„Die CSU im Landkreis ist sehr daran interessiert Frauen zu unterstützen und Kandidaturen zu ermöglichen“, wurde CSU-Kreisvorsitzender Olaf Heinrich unlängst in einem Hog’n-Beitrag zitiert. Nun, das Gesagte lässt eigentlich nur zwei Schlüsse zu: Entweder das „Interesse“ Heinrichs und seiner Parteikollegen ist kleiner als behauptet; oder sie stellen sich bei ihrer „Unterstützung“ relativ ungeschickt an. Denn Fakt ist, dass bei den anstehenden Kommunalwahlen Frauen auf CSU-Listen eine Rarität sind – wieder einmal.
Die Intention, dass u.a. die Dachauer CSU am Valentinstag Rosen an ihre weiblichen Mitglieder und Interessentinnen verteilen ließ, mag ja durchaus eine Gute sein. Oder dass CSU-Landtagspräsidentin Ilse Aigner vergangenes Jahr zum parteienübergreifenden Frauenfrühstück lud. Nur bemisst sich die Qualität einer repräsentativen Demokratie eben nicht an der Zahl Frauen, die Rosen in ihren Händen halten – und auch nicht an der Zahl Frauen, die gerade herzhaft in ein Brombeermarmeladen-Brötchen beißen.
101 Jahre Gleichstellung – und keine Gleichstellung in Sicht
183 Frauen bekleiden bayernweit derzeit ein Bürgermeisteramt – von insgesamt 2.031 zur Verfügung stehenden Posten. Fünf Landrätinnen stehen aktuell 65 Landräten gegenüber. Wenig deutet darauf hin, dass sich daran nach den Kommunalwahlen am 15. März etwas ändern wird. Denn etwas zu verlieren haben vor allem jene, die derzeit die mächtigsten Positionen in genannten Gremien für sich reklamieren: (heterosexuelle) Männer mit schwarzem Parteibuch.
„Wir haben tatsächlich viel mehr Frauen angesprochen als heute auf der Liste zu finden sind“, begründet Heinrich im genannten Artikel die weitgehende Abstinenz weiblicher Kandidaten in den Reihen der CSU. Das mag durchaus der Fall sein, verkennt aber offenbar den Kern der Problematik: Es ist ja nicht so, als würden weibliche Politiker ganz grundsätzlich keine politischen Ämter bekleiden wollen. Es geht nicht um das Nicht-Wollen. Auch nicht mehr um das Nicht-Dürfen. Sondern vielmehr um das Nicht-Wollen-Können – um das Nicht-Können-Können.
Warum können Frauen nicht in die Politik wollen? Seit nunmehr 101 Jahren sind sie – aktiv wie passiv – wahlberechtigt. Die Schranke zum Amt kann also keine Rechtliche sein. Doch die formale, rechtliche Gleichstellung hatte nicht zwangsläufig eine politische oder gar gesellschaftliche zur Folge. Wer so argumentiert, ignoriert, dass eine Person nie allein um ein Amt kämpft. Jeder Kandidat, jede Kandidatin macht Politik in einem sozialen, gesellschaftlichen, familiären – und vergeschlechtlichten! – Kontext.
Hinter jedem Bürgermeister steht eine starke Frau
Politische Institutionen und Ämter sind seit ihrem Entstehen auf Männer zugeschnitten. Das ist auch heute noch so – und zeigt sich vor allem in ländlichen Regionen. Der Mann, der dem Volksmund nach das Geld nach Hause bringt, kann dies nur deshalb so artig nach Hause bringen, weil er in diesem Zuhause eine unbezahlte Arbeitskraft hält, die es ihm erlaubt 40 und mehr Stunden pro Woche im Betrieb zu verbringen: Eine Frau, die putzt, Wäsche wäscht, Kinder zur Welt bringt, Einkaufen geht, kocht, Angehörige pflegt, bügelt, den Müll entsorgt, staubsaugt, Kinder zum Klavierunterricht und ins Handballtraining fährt (und anschließend wieder abholt), den Abwasch erledigt – und abends die Kinder ins Bett bringt, während die Herren in der Gemeinderatssitzung mit Kommunalpolitik befasst sind. Auch hinter den meisten Bürgermeistern steht eine starke Frau, die die politische Selbstverwirklichung ihres Partners überhaupt erst möglich macht.
