Perlesreut. Das große Warten hat jetzt ein Ende: Nach fast zweijähriger Bauzeit wird die „Bauhütte“ in Perlesreut nun eröffnet. Ab Samstag, dem 9. Mai wird es keine Spekulationen mehr darüber geben, wie das historische Anwesen am Marktplatz 11 nach den Sanierungsarbeiten aussehen wird – jeder kann sich dann selbst ein Bild vom einstigen Schandfleck machen. Entstanden ist aber nicht nur ein architektonisches Paradebeispiel, sondern auch eine Heimat für die ILE Ilzer Land. In den historischen Räumlichkeiten will das interkommunale Netzwerk unter anderem Beratungen in Sachen Sanierung alter Gebäude und Wiederbelebung von Leerständen anbieten. Manfred Eibl hat uns schon vorab gezeigt, wie sich das einst vom Zerfall bedrohten Haus gewandelt hat. Was alles in der Bauhütte geboten sein wird und was eigentlich die ILE Ilzer Land damit zu hat, erklärt der Perlesreuter Bürgermeister und ILE-Vorsitzende im Hog’n Interview…
„Das Gebäude hat die nötigen Voraussetzungen erfüllt“
Herr Eibl, warum darf der Markt Perlesreut das Projekt „Bauhütte“ umsetzen und nicht eine andere Gemeinde?
Alle Kommunen der ILE Ilzer Land haben sich bewerben können. Voraussetzung dafür war ein Gebäude, das Denkmalschutzcharakter hat – aber auch zentrumsnah gelegen ist. Eine unabhängige Kommission aus Vertretern der Regierung von Niederbayern, dem Amt für ländliche Entwicklung und einer Architektengruppierung hat sich dann auf dieses Anwesen einen Empfehlungsbeschluss gefasst.
Perlesreut gilt als „Hauptstadt“ der ILE – hat das bei der Entscheidungsfindung eine Rolle gespielt?
Nein, überhaupt nicht. Das Bauwerk und der Standort haben die nötigen Voraussetzungen erfüllt. Letztlich hat sich die Vorstandschaft, bestehend aus ILE-Bürgermeistern, für dieses Haus entschieden.
Was erhofft sich der Markt Perlesreut von der Bauhütte?
Der Markt selber investiert sehr viel Geld – wir reden von einer Gesamtinvestition von zirka 3,2 Millionen Euro. Hinzu kommt ein Privatinvestor, der rund 800.000 Euro aufwenden wird. Wir erhoffen uns durch die Bauhütte eine Belebung des Ortszentrums. Im Gebäude selbst werden Projektkoordinatoren als Berater für Bürger des Verbundes bei Fragen rund um das Thema Sanierung von alten Gebäuden fungieren.
„Das Gebäude wird auch eine Begegnungsstätte“
Was wird dort sonst noch geboten sein?
Im historischen Gewölbekeller wurde ein kleiner Veranstaltungsraum geschaffen, der für Ausstellungen, Lesungen oder kleinere Feierlichkeiten vorgesehen ist. Dieser wird in Verbindung mit der örtlichen Gastronomie genutzt – damit man diese stärkt. Die ILE Ilzer Land hat als Mieter das Recht, alle Räumlichkeiten zu nutzen – genauso wie der Bauherr, der Markt Perlesreut. Zudem wird im Gebäude eine Begegnungsstätte samt Bücherei entstehen. Im ersten Stock wurde zudem ein kleines Seminarzentrum eingerichtet, das den Ilzer-Land-Gemeinden kostenlos zur Verfügung steht. Die Räume können beispielsweise für Tagungen, Informationsveranstaltungen oder Bewusstseinsbildungsprozesse genutzt werden. Das Seminarzentrum kann aber auch von Firmen genutzt werden.
Es ist wohl eher selten, das ein Netzwerk wie die ILE eigene Räumlichkeiten anmietet?
Wir sprechen hier von einem bundesweiten Vorzeigeobjekt. Die Bauhütte kann man sich – neben der gesellschaftlichen Nutzung – zum Beispiel nehmen, mit welchen Mitteln und Möglichkeiten man es schafft, ein altes Haus wieder auf den neusten Stand zu bringen.
Was im Falle des Weiß-Hauses, wie es in Perlesreut genannt wird, nicht einfach war.
Absolut. Über Jahrzehnte hinweg war es ein Wohn- und Geschäftshaus – Ende der 50er Jahre mit einem kleinen Laden und Mietern im oberen Stock. Nach dem Tod der Besitzer ist es nach und nach verkommen – man kann sagen: in sich zusammengefallen.
Die Gemeinde hat ein Nutzungskonzept erarbeitet und dann am 9. August 2013 mit den Sanierungsarbeiten begonnen. Da das Gebäude ein Einzeldenkmal ist und auch unter Denkmalschutzkriterien wiedererrichtet wurde, haben die Baumaßnahmen fast zwei Jahre gedauert.
„Nur gemeinsam kann man anstehende Aufgaben meistern“
Ist es ein Vor- oder Nachteil, dass mit der MST Consulting GmbH ein privater Investor mit im Boot ist?
In diesem Fall ist das kein Nachteil, da es sich um Teileigentum handelt und alles klar geregelt ist. 30 Prozent des Gesamtprojektes sind Privateigentum. Der Investor schafft – in enger Zusammenarbeit mit dem Markt – sechs barrierefreie und behindertengerechte Wohnungen, die er auch selber vermarktet. Das hätte die Kommune allein stemmen können, da für wirtschaftliche Maßnahmen keinerlei Födermittel gestellt werden.
Integrierte ländliche Entwicklung, kurz ILE – über diese interkommunalen Zusammenschlüsse wird immer wieder diskutiert. Was entgegnen Sie Kritikern, die behaupten, es sein nur eins von vielen Netzwerken?
Das Ilzer Land ist immer sehr genau beobachtet worden. Es wurde immer mit Sorgen verfolgt, was sich da entwickelt. Die Erfolge der Vergangenheit haben uns aber bestätigt – nur gemeinsam können wir die anstehenden Aufgaben meistern. Typisches Beispiel: Wir sind als Ilzer Land als Ökomodellregion auserkoren worden. Wir schaffen eine weitere Wertsteigerung unserer Region. Ein Beweis für unsere klare konzeptionelle Entwicklung.
„Letztendlich kommt es auch dem Landkreis zu Gute“
Aber für Regionalentwicklung steht doch auch das Landratsamt?
Schon. Aber jede Region hat eine andere Ausrichtung – die Nationalparkregion hat andere Probleme als die Ilzer Land Region. Je nach Größe des Gebildes ist es umso schwieriger, dieses zu lenken und Entscheidungen herbeizuführen. Die ILE kümmert sich um Aufgaben vor Ort, die das Landratsamt personalmäßig gar nicht erledigen könnte – die letztendlich aber auch dem Landkreis zu Gute kommen. Und wir haben Zugriff auf Fördermittel, die wir sonst nicht hätten. Durch unser Tun und Handeln haben wir auch viele animiert, auf den ILE-Zug aufzuspringen. Fast alle Kommunen – die letzte war Zenting, die in keinem ILE-Gebilde ist – arbeiten interkommunal zusammen.
Vielen Dank für das Interview.
Interview: Magdalena Resch und Helmut Weigerstorfer