Waldkirchen. Als Freier Wähler könne er seine Meinung freier äußern als so mancher Kollege von der CSU, sagt Waldkirchens Bürgermeister Heinz Pollak im zweiten Teil unseres großen Hog’n-Interviews. Ob Krankenhaus-Schließung oder überdimensionierte Verkehrslösungen: Pollak geht gerne auf Konfrontationskurs mit allen, die seiner Meinung nicht im Sinne der Bürgerschaft agieren. Isoliert er die Stadt damit vom Rest des Landkreises? Was gibt es Neues in Sachen Monsterkreuzung? Wir haben nachgefragt.
Der Landrat ist CSU’ler, die Bürgermeisterkollegen in Freyung und Grafenau ebenfalls. Sie dagegen sind Freier Wähler. Fühlt man sich als FW-Bürgermeister im CSU-Landkreis FRG schon mal alleingelassen?
Nein, ganz im Gegenteil. Ich habe den großen Vorteil, dass ich sagen kann, was ich will, ohne dass mir jemand reinredet, ohne dass mir jemand Vorgaben macht. Wir haben dadurch, dass ich jetzt auch im Bezirkstag sitze, die gleichen Beziehungen wie die Nachbarstadt Freyung – insofern sehe ich da keine Probleme. Und ich muss dazu sagen: Waldkirchen geht es sehr gut. Ich komme mit allen gut aus, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind.
Wenn Waldkirchen ein überregionales Problem hat: Wenden Sie sich dann an FW-MdL Manfred Eibl – oder spielt da die Partei keine Rolle?
Unsere Abgeordneten sind offiziell Dr. Gerhard Waschler, weil wir ein anderer Stimmkreis sind, Christian Flisek, Toni Schuberl und Ralf Stadler. Zusätzlich sitzen Manfred Eibl, Max Gibis und Alexander Muthmann für die Region im Landtag.
Ich habe alle unsere Anliegen an alle sieben Abgeordnete weitergegeben. Und mir ist egal, bei welcher Partei sie sind. Egal, von welcher Couleur: Sie sind alle gleich oft hier in Waldkirchen zu Besuch. Ich muss mich an keine Partei binden und ich sage auch nicht, dass ein bestimmter Abgeordneter für mich am meisten wert ist – oder mir am meisten bringt. Ich bin im Übrigen von einem Abgeordneten bereits gerügt worden, weil ich im E-Mail-Verteiler immer alle sieben mitreinnehme…
„Ich persönlich bin gegen eine zweite Brücke“
Zwei Themenkomplexe gibt es, bei denen es trotzdem nach parteipolitischem Gerangel aussieht, bei denen Sie gegen die CSU kämpfen müssen, wie es scheint. Zum einen die sog. Monsterkreuzung: Wie ist hier der aktuelle Stand? Und wie viel Einfluss haben Sie als Bürgermeister überhaupt in dieser Angelegenheit?
Wir haben sehr wohl Einfluss, da wir mitbezahlen. Ein Gutachten liegt mittlerweile vor (zu verschiedenen Lösungsvorschlägen: zwei von der Stadt Waldkirchen, einer von der SPD und ein privater Vorschlag – Anm. d. Red.) und wird nun beraten. Ich persönlich bin gegen eine zweite Brücke, doch hier entscheide nicht ich, sondern der gesamte Stadtrat.
Und da stehen Sie auch klar zu Ihrer Meinung?
Ich bin keiner, der sagt: Dann mache ich es halt so, wie alle sagen, dass ich es machen soll. Letztendlich entscheidet ja auch der Stadtrat. Und wenn die Mehrheit dort eine andere Meinung hat, dann können wir das gerne so machen – aber meine Meinung ist eben, dass eine zweite Brücke nichts bringt.
Weiteres heikles Thema war und ist die Krankenhaus-Schließung: Sie haben offen die Entscheidung kritisiert, waren bei der Demo gegen die Schließung vorne mit dabei. Wenn man sich gegen Landkreis-Entscheidungen auflehnt, isoliert man damit die Stadt Waldkirchen vom Rest des Landkreises?
Das glaube ich nicht. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die Schließung ein riesiger Fehler war und ich würde nach wie vor alles wieder genauso machen – egal, ob das die Demonstration ist oder die Protestaufrufe. Ich bin Vertreter der Stadt Waldkirchen und ihrer Bürger. Dass ich letztendlich für sie aufstehe, dafür werde ich bezahlt. Dafür bin ich gewählt.
