Dieser deutsch-französische Waffengang ist in unserem Geschichtsbewusstsein bei weitem nicht so fest verankert wie der Erste, oder gar der Zweite Weltkrieg. Verwunderlich ist das nicht, liegt doch diese folgenschwere Auseinandersetzung nun schon genau 150 Jahre zurück. Natürlich hat jeder von uns im Geschichtsunterricht davon gehört, aber: Wie es halt so ist, hängen geblieben ist davon wahrscheinlich recht wenig. Und trotzdem ist es wert, sich mit diesem interessanten Kapitel unserer Vergangenheit zu befassen. Schließlich steht am Ende des „Siebzigerkrieges“, wie ihn der Volksmund bezeichnete, die Gründung des Deutschen Reiches – und damit ein bedeutsamer Wendepunkt in der sozialen, vor allem aber wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes.

Ein Zeitzeuge in Waldkirchen: Am Friedhof erinnert eine Steinskulptur nicht nur an die beiden großen Weltkriege, sondern auch an den „Siebzigerkrieg“. Fotos: Rupert Berndl
Nur wenige sichtbare Hinweise auf den deutsch-französischen Krieg 1870/71 lassen sich bei uns im Landkreis Freyung-Grafenau noch finden. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen: Am Aufgang zum Friedhof in Waldkirchen steht eine Steinskulptur, die den Hlg. Georg zeigt. Auf dessen Sockel sind neben den Daten der beiden Weltkriege auch die Zahlen zum Krieg 1870/71 eingemeißelt. Gelegentlich findet sich auch noch die eine oder andere Gedenktafel mit den persönlichen Daten der Soldaten, die im „Siebzigerkrieg“ ihr Leben lassen mussten.
Solche, meist recht aufwändig gestalteten Platten aus Kalkstein oder Marmor wurden, wie in Röhrnbach, gerne in den Kirchen angebracht. In der Regel wurden solche Gedenktafeln von den Verwandten in Auftrag gegeben und finanziert. Das war mit einigem finanziellen Aufwand verbunden. Nicht jeder konnte sich das leisten. So blieben viele Gefallene unerwähnt.
Eine politische Zwickmühle und ihre Folgen
Während in nahezu jedem größeren Ort Kriegerdenkmäler mit langen Namenslisten an den fürchterlichen Blutzoll der letzten beiden Weltkriege erinnern, in zahlreichen Kirchen und Gedenkstätten die Sterbebilder von Gefallenen den Irrsinn und das Leid der Kriege erahnen lassen, haben sich ähnliche Hinweise auf den Krieg 1870/71 nur in geringer Zahl erhalten. Dabei gilt es zu bedenken, dass zu dieser Zeit die Fotografie gerade eben erfunden war, aber man technisch noch nicht in der Lage war, Fotos in der später bekannten Art und Qualität anzufertigen.

In der Röhrnbacher Kirche weist eine Gedenktafel an im „Siebzigerkrieg“ gefallene Soldaten hin.
Bleibt die Frage: Wie kam es eigentlich zu dieser kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Deutschland und Frankreich? Was steckt dahinter, dass die beiden Länder in mehreren verlustreichen Schlachten gegeneinander kämpften? Eigentlich waren es die gleichen Beweggründe, wie immer schon: Sobald sich das politische Gleichgewicht in Europa zu ändern begann, sobald eine Seite durch territorialen Zugewinn, durch geschicktes politisches Taktieren, oder gar durch das Schmieden von Bündnissen an Einfluss und Macht gewann, weckte das auf der anderen Seite sofort Befürchtungen, wurden Ängste geschürt und schwoll das Säbelrasseln deutlich vernehmbar an.
So war es auch 1870. Zu dieser Zeit gab es noch keinen deutschen Nationalstaat, wohl aber den so genannten Norddeutschen Bund unter preußischer Vorherrschaft. Ihm gehörten die deutschen Länder bis zur Mainlinie herunter an. Kanzler wurde Otto von Bismarck, der ein geeintes Deutschland unter preußischer Führung anstrebte. Über diese Bestrebungen und den zu erwartende Machtzuwachs war der französische Kaiser Napoleon III., ein Neffe Napoleons I., sehr besorgt.
Als sich dann im Sommer 1870 Leopold von Hohenzollern, auf Drängen Otto von Bismarcks, auch noch auf den vakanten spanischen Thron bewarb – die in Spanien regierende Königin Isabella war von einer Offiziersgruppe weggeputscht worden – schrillten in Frankreich sämtliche Alarmglocken. Der französische Kaiser sah sein Land schon auf zwei Seiten von deutschen Herrschaftsgebieten bedrängt. Eine politische Zwickmühle, die es mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verhindern galt.
Ein Brüskierung und seine Folgen
Die Aufregung auf französischer Seite war groß. Protestnoten wurden überreicht, Diplomaten verhandelten, der französische Botschafter sprach beim König vor. Die Lage begann zu eskalieren. Schließlich drohte Frankreich mit Krieg. Leopolds Bewerbung wurde daraufhin zurückgezogen. Preußens König Wilhelm, nach 1871 Kaiser Wilhelm, sah die Angelegenheit damit als erledigt an. Das fiel ihm nicht schwer, hatte er der Kandidatur ohnedies nur grummelnd zugestimmt.

Heimatforscher Rupert Berndl.
Doch jetzt forderte Frankreich darüber hinaus noch die Garantie, dass die Hohenzollern auch in Zukunft auf den spanischen Thron verzichten würden. Diese Forderung lehnte Wilhelm I. jedoch ab. Wilhelm weilte zu dieser Zeit in Bad Ems an der Lahn. Ems zählte vor allem im 19. Jahrhundert zu den so genannten Weltbädern, in denen sich Monarchen, der Adel und wohlhabende Bürger zu Trinkkuren trafen. Man füllte seinen Becher mit dem heilkräftigen Wasser und flanierte Schlückchen trinkend unter seinesgleichen. So geschah es auch in Baden-Baden, im belgischen Spa oder im „k. und k.“ Bad Ischl, wo Österreichs Kaiser Franz Joseph die Sommerzeit nicht nur mit seiner Gattin Elisabeth verbrachte.
Das Telegramm, mit dem Bismarck über diese Entscheidung informiert wurde, schrieb Geschichte. Der Kanzler gab die so genannte „Emser Depesche“ in gekürzter und ziemlich zugespitzter Form an die Presse weiter. In Paris entstand der Eindruck, Wilhelm hätte den französischen Botschafter schroff abgewiesen. Man war empört und empfand den Vorgang als eine öffentliche Brüskierung. Eine Provokation, die Frankreich am 19. Juli 1870 zur Kriegserklärung veranlasste.
Rupert Berndl/da Hog’n