Waldkirchen. Ein Macher, der für die Interessen der Stadt Waldkirchen sowie seine Bürger eintritt, der klar seine Meinung sagt und relativ unabhängig von Parteizugehörigkeit und „political correctness“ agieren kann – so würde Bürgermeister Heinz Pollak sich wohl selbst gerne beschreiben. Und ja, er hat viel verändert während seiner fünfjährigen Amtszeit in der einwohnerstärksten Stadt des Landkreises Freyung-Grafenau.

„Im Bürgermeisteramt kann man viele Sachen, die man selbst möchte, auch wirklich umsetzen.“ Waldkirchens Bürgermeister Heinz Pollak mag seinen Job.
Im ersten Teil des großen Hog’n-Interviews mit Waldkirchens Rathaus-Chef zieht dieser Bilanz und beantwortet die Frage, wie sich die Stadt in den vergangenen fünf Jahren entwickelt hat. Zudem spricht er über den Bau-Boom, Ausgleichsflächen, Flächenversiegelung und das integrierte städtebauliches Entwicklungskonzept ISEK.
„Ich bin der Meinung, dass es sich gelohnt hat“
Sie sind jetzt fünf Jahre im Amt, sind einst zurückgezogen nach Waldkirchen, um Bürgermeister zu werden. Hat es sich für Sie gelohnt, alle Zelte in Ihrer ehemaligen Heimatgemeinde Stephansposching hinter sich zu lassen?
Ich bin der Meinung, dass es sich gelohnt hat und dass sich Waldkirchen gut entwickelt hat. Natürlich war es ein Risiko, weil ich im Gegensatz zu anderen Politikern nicht einfach in meinen Beruf zurückkehren kann, sondern mich neu bewerben müsste, irgendwo neu anfangen, erneut umziehen und das Haus wieder verkaufen müsste. Aber nichtsdestotrotz glaube ich, dass es die richtige Entscheidung war.
Warum? Was sind die schönen Seiten an Ihrem Beruf?
Dass man wirklich etwas kann, was in der großen Politik nicht möglich ist. Wenn ich Bundestagsabgeordneter oder Landtagsabgeordneter wäre, hätte ich überhaupt keinen Gestaltungsspielraum. Im Bürgermeisteramt hat man das – da kann man viele Sachen, die man selbst möchte, auch wirklich umsetzen.
„Das ist körperlich anstrengend, aber natürlich auch psychisch“
Gab es Situationen, in denen Sie sich Ihren Job in der Bank zurückgewünscht haben?
Ja, solche Situationen gab es. Zum Beispiel als wir unser Hochwasser hatten. Da war ich drei Tage und drei Nächte ohne Unterbrechung unterwegs. Das ist körperlich anstrengend, aber natürlich auch psychisch.
Das zweite Beispiel: die Krankenhausschließung, als wir die von mir organisierte Demonstration hatten. Das war für mich natürlich alles nervenaufreibend, auch wenn die Leute das vielleicht nicht so wahrgenommen haben. Mich hatte es schlaflose Nächte gekostet, in denen ich mir gedacht habe: Würde ich woanders sitzen, wäre es vielleicht etwas ruhiger…
Kurz und knapp beschrieben: Wie hat sich Waldkirchen in Ihrer ersten Amtszeit bisher verändert?

„Mich hat es schlaflose Nächte gekostet, in denen ich mir gedacht habe: Würde ich woanders sitzen, wäre es vielleicht etwas ruhiger.“ Foto: Hog’n-Archiv
Waldkirchen hat sich von den Einwohnerzahlen her stark verändert: Wir haben jedes Jahr zwischen 500 und 600 Zuzüge und Wegzüge. Das heißt sechs Prozent der Bevölkerung kommen hinzu und ziehen auch wieder weg. Das bedeutet: Es waren in den vergangenen fünf Jahren etwa 3.000 Leute, die auf der Durchreise waren. Seit 2014 haben wir aber unterm Strich auch einen Zuwachs von knapp 500 Einwohnern, das entspricht fünf Prozent mehr. Wir haben viele neue Betriebe hier, wesentlich mehr Arbeitsplätze vor Ort. Wir haben viele neue Veranstaltungen eingeführt, die mittlerweile gut laufen. Insofern hat sich relativ viel verändert.
Viel auch in baulicher Hinsicht: Neue Mittelschule, neue Ringmauerstraße, neue Einkaufsmöglichkeiten…
…Tourismusbüro, zwei neue Feuerwehrgebäude, neue Mensa, neuer Waldkindergarten und demnächst ein neuer Kindergarten…
…neue Gewerbegebiete, neue Baugebiete, Penninger-Ansiedlung, Caritas-Wohnheim-Neubau… Ist in Waldkirchen eigentlich jemals so viel gebaut worden wie in den letzten Jahren?