Trotz allem ist das Krankenhaus geschlossen und es gibt nurmehr das MVZ. Was halten Sie von dem Vorschlag, aus dem MVZ ein iGZ (intersektoreales Gesundheitszentrum) zu machen? Steckt dahinter ein „parteipolitisches Manöver“, wie Kliniken-Geschäftsführer Plaschke vermutet?
Es ist weder von mir angestoßen worden noch von der Stadt Waldkirchen. Das hat die SPD gemacht, der Ortsverband hat die Veranstaltung organisiert und den Antrag gestellt. Deswegen hat es Herr Plaschke wahrscheinlich auch als parteipolitisches Manöver kritisiert. Da bald Kommunalwahlen stattfinden, kommt die ein oder andere Partei mit solchen Vorschlägen. Wobei ich sagen muss: Ich sehe das nicht parteipolitisch, sondern ich finde es positiv, dass es jemanden gibt, der sich Gedanken macht. Es gibt auch andere, die zwar drüber schimpfen, jedoch keine Vorschläge zum Thema abgeben.
Was halten Sie persönlich von der Idee eines iGZ?
Ich finde die Idee gut, aber ich glaube nicht, dass sie umsetzbar ist. Man hätte damals schon sagen müssen, dass man Betten zur Verfügung stellt. Man bräuchte ja dafür Pflegepersonal, das auch nachts da ist. Man braucht zusätzlich eine Küche, um die Patienten mit Essen zu versorgen. Das alles ist aufgelöst worden. Es jetzt wieder neu zu machen – ich glaube nicht, dass das klappt.
„Natürlich mag es sein, dass sich ein Minister für jemanden einsetzt“
Demnächst zieht das Gesundheitsamt ins ehemalige Krankenhaus ein. Waldkirchen hat schon öfter versucht, Behörden hierher zu verlagern, zum Beispiel in die ehemalige Mittelschule. Woran ist es bislang gescheitert?
Ich bin der Meinung, dass man nicht sagen soll: Man nimmt alles, was man kriegen könnte. Es sollte etwas sein, was sich für die Stadt rentiert. Bei einer Behörden-Verlagerung ist es so: Wenn Montagmorgen fünf Beamte anreisen und am Donnerstagabend nach München oder Nürnberg zurückfahren, ist das für die Stadt nicht von Vorteil. Es muss etwas sein, was für die Stadt passt. Beispiel wäre irgendetwas mit E-Commerce. Oder mit Wirtschaftsförderung. Oder etwas im Bereich Einzelhandel, wo wir am stärksten sind. Sowas finde ich innovativ. Bewerbungen bei Stiftungseinrichtungen sind noch am Laufen.
Es entsteht ab und an der Eindruck: Freyung hat das Landratsamt und einen CSU-Bürgermeister – und deshalb ist Freyung auch eher am Zug als Waldkirchen, etwa wenn es um Behörden-Verlagerungen geht. Täuscht der Eindruck?
Ich glaube persönlich nicht, dass es mit der Parteizugehörigkeit etwas zu tun hat. Natürlich mag es sein, dass sich der ein oder andere Minister für jemanden einsetzt. Aber nichtsdestotrotz: Ein Polizeiausbildungszentrum, wie es Freyung kriegen soll – die Frage ist ja: Wann sie es kriegen und ob sie es überhaupt kriegen –, da ist klar: Wenn die Bundeswehr schrumpft und Räume frei sind, kommt es dorthin. Grafenau hat das Finanzamt. Dass die dann die Verlagerungen im Finanzamtsbereich bekommen, ist auch klar.
„Im Gegensatz zum Landkreis haben wir keinen Cent ausgegeben“
Was auch immer wieder auffällt, ist ihr offensiver Umgang mit den Medien: Jüngstes Beispiel war der Artikel im Münchner Merkur, in dem Sie für Waldkirchen werben – ähnlich der Landkreiskampagne „MADE“. PR in eigener Sache machen – das können Sie, oder?
