Spüren Sie das Kribbeln? Das Brodeln? Das Beben? Gut – wir nämlich auch nicht. Er ist bereits gefallen, der Startschuss für den Kommunal-Wahlkampf 2020. Nicht gerade ohrenbetäubend, aber ein Beginn. Am 15. März stimmen 71 Landkreise und 2056 Städte, Märkte und Gemeinden in Bayern über ihre neuen Oberhäupter ab. Und die Erfahrung hat uns gelehrt: Beim Kampf ums Rathaus sind ganz andere Qualitäten gefragt als etwa beim Rennen um Landtag oder Bundestag. Sollten Sie sich kurzfristig (vielleicht auch gerade in diesem Moment, da Sie diesen Artikel lesen) dazu entscheiden, Bürgermeister Ihrer Heimat-Gemeinde werden zu wollen, hat da Hog’n ein paar wertvolle Tipps für Sie…
Zuallererst: Männlich sollten Sie sein. Sonst wird’s wohl leider nichts. Nicht einmal zehn Prozent aller Gemeindeoberhäupter in Bayern sind weiblich. Studien zufolge ist der Umgangston im Gemeinderat rauer (sprich: sexistischer) und weniger konsensorientiert (sprich: rüpelhafter) als anderswo. Das schreckt viele Frauen ab.
Tipp: Nominieren Sie frühzeitig einen Stellvertreter – für Härtefälle
Sitzfleisch sollten Sie haben. Als Faustregel gilt: Wer die hiesigen Bierzelte regelmäßig voreilig (sprich: vor Morgengrauen) verlässt, verschlechtert seine Chancen auf den bequemsten Sessel im Rathaus. Schließlich sollten Sie als verantwortungsbewusst und repräsentativ wahrgenommen werden. Daher gilt es für eine erfolgreiche Kandidatur auch frühzeitig einen geeigneten Stellvertreter zu nominieren. Jemand, der um 9 Uhr vormittags völlig eigenständig und souverän einem Seniorenausflug beiwohnt, während Sie noch in Embryonalstellung „Nie wieder Alkohol“ vor sich hinbrabbeln. Sitzfleisch werden Sie außerdem bei Ihren allwöchentlichen High-Society-Get-Togethers brauchen: Nämlich dann, wenn Helga 80 wird, Wilfried 95 und Genoveva 75.
Das bringt uns zu einem weiteren, unverzichtbaren Charakteristikum einer erfolgsversprechenden Kandidatur: A Gmiad. Mit jedem können, auch wenn Sie nicht mit jedem wollen. Zuhören können, nicken, „geh, hob de ned aso, des griangma scha“ sagen. Einen gewissen Authentizitäts-Bonus erhalten Sie zusätzlich, wenn Sie so, wie Sie nun mal sind, irgendeine ungewöhnliche Eigenart mit sich bringen. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal und macht sympathisch, echt, real irgendwie. So kann man sich beispielsweise angewöhnen, sich pausenlos Schnupftabak in die Nase zu stopfen. Oder regelmäßig versuchen, mit dem Hintern voran möglichst virtuos ins örtliche Freibad zu klatschen. Seien Sie kreativ, Ihre Wählerinnen und Wähler werden es Ihnen danken.
Mindestens 50 % des Einkommens für Mitgliedsbeiträge aufwenden
Und apropos Markenkern: Als zukünftiges Oberhaupt braucht es natürlich auch einen gewissen Bekanntheitsgrad. Hierzu zählt einerseits: A Hiesiger sa. Denn wer nicht hiesig ist, ist dosig – und den kennt dann bekanntlich keine Sau. Andererseits ist ein gemeindeübergreifendes Vereinsabo unabdingbar: Freiwillige Feuerwehr, Fußballverein, Kegelklub, Stammtisch der Wilden Ochsen, Tennisverein, Männergarde, Stopselclub. Mindestens 50 Prozent Ihres Bruttomonatseinkommens sollten Sie für Mitgliedsbeiträge aufwenden – rein aus Publicity-Gründen.
Folgende Mitgliedschaft ist ohnehin die sine qua non einer jeden Bürgermeisterschaft: die in der CSU. Freier Wähler zu sein, das geht auch noch. Soweit bekannt, gibt’s auf Kommunalebene eigentlich keine anderen Parteien. Bürgermeister schon gar nicht.
Viel Liebe, Herzblut und ein Auge für intakte Klettergerüste
Die allerwichtigste Komponente jedoch ist dieselbe wie in Mamas Apfelstrudel: viel Liebe! Liebe und Zuneigung, Pathos und Empathie für politische Entscheidungen, für die sich die meisten zu schade sind. Ein pausenloses Engagement für wenig Ruhm, noch weniger Ehre. Man mag Sie noch so sehr für Ihre Unnachgiebigkeit huldigen, die Sie durch Ihren selbstlosen Einsatz zur Errichtung eines neuen Seniorenheims gezeigt haben – Ihr persönlicher Chauffeur wird weiterhin Otto vom Regionalbus Ostbayern bleiben – und nur alle zwei Stunden für Sie bereit stehen (Sonntage und Feiertage hat Otto dienstfrei). Doch immerhin: Ihr „Dienstwagen“ ist geräumiger als der von Bundeskanzlerin Merkel. Als Bürgermeister suchen Sie das Große im Kleinen – und sehen sich nur dann mit vorgezogenen Neuwahlen konfrontiert, wenn ein Kind vom Klettergerüst Ihres Prestigeprojektes, dem plastikfreien Kinderspielplatz in der Ortsmitte, fällt.
Fehlt da nicht noch was? Ja, richtig! Ein Wahlslogan, möglichst catchy und trotzdem bodenständig. Gründen Sie hierzu mit Ihrem Kampagnenmanager (Ehefrau) und Ihrem Wahlkampfteam (alle Stammtischmitglieder außer Otto, der muss Bus fahren) eine Taskforce. Sie werden grübeln, trinken – und dann doch feststellen: Bürgermeister kann man nicht werden. Man ist es bereits, oder wird es nie sein.
Daumen drückend: Johannes Greß
An dieser (hoffentlich) Satire. ist manches dran. Aber wenn man so durch die Lande fährt, sieht man sehr schnell, wo ein engagierter und kreativer Bürgermeister zuhause ist, oder wo einer residiert, der nach dem alten bayerischen Dreisatz agiert: East dea ma amoi goa nix. Dann woat mas o. Oft wea mas scha seng