Neureichenau/ Haidmühle. Das Foto eines Staus, mitten im Bayerischen Wald. Am Dreisessel – umringt von Natur. Das Onlinemagazin da Hog’n postete jenes Bild am Sonntag vor einer Woche. Seitdem wurde es mehr als 250 mal geteilt, es gab über 500 Kommentare dazu. Vor allem die Dreistigkeit der Autofahrer, die illegalerweise links und rechts am Straßenrand parkten, erregte die Gemüter. Doch was ist nun zu tun? Die Straße sperren und damit eines der wenigen schneebedeckten Winterparadiese, die es derzeit im Bayerwald gibt, nur noch für (fußläufige) Wanderer zugänglich machen?
So weit braucht die Regulierung gar nicht gehen. Viel wichtiger ist: Wer einen Ausflug zum Dreisessel plant, muss so frühzeitig wie möglich wissen, welche Verkehrssituation ihn am Berg erwartet. Denn wenn einmal nicht hunderte Autofahrer unwissend in ein Nadelöhr ohne Wendemöglichkeit geraten, wäre die Situation bereits deutlich entschärft. Ein Kommentar von Hog’n-Redakteurin Sabine Simon.
Reaktion nach dem erneuten Stau kommt deutlich zu spät
Fakt ist: Die Verantwortlichen haben Anfang des vergangenen Jahres viel über den Dreisessel gesprochen, nachdem es (mehrmals) einen enormen Ansturm auf den Berg samt Verkehrsstau gab. Sie haben jedoch wenig konkrete Maßnahmen ergriffen, bevor die Massen in diesem Winter erneut anrückten. Immerhin: Wege für Schneeschuh-Wanderer und Touren-Geher wurden rechtzeitig besser ausgeschildert. Auch am Parkplatz wenige Höhenmeter unterhalb des Schutzhauses gibt es nun Markierungen, um wildes Kreuz-und-quer-Parken zu verhindern. Aber: Weiterhin gibt es keine Parkgebühr und keine echte Verkehrsüberwachung, sondern nur gelegentliche Kontrollen durch die Polizei. Und: Es gibt keine Informationen für Autofahrer am Fuße des Bergs, dass es zu Stoßzeiten oben am Gipfel eng werden kann…
Am Tag nach dem jüngsten Mega-Stau rief der Landrat zu einer Krisensitzung ins Landratsamt und setzte als Notmaßnahme die Feuerwehren der Dreisessel-Gemeinden Haidmühle und Neureichenau ein, um die Straße während der restlichen Weihnachtsferien immer dann zu sperren, wenn der Dreisessel-Parkplatz belegt war. Am Tag des großen Staus hatte die Polizei die Straße bereits am Nachmittag dicht gemacht.
Plötzlich war sie also möglich, diese Sperrung. Ein Jahr zuvor hatte die Polizei noch keine Notwendigkeit dafür gesehen und die Rettungswege noch nicht als blockiert bezeichnet – obwohl die Situation im Januar 2019 derjenigen vom vorvergangenen Wochenende überaus ähnlich gewesen ist. Nach den Medienberichten vor knapp einem Jahr schienen die Verantwortlichen die Lage in diesem Winter ernster zu nehmen.
Die Lösung für das neuerliche Verkehrschaos wenige Tage nach Weihnachten musste allerdings recht kurzfristig erfolgen. Denn das ganze Jahr über hatte man sie nicht gefunden. Es waren nun also die Feuerwehrler, die in den Ferien ehrenamtlich die Verkehrskontrolle übernehmen sollten. Die Behörden hatten ein Jahr lang Zeit, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Passiert ist erst etwas, als der Ansturm auf den Dreisessel in Form einer Blechlawine abermals zur Realität wurde.
Autofahrer müssen informiert sein, wenn Stau droht
Die Übergangslösung mit der Feuerwehr galt bis zum Dreikönigstag am 6. Januar. Für heute, Dienstag, hat Landrat Gruber ein erneutes Treffen der Fachstellen eingeplant, um eine langfristige Lösung herbeizuführen. Auf der Hog’n-Facebook-Seite wurde bereits rege diskutiert: Die Straße komplett für den Verkehr sperren? Eine Schranke aufstellen, die sich schließt, sobald der Parkplatz voll ist?
Schranke oder nicht Schranke: Das Nötigste wäre, alle Autofahrer bereits vor dem Befahren der Kreisstraße hinauf zum Dreisessel klar und deutlich über die aktuelle Verkehrslage droben am Berg zu informieren – sei es durch Anzeigetafeln oder etwa mittels aktueller Webcam-Bilder vom Parkplatz.