Ich glaube, das hat nichts mit PR zu tun. Bei der Geschichte mit dem Münchner Merkur war es so: Ich habe in einer Münchner Zeitung über eine Familie gelesen, in der beide Ehepartner wenig verdienen. Und dann stand da, dass sie die Kinder nicht mehr vernünftig ernähren können, weil die Miete schon die Hälfte des Einkommens frisst und das MVV-Ticket, der Kindergarten und so weiter sehr teuer sind. Ich habe das gelesen und mir gedacht: Ich verstehe nicht, warum die Leute nicht umziehen. Wenn beide Vollzeit arbeiten und es geht mir derart schlecht, dann läuft irgendwas nicht rund dort, wo ich wohne. Das habe ich dem Chefredakteur geschrieben: Dass immer über die negativen Sachen berichtet wird, statt auch mal über Regionen in Bayern zu schreiben, wo ich mit diesem Einkommen auch noch leben kann.
Ich habe geschrieben: Kommen Sie her und schauen Sie sich alles an – und das haben sie dann gemacht. Sie haben es im Artikel anders aufgezogen und geschrieben, ich mache Werbung für die Stadt, will Münchner anlocken. Aber um das ging es mir gar nicht. Ich wollte zeigen, dass man sich hier in der Region auch als Geringverdiener noch ein Haus leisten kann.
Im Endeffekt war es eine ganze Zeitungsseite über Waldkirchen – ohne dass wir eine Werbeanzeige bezahlen mussten. Und es hat viel gebracht: Wir haben viele Urlauber und wir haben dadurch auch Zuzüge. Wir haben etwa 150 Angebote verschickt, bei denen wir alles zusammengefasst haben: freie Arbeitsplätze, Wohnungen, Häuser, Bauflächen. Das war eine Aktion, die für die gesamte Region von Vorteil war. Natürlich ähnelt es der Landkreis-Imagekampagne – nur im Gegensatz zum Landkreis haben wir keinen Cent dafür ausgegeben.
Es war also keine geplante PR-Kampagne?
Wir haben kein Personal dafür gebraucht, kein Werbebudget. Nur für mich war es zeitaufwendig, weil ich alles in Eigenregie gemacht habe. Mit der ursprünglichen Email hatte ich eigentlich ein anderes Ziel verfolgt – aber ist ja auch egal, es war positiv für Waldkirchen und die Region. Und damit passt das auch.
„Es muss jemand kontrollieren, was alles geschrieben wird“
Auch bei Facebook machen Sie viel PR in eigener Sache. Ihr bereits nominierter Gegenkandidat der CSU, Manfred Dersch, ist der Meinung, die Facebook-Gruppe „Heinz Pollak- mein Bürgermeister, Kreis- und Bezirksrat“ schließe viele aus, lasse andere Meinungen nicht zu. Was sagen Sie dazu?
Das ist seine Meinung.
Und warum gibt es diese Gruppe überhaupt?
Entstanden ist sie – nicht durch mich im Übrigen, sondern ein paar andere haben die Seite gemacht – zur Wahl 2014. Dort hat man damals alle Nachrichten rund um die Wahl gepostet, Wahlveranstaltungen etc. Ich habe sie dann nach der Wahl benutzt, um Termine und Themen dort zu veröffentlichen. Wobei man dazu sagen muss, dass 99 Prozent der Meldungen, die dort geteilt werden, auch auf der Stadtseite oder meiner Privatseite zu finden sind. Es ist also nichts drin, was jemand nicht lesen kann, der nicht Mitglied dieser Facebook-Gruppe ist.
Dass es sich um eine geschlossene Gruppe handelt, hat einen einfachen Hintergrund: Es muss jemand kontrollieren, was alles geschrieben wird. Da geht es nicht darum, Kritik zu verhindern. Zuletzt war immer wieder in den Medien zu lesen, dass Lokalpolitiker mit persönlichen Angriffen zu tun haben. Das habe ich genauso wie alle anderen auch. Der ein oder andere ist sehr beleidigend, mit der entsprechenden Wortwahl. Das muss jemand überprüfen können. In der geschlossenen Gruppe kann nicht einfach etwas geteilt werden. Da geht es nicht um Kritik im Allgemeinen, die gibt es auch in dieser Gruppe immer wieder mal. Aber es kommt drauf an, in welcher Art und Weise sie stattfindet. Das kann man nur dann kontrollieren, wenn ich auch die Zahl der Mitglieder derart begrenze, dass ich weiß, wer da drin ist und wer nicht.
Facebook birgt die Gefahr, dass hitzige Kommentarschlachten entstehen. Warum brauchen Sie als Bürgermeister trotzdem diese Facebook-Präsenz?
