Man liebt ihn, oder man hasst ihn, den Kampf ums örtliche Rathaus. Das Schöne daran: Der Kampf ist dieses Jahr vielerorts ein wirklicher Kampf – nicht bloß die Bestätigung des ohnehin Bestehenden. Ein Kampf, der in so mancher Gemeinde mit äußerster Intensität geführt wird, der Marktplatz, Beruf, Küchentisch und Sportverein vereinnahmt. Wohl auch deshalb, weil es in manchen Wahlkreisen eine Wahl zwischen Alternativen ist. Vermeintlich auch ein Kampf, der im Freundes- und Familienkreis mal für etwas Knisterstimmung sorgt – man ist fast geneigt zu sagen: Politik.
Keine Frage, die bayerischen Kommunalwahlen sind einer der, wenn nicht die komplizierteste Wahl Deutschlands. Mit bis zu vier Stimmzetteln werden Gemeinde- oder Stadträte, Bürgermeister, Kreisräte und Landräte gewählt. Heftig wird’s in Bamberg: dort misst der Wahlzettel (ohne Schmu!) 126 mal 60 cm; wie sich herausstellte, ist er sogar zu groß für die eigentliche Wahlkabine, weshalb nun vorsorglich Kabinen in der doppelten Größe angeboten werden.
Erwin Huber und die feinen Unterschiede
Vor allem die richtige Kandidatin zu wählen, gestaltet sich nach wie vor lästig. Einen Antrag, dass auch die weibliche Form, die Bürgermeisterin oder die Landrätin, auf dem Wahlzettel aufscheint, wurde unlängst abgelehnt, wie Rita Röhrl, „der Landrat“ des Landkreises Regen, beklagt. Progressivere Medien des Jahres 2020 (so wie auch da Hog’n) schreiben dann doch lieber von Landratskandidatinnen. Was insofern wiederum eher widersinnig ist, da – ausgenommen die betreffende Frau legt im Erfolgsfall keine plötzliche Geschlechtsverwandlung hin –es konsequenterweise „Landrätinkandidatin“ heißen müsste. Geschenkt!
Kompliziert gestaltet sich das Wahlkämpfen offenbar auch für so manchen CSU-Granden, allen voran für den ehemaligen CSU-Vorsitzenden Erwin Huber. Der fuhr vor lauter Euphorie statt nach Mauren lieber ins 158 Kilometer entfernte Mauern, stand dort aber vor verschlossenen Türen. Das gemeine Wahlvolk vertreibt sich indes mit dem mittlerweile zum morgendlichen Ritual avancierten Entleeren des eigenen Briefkastens die Zeit; als da im Format der täglichen Portion materialisierten Wahlkampfes wären: Flyer, Kugelschreiber, Blöcke, Schokoherzen, Bonbons, Blütenhonig, Saatgut (was täten wir nur ohne die Grünen!?), Einladungen zu diversen Diskussionsveranstaltungen und Podiumsdiskussionen, Kerzen sowie Glückwunschkarten.
Die Tücken des Sozialismus
Einen eher pragmatischeren Ansatz verfolgt da die CSU in München, denn dort plakatierte einer der Christsozialen „Freibier statt Sozialismus*!“ Wobei das * darauf verweisen sollte, dass es sich bei dem Versprechen um „100 Liter Freibier, solange der Vorrat reicht“ handelt – was insofern komisch ist, da ja eigentlich gerade dem Sozialismus im CSU-Duktus der Makel der Mangelwirtschaft anhaftet. Läppische 100 Liter erinnern eher an die dunkelsten Stunden stalinistischen Totalitarismus als an einen Wahlkampf, der einer bayerischen Hauptstadt würdig ist. Was allerdings erklären würde, warum das * nicht hinter dem Wort Freibier, sondern dem Wort Sozialismus steht – aber egal. Coole Idee jedenfalls, fühlt man sich doch gleich an die Krombacher-Werbung mit Günther Jauch erinnert, wonach auch Alkoholiker den Klimawandel effektiv bekämpfen können.