Im Grunde genommen liegt das Problem nämlich darin, dass sich auch dann noch massenweise Menschen auf den Weg zum 1.333 Meter hoch gelegen Dreisessel machen, wenn der Bayerwaldgipfel eigentlich längst „voll“ ist, wenn der Parkplatz belegt und die Wanderwege überfüllt sind. Wer zu weit nach oben fährt, steht dann in der Autoschlange, die sich kilometerweit unterhalb des Parkplatzes bildet – und kommt nicht mehr vor, nicht zurück. An beiden Seiten der Straße parken Autos – und verstopfen somit den Zufahrtsweg.
Information ist das eine, Kontrolle das andere…
Am jüngsten Stau-Sonntag hat sich gezeigt, wie dreist so mancher Autofahrer parkt. Beginnt der eine, machen es ihm hunderte andere nach. Wird nicht kontrolliert oder zumindest angemahnt, dass das Parken am Straßenrand nicht erlaubt ist und zudem den einzigen Rettungsweg hinauf zum Gipfel blockiert, fällt das Schuldbewusstsein vieler Leute sehr gering aus. In den sozialen Medien gaben etliche sogar lauthals bekannt, dass eines der parkenden Autos das ihre gewesen sei…
Bis 2017 gab es ihn noch, den „Parkplatzwächter“ oben auf dem Dreisessel. Im Auftrag der Gemeinde Haidmühle kassierte er eine Parkgebühr von knapp zwei Euro pro Fahrzeug. „War der Parkplatz voll, hat er abgewiesen und ermahnt, nicht die Straße entlang zu parken“, schreibt ein Hog’n-Leser in der Facebook-Kommentarspalte.
Den Wächter gibt es nicht mehr, da der Vertrag zwischen der Gemeinde Haidmühle und dem Landratsamt Freyung-Grafenau ausgelaufen und nicht verlängert worden sei, wie Bürgermeisterin Margot Fenzl dem Onlinemagazin da Hog’n vor einem Jahr mitteilte. An Wochenenden mit erwartbar viel Andrang am Berg nun erneut jemanden abzustellen, der den ganzen Tag über – und nicht, wie die Polizei, nur vereinzelt – die Situation im Auge behält, wäre definitiv wieder sinnvoll.
Wer von weit her angereist ist, um auch die vielgepriesene Traumkulisse genießen zu dürfen, dreht nicht bereits auf dem halbem Weg nach oben wieder um. Und wenn man sich dann eine Stunde im Stop-and-go voran gekämpft hat, fährt man nicht einfach wieder runter, ohne auch nur einen Schritt im Schnee gestapft zu sein. Daher nehmen anscheinend sehr viele Tagesausflügler illegales Parken in Kauf – oder sind sich gar nicht erst bewusst darüber, dass sie verkehrswidrig handeln.
Ein Parkplatzwächter oder Berg-Ranger könnte sie auf ihr rücksichtsloses Verhalten aufmerksam machen. Auch dann, wenn sie die markierten Wege verlassen und durch den Tiefschnee stiefeln. Dass sie dadurch der Natur und Tierwelt am Dreisessel schaden – auch das ist augenscheinlich vielen schlichtweg nicht bewusst. Oder noch schlimmer: egal. Hauptsache, man selbst darf endlich rein in den Schnee und tolle Erinnerungsfotos für Instagram und Co. machen…
Weitläufige Sperre des Gebietes wäre übertrieben
Der Schnee – er ist derzeit wohl der Hauptgrund dafür, dass die Massen auf den Berg pilgern. In den vergangenen Wochen fand man ihn im Woid nur jenseits der 1.000-Meter-Marke. Schon von Weitem war der weiß leuchtende Dreisessel-Gipfel an sonnigen Tagen zu sehen. Zusätzlich ziehen unzählige Bilder in den sog. Sozialen Netzwerken die Menschen an: Hier die Fotos von eingefrorenen Bäumen, dort das Alpenpanorama und die rotglühenden Sonnenuntergänge.
Das Gebiet weitläufig zu sperren, wie einige Facebook-Kommentatoren gefordert haben, wäre aber eine sehr drastische Maßnahme, die dem wieder aufblühenden Tourismus in der Region zum Nachteil gereichen und vielen Leuten die Möglichkeit nehmen würde, die Natur des Bayerwalds zu erleben. Denn die lapidare Forderung, dass eben jeder, der auf den Berg hinauf möchte, ihn doch besser zu Fuß erklimmen solle, schließt so einige von vornherein aus: Familien mit kleinen Kindern etwa, nicht mehr ganz so mobile Seniorinnen und Senioren, Menschen mit Handicap etc.
Wenn allerdings auch Schilder, Informationen und Ermahnungen die Massen zukünftig nicht davon abhalten können, oben am Dreisessel die Straße zuzuparken, die Wanderwege zu verlassen und die Natur zu zertrampeln, muss man all diesen Menschen den bequemen Zugang zum Gipfel per Pkw verwehren. Damit Natur und Tiere dort oben langfristig überleben können.
Kommentar: Sabine Simon