Weil es mittlerweile so ist: Die Tageszeitung liest nur noch ein fünftel der Haushalte. Ich bin der Meinung, wir müssen trotzdem unsere Themen unters Volk bringen. Um die Zielgruppe zu erreichen, die keine Zeitung hat, sind die sozialen Medien nach wie vor wichtig.
„Ich habe eine feste Vision – bis über das Jahr 2030 hinaus“
Apropos Herausforderer: Ist es eigentlich schon offiziell, dass Sie bei den nächsten Kommunalwahlen wieder antreten?
Nein. Wir haben noch nichts ausgemacht. Es eilt überhaupt nicht. Im Januar 2020 ist der Termin, an dem wir es offiziell bekanntgeben. Natürlich läuft der Wahlkampf auch jetzt schon. Aber wie mein Gegenkandidat im Hog’n-Interview schon gesagt hat: Der Wahlkampf läuft bei mir seitdem ich am Ruder bin. Ich sage nicht überall Ja – und gehe auch mal auf Konfrontation mit Leuten, bei denen andere denken, dass ich die eher „hutschen“ müsste…
Was sind die wichtigsten Themen, die sie über 2020 hinaus angehen möchten, wenn Sie denn wiedergewählt werden?
Ich habe eine feste Vision – bis über das Jahr 2030 hinaus. Wir haben sehr viel vor: Wir stellen einen Flächennutzungsplan für die gesamte Stadt auf, dies dauert noch drei Jahre. Das heißt, dass wir für jeden der 80 Quadratkilometer des Stadtgebietes genau festlegen: Was ist die genaue Auslegung für die nächsten zehn, zwanzig Jahre. Wollen wir Gewerbe, Wohnbebauung, gar nichts, landwirtschaftliche Nutzfläche…
Schulrenovierungen müssen wir in Angriff nehmen. Um das alte Mittelschulgebäude müssen wir uns kümmern und uns fragen, was damit passieren soll. Das BRK-Gebäude wird neu gebaut. Das Schwimmbad muss generalsaniert werden, dazu haben wir bereits einen Förderantrag gestellt, da wir mit zehn bis 15 Millionen Euro Gesamtkosten rechnen. Wir brauchen auch zusätzlich irgendwann wieder Baugebiete – alle bisher erschlossenen sind verkauft. Wir brauchen viel mehr Wohnungen, weil ich nicht weiß, wo ich die Leute noch unterbringen soll. 80 werden etwa bis Dezember fertiggestellt, die sind aber fast alle schon wieder reserviert.
Dann müssen wir den Gesamtumbau der Innenstadt auf jeden Fall abschließen. Die Dorferneuerung Karlsbach kann heuer beginnen, auch das wird etwa drei Jahre dauern – und auch das möchte ich natürlich abschließen. Wir werden auch mit der Dorferneuerung Richardsreut voraussichtlich noch bis Ende des Jahres beginnen. Das muss der Stadtrat aber noch beschließen.
Im Übrigen: Mehr als 90 Prozent unserer Entscheidungen der letzten fünf Jahre sind einstimmig ausgefallen. Ich glaube, es gibt nirgendwo anders einen Stadt- oder Gemeinderat, der so viele einstimmige Beschlüsse gefasst hat und so fest zusammensteht. Darauf bin ich und sind wir alle sehr stolz.
„Ich weiß trotzdem nicht, ob sie ihr Kreuzchen bei mir machen“
Ein Amtsinhaber, der nicht alles falsch gemacht hat, wird wiedergewählt, heißt es oft. Ist Ihre Wiederwahl dann eh „a gmahde Wiesn“, wie man im Woid so schön sagt?
Man muss ganz ehrlich sagen: 2014 hat auch keiner gedacht, dass ich gewählt werde. Auch mein Vorgänger hat ja keine großen Fehler gemacht. Man kann in die Menschen nicht hineinschauen. Ich weiß das am allerbesten mittlerweile: Bei einigen Leuten, die einem ins Gesicht lachen und sagen, sie sind super zufrieden mit meiner Arbeit – bei denen weiß ich trotzdem nicht, ob sie am Ende ihr Kreuzchen bei mir machen.
Es gibt Gerüchte, dass es nicht bei einem Gegenkandidaten bleiben wird. Welchen Herausforderer „wünschen“ Sie sich neben Manfred Dersch noch?
Ich glaube, dass es bei einem Gegenkandidaten bleibt.
Vielen Dank, dass Sie sich für unsere Fragen Zeit genommen haben – und weiterhin alles Gute.
Interview: Sabine Simon