Das Altbewährte zu verteidigen, das schrieb sich auch die CSU in Bamberg auf die Fahnen bzw. auf die Plakate: „Bamberg uns Bambergern!“ hieß es dort. Neben der historisch betrachtet äußerst unglücklichen Wortwahl darf man sich dann auch noch mit Recht fragen: Wem sonst? „Bamberg uns Festland-Chinesen!“ wäre zwar irgendwie innovativ und auch witzig, aber wohl bedingt erfolgsversprechend…
Hinterzimmer-Gemauschel
Apropos Verteidigen: Kommunalpolitisch wenig präsent sind bis dato ja die Kollegen von der AfD, gilt bei ihnen nun aber – zumindest, wenn man AfD-Funktionär Oliver Multusch Glauben schenken darf – die Parole auch „die letzte Bastion in Bayern zu stürmen“. Als Wahlkampfstrategie setzt man dabei auf das altbewährte Muster „Täuschen und Tarnen“ und platzierte so beispielsweise in Ebersberg der Vollständigkeit der Liste halber ein paar äußerst Hochbetagte auf die Kandidatenliste – freilich ohne deren Wissen.
Trotz schwindender Präsenz lebendiger Individuen in so mancher Dorfgemeinschaft sind die Apologeten des Deutschtums tunlichst darum bemüht, vor einer vermeintlichen Massenimmigration ins 400-Seelen-Dorf Hinterhaglhupfingerberg zu warnen – ein kommunalpolitisch höchst relevantes Thema und äußerst realitätsnahes Szenario. In Röhrnbacher Hinterzimmern bewegen sich die Rechtsradikalen einstweilen auf ganz neuen Pfaden und gingen vor lauter Stimmenfanghudelei sogar der Political Correctness auf den Leim: Nach einiger Diskussion konnte man sich in besagtem Hinterzimmer dazu durchringen, besser auf das „N*-Wort“ zu verzichten und stattdessen lieber von „Bimbos“ oder – die ganz fanatischen PC-Verfechter – sogar von „denen, die man im Dunkeln nicht sieht“, zu sprechen. Was „da Hog’n“ nicht so alles mitbekommt…
Politik ist wieder da, wo sie sein sollte
Etwas weiter links macht sich indes „Hans Söllner“ auf zum „Marsch durch die Institutionen“, will, wie er betont, „Bürgermeister werden, ohne in die Politik zu gehen“. Wie, das bleibt sein Geheimnis – aber das wäre ja grad so, als wolle man Schlagerstar sein, ohne Sängerin zu werden. Und auch das gibt’s: in Kollnburg, wo sich Bürgermeisterin Josefa Schmid erneut dem kritischen Urteil der kommunalen Jury stellt. Mit ungewissem Ausgang und freilich nicht ohne Protest: Ein anonymer Kritiker postete eine Serie von Videos, in welchen er als Hexe Burgwalda verkleidet, vermeintliche Fauxpas der Bürgermeisterin mit dem schönen Stimmlein aufdeckt.
Ja, die Kommunalpolitik ist endlich (wieder) Kommunalpolitik! Die politische Auseinandersetzung ist endlich (wieder) da, wo sie sein sollte: Nicht nur in erlesenen Kreisen wohl etablierter staatlicher Institutionen, sondern mitten in der Gesellschaft, beim Kaffeeklatsch und in der Wirtshausrunde. Die Welt ist aus den Fugen, ja, aber das mag auch etwas Gutes haben, denn: Nur, wenn Konflikte diskutiert werden, besteht auch die Möglichkeit, sie zu lösen. Wem das zu anstrengend ist oder wer von Politik mittlerweile (oder schon immer) genug hat, der kann sich wenigstens an oben beschriebenen Kuriositäten erfreuen. In diesem Sinne: Einen schönen Restwahlkampf und viel Spaß beim Knistern!
Glosse: Johannes Greß