Frauen wird in der Politik durchschnittlich weniger zugetraut, ja. Nicht weil sie irgendeinen biologischen Defekt mit sich bringen würden, sondern weil sie im öffentlichen Leben nach wie vor kaum sichtbar sind. Weil im Deutschen Bundestag nicht einmal ein Drittel Frauen sitzen, im Bayerischen Landtag gerade einmal 26,8 Prozent der Abgeordneten weiblich sind, in Stadt- und Gemeinderäten nicht einmal jede Fünfte eine Frau ist. Weil Politik nach wie vor eine Männerdomäne ist (in die sich Frauen auch deswegen weniger hineinwagen, da ihnen der Umgangston und Umgang zu rau ist). Nach wie vor ist auf dem Wahlzettel von „der Landrat“ oder „der Bürgermeister“ die Rede – eine Frau als Oberhaupt passt nicht ins Bild. Aussichtsreiche Listenplätze für Frauen sind bei Parteien ohne Quotenregelung eine Seltenheit – wer soll auch einer „Hausfrau“ ein Amt zutrauen?
Unser aller Leben wäre einfacher, würde es keine Quoten brauchen
Dass Frauen mehr Zeit mit unbezahlter Haus- und Sorgearbeit verbringen und deswegen weniger Zeit haben für politische Ämter zu kandidieren; dass Frauen politisch weniger zugetraut wird; sie seltener aussichtsreiche Listenplätze bekommen – das sind keine unabänderlichen Naturgesetze. Aber als CSU im Allgemeinen und als männlicher CSU-Politiker im Speziellen so zu tun, als würde man sich immerzu händeringend um mehr Frauen in der Politik bemühen, diese würden jedoch einfach nicht wollen, ist überaus fadenscheinig. Zu sagen, man sei bekümmert, doch es klappt halt einfach nicht, ist ja gerade so als hätte man in den letzten 101 Jahren kein einziges Amt innegehabt – und sei in diesem Zeitraum an keiner einzigen gesellschaftlich relevanten Entscheidung beteiligt gewesen.
Statt Blumen zu verteilen und Frühstücken zu gehen, könnte man sich doch mal über konkrete Maßnahmen Gedanken machen, die über reine Symbolpolitik hinausgehen und tatsächlich der Gleichberechtigung dienen, anstatt nur vom eigenen Nicht-handeln-Wollen abzulenken. Über die Quotierung von Wahllisten beispielsweise, so wie das auch bei anderen Parteien seit Jahrzehnten üblich ist (und die die Bayerische Regierung im März 2019 abschmetterte). Freunde von Quoten sind wohl die Wenigsten, denn unser aller Leben wäre einfacher, würde es sie gar nicht erst brauchen. Aber anscheinend geht es nun mal nicht anders. Denn sonst dümpeln wir noch 100 weitere testosterongesteuerte Jahre vor uns hin…
Jahrzehntelang an den Hebeln der Macht zu sitzen, dabei ein stock-konservatives Familienbild forcieren und die eigene Maskulinität zelebrieren (Stichwort: „Jetzt pack ma’s an!“), gelegentlich mit dem Finger nach Berlin deuten – Motto: Da sitzt ja eh eine Frau, das müsse ja wohl reichen – und dann ratlos dastehen, wenn diese ollen Weibsbilder einfach nicht in die Politik wollen, obwohl wir sie doch eh so nett fragen. Eine eigenartige Welt muss das sein, wenn selbst der Konservatismus am eigenen Weltbild vorbei galoppiert…
Kommentar: Johannes Greß