Nach dem Krieg, als die VdK-Siedlung errichtet wurde, hatten wir mal mehr. Allerdings sind die Häuser innerhalb von ein paar Jahren alle gleich gebaut worden, in der gleichen Bauweise. Ansonsten hatten wir diese Fülle an Bauvorhaben bisher noch nie.
Hohe Flächenversiegelung: Laut Pollak „völlig unumgänglich“
Gab es auch etwas, das nicht gebaut wurde in den letzten Jahren, obwohl Waldkirchen es gebraucht hätte?
Es ist nichts abgelehnt worden – wir haben alles gebaut, was zu bauen war.
Dadurch ist natürlich auch die Flächenversiegelung sehr hoch. Ist das aus Ihrer Sicht unumgänglich?
Völlig unumgänglich. Wir haben fast keine Leerstände im Gegensatz zu anderen Städten und Gemeinden. Wir haben am Stadtplatz im Augenblick zwei, ansonsten keine. Ich kann nichts wegreißen und was Neues hinbauen, weil ich nichts zum Wegreißen habe. Zudem haben wir sehr viel Zuzug auch aus den Nachbargemeinden. Was bei uns versiegelt wird, steht dort wiederum leer. Wenn man es dort renaturieren kann, ist das ja auch in Ordnung, dann ist die Fläche woanders wieder da.
Und warum ist das Wachstum der Stadt in Ihren Augen nötig?
Waldkirchen hat so gut wie keine Gewerbesteuereinnahmen – im Gegensatz zu Freyung, Hauzenberg oder Grafenau. Deshalb brauchen wir die Einkommenssteuer. Wir hatten 2,6 Millionen Euro Einkommenssteuereinnahmen im Jahr 2013. Jetzt liegen wir bei 5,3 Millionen. Allein durch den Zuzug, weil ganz viele Leute hierher ziehen, die ein Einkommen haben und die Einkommenssteuer jetzt bei uns zahlen. Bei der Gewerbesteuer lagen wir 2013/14 bei 3,4 Millionen Euro, jetzt sind wir bei 3,5 Millionen. Da hat sich nichts verändert.
„Da wird auf die Schnelle nicht viel Gewerbesteuer rein kommen“
Wenn ein großer Betrieb wie Penninger kommt, wird sich dann nichts ändern?
Das kann am Anfang gar nicht so viel ausmachen, weil diese Unternehmen Abschreibungen auf ihr Gebäude haben. Da wird auf die Schnelle nicht viel Gewerbesteuer rein kommen. Aber es kommen Arbeitsplätze und mit ihnen wieder Leute, die etwas verdienen, vielleicht hier wohnen und dadurch bei uns Einkommenssteuer zahlen. Der Zuzug ist für uns unumgänglich. Und: Es ist ja nichts Neues, dass auch wir mehr Sterbefälle als Geburten haben. Im vergangenen Jahr waren es vierzig mehr, trotzdem hatten wir am Jahresende 200 Einwohner mehr durch Zuzug. Hätten wir die neuen Baugebiete nicht gemacht, hätten wir keine Mittelschule bauen können, keinen Grundschulanbau und keinen Kindergarten, weil wir die Gelder nicht gehabt hätten.

Richtfest bei Penninger: „Das kann am Anfang gar nicht so viel ausmachen, weil diese Unternehmen Abschreibungen haben auf ihr Gebäude.“ Foto: Hog’n-Archiv
Wie schaut es in Sachen Ausgleichsflächen für die Bautätigkeiten aus: Welche wurden geschaffen?
Wir haben als Stadt ganz viel Grundbesitz, den wir dementsprechend als Ausgleichsfläche zur Verfügung stellen. Letztes Jahr haben wir eine große Fläche zwischen Wotzmannsreut und Schiefweg mit Obstbäumen bepflanzt, wir pflanzen auch in den Neubaugebieten selbst sehr viele Bäume. Wir haben demnächst eine Pflanzaktion zusammen mit der Region Zukunft, bei der jeder, der im Kapellenfeld gebaut hat, einen Obstbaum geschenkt bekommt. Wir machen da relativ viel.
Die Stadt plant nun ein integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept (iSEK). Was genau ist da enthalten, warum braucht Waldkirchen es – und wann ist es fertig?
Das bezieht sich hauptsächlich auf den Innenstadtbereich innerhalb der Ringmauern. Wir werden den Omnibusbahnhof umbauen, die Toilettenanlage vom Erdgeschoss ins Obergeschoss verlagern. Wir werden den Marktplatz barrierefreier gestalten. Der Stadtplatz gehört meiner Meinung nach dringend umgebaut. Wir brauchen eine andere Parksituation, mehr gerade Flächen. Jeder macht jetzt schon seine eigenen Treppen und Terrassen, die Stadt hat es beim Tourismusbüro auch so gemacht. Damit man mit Kinderwagen und Rollstuhl in die Geschäfte kommt. Da müssen wir dringend handeln, aber wir können es nur barrierearm machen, indem wir alles umbauen. Einzelne Auffahrrampen würden schrecklich aussehen. Und der Marktbach ist im Augenblick kein Bach, sondern ein Rinnsaal, das man eigentlich anders gestalten müsste.
