Perlesreut. Offen, kompetent und nahbar wolle er sein, sagte Gerhard Poschinger (CSU) im Wahlkampf um das Perlesreuter Rathaus. Er wolle mit einem „unbefangenen Blick als Neueinsteiger“ sowie „mit frischer Objektivität“ ans Werk gehen. Seit zwei Monaten ist er nun als neuer Bürgermeister der Marktgemeinde im Amt. Die außertourliche Wahl war nötig geworden, weil sein Vorgänger Manfred Eibl (FW) im Oktober 2018 in den Landtag eingezogen ist.
Im Interview mit dem Onlinemagazin da Hog’n spricht Gerhard Poschinger über anstehende Projekte wie das „Neue Wohnen“ und den Umbau des Bades zum Inklusionsbad, die Fußstapfen seines Vorgängers und darüber, dass er gerne etwas auf die Beine stellen möchte, das das derzeitige Engagement vieler Jugendlicher aufgreift.
Herr Poschinger: Seit zwei Monaten sind Sie nun der Chef im Perlesreuter Rathaus. Sind Sie schon richtig angekommen?
Ich glaube noch nicht. Räumlich angekommen sicherlich, jedoch sind die Themengebiete vielseitig und die Aufgaben vielschichtig. Für diese braucht man Zeit, um sich in der Tiefe entsprechend einzuarbeiten. In den nächsten Wochen stehen grundlegende Entscheidungen an, welche mit der richtigen Sorgfalt zu treffen sind.
„Man muss seine eigenen Spuren hinterlassen“
Sie sind Neueinsteiger in der Kommunalpolitik, waren bislang kein Mitglied des Gemeinderats. Ist das ein Vor- oder ein Nachteil?
Das kann man nicht so einfach beantworten. Sicherlich ist es für mich schwieriger, weil ich mit verschiedenen bürokratischen Abläufen noch nicht ganz vertraut bin. Mir wird jetzt so richtig bewusst, wie lange es dauern kann, bis angedachte Projekte in die Tat umgesetzt werden können. Entscheidungen, die ich schnell umsetzen möchte, brauchen aufgrund des Verwaltungsaufwandes einen gewissen Vorlauf. Jedoch ist es ein Vorteil, dass ich Maßnahmen neutral bewerten kann und diese dadurch ohne Vorurteile angehe. Es gilt: Den Handlungsbedarf erkennen, das Thema anpacken, ohne dass einen der Aufwand von vornherein abschreckt.
Ihr Vorgänger Manfred Eibl war 17 Jahre lang im Amt. Wie schwierig ist es, in seine Fußstapfen zu treten?
Das wäre der größte Fehler, den man machen könnte: Zu versuchen, in die Fußstapfen des Vorgängers zu treten. Man muss seine eigenen Spuren hinterlassen. Sicherlich braucht man dafür auch Raum und Platz. Die Verdienste von Manfred Eibl sind unbestritten: Dass das, was wir in Perlesreut hier haben, eine gewisse Wirkung nach außen hat, ist klar. Aber jeder ist ein eigener Typ, ein anderer Charakter – und jeder setzt seine eigenen Schwerpunkte.
Eibl hat Vorzeigeprojekte wie die „Bauhütte“ und „Neues Wohnen Perlesreut“ in die Wege geleitet – wie geht es mit diesen Projekten weiter?
Die Bauhütte hat sich überregional etabliert. Sie ist ein Vorzeigeobjekt für Perlesreut, das unser kulturelles Leben bereichert. Es ist wichtig, diese Angebote an Bildungs- und Kulturveranstaltungen auszubauen und dafür weitere Partner zu finden.
Das Neue Wohnen wurde angestoßen und befindet sich in der Orientierungsphase. Ich gebe offen zu: In diesem Thema bin ich noch nicht ganz drin – was sicherlich der kurzen Zeit geschuldet ist, in der ich im Amt bin. Es ist jedoch ein wichtiges Thema, mit dem ich mich in den nächsten Wochen intensiv auseinander setzen werde.
Anstehende Bauprojekte: Inklusionsbad, Kindergarten, Schule
Aber es wird definitiv weitergehen mit dem Projekt?
Definitiv. Die Idee finde ich gut, einen neuen Weg zu verfolgen, um zu ermitteln: Was ist der Wohn-Bedarf? Aber wie gesagt: In die Akten habe ich noch relativ wenig hineingeschaut. Wir haben jetzt die Baustelle mit dem Inklusionsbad, die vorrangig läuft beziehungsweise parallel zum Kindergarten und der Schule. Wir haben unsere Kläranlagen, die Wasserversorgung – all das sind Punkte, die gerade abgehandelt werden und die auch sehr viel Zeit erfordern.
Warum starten die Umbauarbeiten beim Inklusionsbad erst im Herbst?
Wir wollen die Badesaison 2019 noch mitnehmen. Ein weiterer Grund ist die Beheizung mit Palmöl: Hier gibt es noch Restbestände, die nicht unerheblich sind, zudem besteht eine Abnahmeverpflichtung, der wir nachkommen müssen – ansonsten entstehen weitere Kosten. Durch den Baubeginn im Herbst haben wir den Vorteil, dass es wirtschaftlich machbar ist, von der Palmöl-Heizung weg zu kommen und zukünftig auf regenerative Mittel zurück zu greifen. Es ist mir ein großes Anliegen – gerade jetzt, wo der Umweltschutz immer mehr zum Thema wird – hier ein entsprechendes Statement zu setzen. Ebenso bin ich überzeugt, dass wir für Arbeiten in den Wintermonaten günstigere Angebote erhalten.
Wenn es im Herbst losgeht, wird das Bad dann pünktlich zur Badesaison im nächsten Jahr fertiggestellt sein?
