat die Lufthansa nicht richtig gewirtschaftet? Hätten sie vielleicht mal mit den damals verkauften Flugtickets gehaushaltet. Dafür habe ich leider kein Verständnis. Warum wird eine einzelne Firma gefördert, die Misswirtschaft betreibt und andere werden in den Abgrund gestürzt?
Und der Vergleich mit Pflegepersonal hinkt gewaltig. Ich denke, es steht für alle außer Frage, dass Pflegepersonal natürlich wichtiger ist als z. B. ein Künstler oder ein Verkäufer. Aber auch diese werden von der Regierung ignoriert.
(…) Stellen Sie sich vor, ihr Geschäft schließt auf Anordnung von heute auf morgen. Nach drei Monaten dürfen Sie zwar wieder öffnen, aber nur 10 Leute am Tag reinlassen. Würden Sie sagen, dass sich ihr Geschäft dann noch lohnt? Und nach acht Monaten müssen Sie, obwohl Sie nochmal in Ihr Geschäft investiert haben, wieder schließen. Wenn Sie an diesem Punkt angelangt wären, würden Sie dann sagen: Kein Problem. Krankenschwestern sind wichtiger… (…) Das würden Sie natürlich nicht. Sie würden sich fragen, warum Sie, trotz Einhaltung aller Maßnahmen, nicht öffnen dürfen. Und Sie würden sich wahrscheinlich darüber aufregen. Und höchstwahrscheinlich auch protestieren. Und wenn sie dann auch noch Leute ausstellen müssen, verstehen Sie die Welt nicht mehr, warum Sie ganz alleine gelassen werden und, obwohl Sie Teil eines Systems sind und Steuern gezahlt haben, Ihnen nicht geholfen wird. (…)
Ich bin sehr froh, dass die oben genannten prominenten Künstler ihre Stimme erheben. Natürlich haben die wahrscheinlich mehr Rücklagen als kleine Künstler. Aber auch eine größere Firma aufrecht zu erhalten. Und, dass Ihnen nicht alle gefallen, finde ich auch gut. Kunst ist wie das Essen einfach Geschmacksache. Trotzdem haben alle das Recht ihre Kunst auszuleben. Wie Sie sagen „frei“. Nur momentan sind wir nicht „frei“ als Künstler, sondern kriminell, wenn wir öffentlich ein Lied singen.“
Neues Kultur-Hilfspaket soll kommen
Wie Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler jüngst bei einer Pressekonferenz im Beisein von Ministerpräsident Markus Söder verkündete, soll nun ein neues „Kulturstabilisierungsprogramms 2020/21“ auf den Weg gebracht werden. „Kultur ist in Bayern nicht nur ein Wirtschaftszweig: Bayern ist ein Kulturstaat, dem seine Kunst- und Kulturschaffenden sehr wichtig sind. Mit den Unterstützungsmaßnahmen im Kulturbereich bietet der Freistaat echte Perspektiven und drückt seine Wertschätzung gegenüber den Künstlerinnen und Künstlern aus“, sagte der aus Plattling stammende Minister.
Das Programm sieht unter anderem „ein völlig neues Solo-Selbständigen-Programm für Künstlerinnen und Künstler zum Ersatz des Unternehmerlohns“ vor. „Die Empfänger erhalten für den Zeitraum ab Oktober 2020 eine Finanzhilfe als Ersatz des entfallenden Unternehmerlohns von bis zu 1.180 Euro monatlich, die mit der derzeitigen, bis Ende des Jahres laufenden Überbrückungshilfe des Bundes kumulierbar ist“, heißt es. „Die Antragsstellung wird in einiger Zeit beginnen können“, informierte Sibler im Rahmen der Pressekonferenz. „Wir müssen noch die Software programmieren.“
Stephan Hörhammer
Gut dass die Künstler Alarmstufe Rot ins Leben gerufen haben, nun zu den Kommentare.
Jeder der für die Menschheit bereit ist, egal im OP Raum an der Kasse, im Pflegeheim, auf der Baustelle, oder auf der Bühne, da muß ich Spruch anführen, den ich mal gehört habe (evtl vom Herrn Hirschhausen) was ist wertvoller, ein Clown der auf mit einem Esel ein Sack voller Medikament hat, oder ein Clown der in die Stadt einzieht, der Clown natürlich, da können die Leute mal ihre Sorgen für kurzen Zeit vergessen. Also braucht man jeden der Gutes tut egal auf welcher Seite er steht.
Punkt
Ps und mir hat der Martin Frank in dem letzten 1 1/2 Jahren aus einer tiefen lebenssituation geholfen mit seiner bühnenpresens, live-Auftritte und noch vieles mehr wie opernarien und wie gesagt auch die Künstler zahlen Steuern und sind auch Arbeitgeber für alle hinter der Bühne. Mehr emphati würde einige. Gut tun