Wir werden die Ringmauer komplett sanieren, das HNKKJ erweitern, oben am Büchl alles neu gestalten, die Ringmauerstraße, so wie sie jetzt ist, außen rund herum in gleicher Art und Weise weiter führen. Es ist ein Maßnahmenpaket etwa für die nächsten zehn Jahre geplant.
Städtebauliches Entwicklungskonzept bringt Fördergelder
Warum packt man das alles in ein Paket, in ein städtebauliches Entwicklungskonzept, zusammen?
Wenn wir die Sachen, die ich aufgezählt habe, selber machen würden, bekämen wir dafür zwischen vierzig und sechzig Prozent Förderung. So kann ich bis zu achtzig Prozent Förderung erhalten, so kann ich die Maßnahmen überhaupt durchführen.
Beispiel Busbahnhof: Da reden wir ja von Millionenbeträgen – und es ist ein Unterschied, ob ich vierzig oder achtzig Prozent Förderung bekomme. Die erste Maßnahme im Rahmen des Entwicklungskonzeptes war der Ringmauerumbau, der 1,5 Millionen Euro gekostet hat – 1,12 Millionen davon haben wir an Förderung erhalten. Ohne die Förderung hätten wir uns das nicht leisten können. Deshalb ist das in meinen Augen eine sinnvolle Sache.
Das neu geschaffene Restaurant „Herzstück“ baut ja momentan eine Terrasse. Bei diesen Einzelbaumaßnahmen ist allerdings die Stadt nicht die genehmigende Behörde – sondern der Landkreis. Fühlt sich eine Stadt wie Waldkirchen bei Bauvorhaben, die durch den Landkreis bearbeitet werden, übergangen? Würde man da gerne mehr mitgestalten?
Wir haben bei der Terrasse des Herzstücks mitgestaltet. Leider ist sie nicht in der Größe genehmigt worden, in der ich es gerne gehabt hätte. Sie ist nur vierzig Quadratmeter groß und damit genehmigungsfrei.
Einflussmöglichkeit hat die Stadt trotzdem: Wir legen in einem Bebauungsplan fest, wie das Gebäude ausschauen muss oder nicht ausschauen darf – und nach dem richtet sich dann die Genehmigungsbehörde, die überprüfen muss, ob unser Bebauungsplan eingehalten wird. Wir geben es letztendlich vor, was gebaut werden darf und was nicht. Ich persönlich bin der Meinung, dass man die Bauherren ohnehin zu sehr einschränkt und vieles wesentlich freizügiger machen müsste.
Bauherren dürfen unter Pollak bauen, wie es ihnen gefällt
Im Baugebiet Kapellenfeld gibt es einen Bebauungsplan…
…aber keine großen Vorgaben.
Warum nicht? Manche sagen da wahrscheinlich: Das Baugebiet hat „kein Gesicht“, oder?
Jeder, der sich ein eigenes Haus baut, muss dreißig oder vierzig Jahre lang den Kredit dafür abzahlen. Ich bin der Meinung: Wenn ich mein Leben lang für das Haus arbeiten muss, dann muss ich es so bauen dürfen, wie es mir gefällt – und nicht, wie es eine Behörde oder eine Stadt vorschreibt.

„Natürlich schaut es vielleicht nicht so schön aus, wenn ich ein kleines Holzhaus habe, daneben ein Achtfamilienhaus und daneben ein Haus im Toskanastil…“ Foto: Hog’n-Archiv
Natürlich schaut es vielleicht nicht so schön aus, wenn ich ein kleines Holzhaus habe, daneben ein Achtfamilienhaus, daneben wiederum ein Haus im Toskanastil, dahinter eine Villa. Wenn ich mir andererseits die älteren Baugebiete anschaue, die wir vor mehreren Jahrzehnten gemacht haben, wie das Bannholz zum Beispiel, da hat auch jeder gesagt: Was baut ihr da für Häuser hin? Mittlerweile sieht das kein Mensch mehr, weil alles zugewachsen ist, keiner sieht in den Garten des anderen hinein – und genauso wird es auch im Kapellenfeld einmal sein. Irgendwann ist jeder in seinem Areal abgeschirmt.
Wir wollen natürlich jeden anlocken und nicht sagen: Den wollen wir nicht, weil er den falschen Baustil hat – das ist nur möglich, wenn ich es so freizügig wie möglich anbiete.
Interview: Sabine Simon
Im zweiten Teil des großen Hog’n-Interviews mit Waldkirchens Bürgermeister Heinz Pollak haken wir nach: Gibt es parteipolitisches Gerangel zwischen ihm als Freiem Wähler und den CSU-Kollegen? Zudem gibt es Neuigkeiten in Sachen „Monsterkreuzung„…