Ich denke, es wäre vermessen zu sagen: Ja, das schaffen wir leicht bis Mai oder Juni. Da muss man ehrlich sein – das wird nicht funktionieren. Der Plan des Architekten ist es, einen Teil der Badesaison 2020 mit zu nehmen. Da werden wir natürlich alles daran setzen, dass dieser Teil möglichst groß ausfällt.
Vom Versorgungstechniker zum Bürgermeister
Sie haben bisher in mittelständischen Unternehmen und Planungsbüros als Versorgungstechniker gearbeitet. Wollen Sie daher auf den Bereich Wasser/Abwasser/Kanal einen besonderen Fokus legen?
Ich denke, es ist tatsächlich meiner Vorgeschichte geschuldet, dass ich mich fachlich bei der Planung des Inklusionsbades mit einbringe. Hier kann ich meine Wurzeln nicht verleugnen. Daher auch der Gedanke, bei der Heizung auf regenerative Energien zu setzen. Sicherlich habe ich im Bereich Kanal und Wasserversorgung berufliche Vorkenntnisse, die mir gewisse Vorteile verschaffen. Wir müssen schauen, dass unsere Wasserversorgung gesichert ist und wir auf dem aktuellen Stand bleiben. Es ist eine Notwendigkeit. Neue Bestimmungen und Richtlinien geben uns vor, unsere Kläranlage zu modernisieren.
Eines Ihrer wichtigsten Ziele: Wohnungsnot bekämpfen und junge Familien in Perlesreut halten. Wie genau wollen Sie das erreichen?
Im zur Gemeinde Perlesreut gehörigen Dorf Marchetsreut werden zehn Parzellen mit Baumöglichkeiten geschaffen. Zudem setzen wir vereinzelte Baumaßnahmen auf bereits bestehenden Baugrundstücken um. Des Weiteren greift hier das Projekt Neues Wohnen, das zukünftig aktiv weiter verfolgt wird.
Die umliegenden Dörfer in das gemeindliche Leben einzubinden, sei wichtig – das haben sowohl Sie als auch ihre Konkurrentin um das Amt des Bürgermeisters, Diana Scheibelberger, im Wahlkampf betont. Warum ist das ein Thema? Gibt es da momentan Probleme?
Nein, aber es ist mir wichtig alle Perlesreuter mitzunehmen. Ein schöner Marktplatz ist repräsentativ und muss es auch sein, damit man den Einzelhandel und die Geschäfte vor Ort halten kann. Wenn ich einen verfallenen Marktkern habe, wird sich kein Arzt, kein Apotheker und kein Laden ansiedeln. Dass es richtig war, den Markt herzurichten, beweisen etwa verschiedene Neuansiedelungen von Geschäften. Es ist wichtig, dass die Nahversorgung für alle gesichert ist. Das kommt auch der umliegenden Dorfbevölkerung zu Gute, wobei gleichzeitig der Eindruck entstehen könnte: Aha, im Zentrum wird alles gemacht – und bei uns nicht. Dies darf nicht geschehen.
Wie wollen sie den Marktkern weiter beleben beziehungsweise belebt halten?
Belebt wird unser Marktkern etwa durch Vereinsfeste und Veranstaltungen, vom Drescherfest bis hin zum Perchtenlauf. Aufgrund dessen, dass wir derzeit keine Gastronomie mit Sitzmöglichkeiten im Bereich des Marktplatzes haben, werden wir auch in diesem Jahr wieder unsere Perlesreuter Biergärten veranstalten. Auch die Bauhütte dient zur Belebung unseres Ortes.
Der Dialog aller Interessensvertreter ist für Sie von Bedeutung. Wie wichtig oder unwichtig ist dabei die Parteipolitik? Sie sind in der CSU, ihr Vorgänger war Freier Wähler. Spielt das eine Rolle?
In der Position eines Bürgermeisters muss ich gemeinsam mit unserem Gemeinderat Entscheidungen zum Wohle der Bürger treffen. Ausschlaggebend kann hier nicht das Partei-Denken sein. Sicherlich werden angesichts der Kommunalwahlen nächstes Jahr die eigenen Positionen verstärkt vertreten werden. Allerdings bin ich mir sicher, dass Perlesreut das Glück hat, über einen Gemeinderat zu verfügen, der gemeinsam Projekte voran bringt.
„Müssen der Jugend Raum zur Gestaltung bieten“
Gibt es Projekte, bei denen es nach dieser Amtsperiode heißen könnte: Das ist etwas, das der Poschinger sich auf die Fahnen schreiben kann?
Ich finde, wir müssen bei der Jugend aktiv werden. Wenn Schüler freitags auf die Straße gehen und etwas bewegen wollen, müssen wir ihre Interessen ernst nehmen. Es ist eine Aufbruchsstimmung da! Das muss man richtig anpacken – und daraus kann man ein Bewusstsein schaffen, Verantwortung für ihre Umwelt und Gesellschaft zu übernehmen. Wenn ich nach meiner Amtszeit sagen kann: In Perlesreut gibt es eine Generation, die sich Gedanken macht, mitdenkt und sich engagiert, würde mich das freuen.
Und wie könnte man das hinkriegen? Denken Sie da an Veranstaltungen? Oder spezielle Projekte für die Jugend?
Veranstaltungen alleine sind immer zu kurzfristig. Man muss etwas schaffen – eine Einrichtung, die sich die Jugend auch selbst organisiert. Ein Eigengewächs, das selbst geschultert wird, ist immer besser als etwas Aufgesetztes. Dafür müssen wir ihnen Raum zur Gestaltung bieten. Dies ist sicher auch ein gemeinsames Thema für unsere ILE.
Vielen Dank für das Gespräch – und viel Erfolg für die Zukunft!
Interview: Sabine Simon