Pleiskirchen. Häuslaign, ein kleiner Weiler unweit der Gemeinde Pleiskirchen im Landkreis Altötting. Alleinlage. Die Vögel zwitschern, die Grillen zirpen, das Läuten der Kirchenglocken ist in der Ferne zu hören. Fredl Fesl, 71, kommt gerade vom Schwammerl suchen nach Hause, im Korb befinden sich überwiegend Maronen, auch ein paar „Dobernigl“ (Steinpilze) sind mit dabei. Seine Frau Monika hat Kaffee und Kuchen gemacht. Die Idylle scheint perfekt. Nichts ist zu spüren von der Krankheit, die dem einstigen Volksbarden und Erfinder des bayerischen Musikkabaretts seit mehreren Jahren zu schaffen macht: Parkinson. Seinen Humor hat Fredl Fesl dennoch nicht verloren. Eine Momentaufnahme in zwei Teilen.
„Nein, ich bin nicht immer lustig – aber so richtig grant’ln tu ich auch nicht. Also eher selten“, sagt Fredl Fesl und nippt von seiner Tasse, die er mit zittrigen Händen zum Mund führt. Er atmet hörbar angestrengt. Das Formen der Worte, die Aussprache dessen, was ihm gerade durch den Kopf geht, fällt ihm sichtlich schwer. Seine Frau Monika springt häufig für ihn ein, wenn dem gebürtigen Grafenauer das, was er seinem Gegenüber mitteilen möchte, nicht so recht über die Lippen kommen mag. Die beiden sind seit über zehn Jahren verheiratet, kennen sich seit mehr als 30. Und man merkt schnell: Die Fesls sind ein eingespieltes Team.
„Bananen und Orangen wären mir viel lieber gewesen“
Sein Bühnen-Charakter und sein realer Charakter waren immer recht eng miteinander verbandelt, sagt Fredl Fesl heute im Rückblick. „Auf der Bühne war ich genau so, wie ich auch tagsüber gewesen bin.“ Gerade wegen seiner durchdringenden Authentizität wurde er von seinem Publikum geschätzt, ja geradezu vergöttert. Dabei habe er nie vorgehabt, ein Musiker, Sänger oder Kabarettist zu werden. „Ich wollte gar nichts werden“, sagt er trocken – und beißt in den Kuchen.
Als er Anfang der 50er Jahre in Grafenau eingeschult wurde, bekam er eine Schultüte mit einem warmen Schal und ein paar Socken drin geschenkt. Zwar keine schlechte Grundausstattung für die doch recht harten Winter im Woid, doch ihm wären damals „Bananen und Orangen viel lieber gewesen“, sagt er und schmunzelt. Gewohnt hat er mit seiner Familie unweit des Grafenauer Bahnhofs, in einem Haus, wo einst eine Jugendherberge untergebracht war. Die Erinnerungen an die Zeit im Bayerwald seien schon recht verblasst. Erst als er mit der Arbeit zu seinem 2015 erschienen Buch „Ohne Gaudi is ois nix“ angefangen hatte, „sind immer wieder mal alte Gesichter aufgetaucht“.
Doch als Einzelgänger sei er überwiegend allein im Wald unterwegs gewesen. Auch am „Griaber Bachal, da wo der Salzstadel steht, an der Straße Richtung Elsenthal“, habe er viel Zeit verbracht. Nachdem er im Alter von acht Jahren vom Bayerischen Wald nach Greding in Mittelfranken, in die Heimat seiner Mutter, und später dann nach München umgezogen war, wurde der Kontakt zu seinem Geburtsort im Laufe der Jahre immer weniger. Zum Schwammerl suchen jedoch zog es ihn immer wieder mal in die Gegend. Auch deshalb, weil seine Eltern sich gegen Ende ihres Lebens noch einmal für eine Rückkehr in den Bayerwald entschieden: Die Eltern lebten bis zum Tod der Mutter im Jahr 1989 in Thurmansbang, den Vater zog es danach zur Stiefschwester nach Schönberg.
Fesl und seine „niederbayerische Heimat Niederbayern“
Nach all den Wohnortwechseln während seines Lebens fühlt er sich nun im oberbayerischen Pleiskirchen angekommen und daheim – trotz seiner „niederbayerischen Heimat Niederbayern“. Ein Kalauer, ein Wortspiel, das ebenso wie sein Bart und seine mönchsgleiche Gesamterscheinung über die Jahre hinweg zum Markenzeichen geworden ist. „Da droben ist eine Straße nach Neumarkt St. Veit“, sagt Fesl, nippt von seinem Kaffee und deutet den Hang hinauf. „Wenn ich drüber geh, bin ich im Landkreis Rottal-Inn.“ Niederbayern liegt heute also einen Steinwurf für ihn entfernt.
Fesls Eltern haben ihn als Musiker und Alleinunterhalter noch einige Jahre auf der Bühne miterlebt. „Meine Mutter war recht stolz“, erinnert er sich. „Mein Vater auch – aber er hätt’s nie zugegeben.“ Recht streng sei er gewesen. Da gab’s auch schon mal die ein oder andere Watschn. „Er wollte, dass alle seine Söhne einmal in der Blaskapelle spielen.“ Bereits mit vier Jahren habe sein Vater ihm deshalb die Es-Klarinette in die Hand gedrückt. „Mir haben die Backen immer weh getan vom Reinblasen. Und der Daumen“, erinnert sich Fredl Fesl an seine musikalischen Erstversuche. „Dann hat er gesagt: Ja gut, dann lernst du halt Akkordeon. Das hat er mir dann umgeschnallt, da konnte ich gerade so drüberschauen.“ Zwei Stunden täglich musste er in dem Haus in Grafenau üben. Später, zu seiner Bundeswehr-Zeit in Mittenwald, kam dann die Gitarre hinzu.
Mehr als zehn Jahre ist es nun her, seitdem er das letzte Mal auf der Bühne gestanden ist: Am 6. Juli 2007 in Au in der Hallertau. Daran erinnert er sich noch genau. „Wobei das nicht ganz richtig ist: Im Zirkus Krone, beim Schmidbauer Werner, bist du später auch noch aufgetreten.“ Stimmt. Drei Lieder habe er damals gesungen, bestätigt Fesl. Vermissen würde er die Konzerte und Auftritte vor Publikum heute nicht mehr, sagt er. Und fügt sogleich hinzu: „Finanziell vielleicht.“ Doch so etwas wie Wehmut komme bei ihm nicht mehr auf.
Wenn das Leben vom Zufall beeinflusst wird…
Monika Fesl stammt gebürtig aus Stuttgart. Aufgewachsen ist sie in München. Ihre Eltern haben Ende der 70er in Solla bei Thurmansbang ein Haus gebaut. Als Ferienwohnsitz. Unweit von Fredls Eltern, die ihren Lebensabend ebenfalls im Bayerwald verbringen wollten. Ein Wink des Schicksals? „Als wir das herausgefunden haben, waren wir gerade auf La Gomera“, erinnert sich Fredl. Er machte auf der Kanareninsel mit Freunden Urlaub. Sie ebenso. Ihr Zusammentreffen kam über einen gemeinsamen Bekannten zustande. „Beim ersten Kennenlernen hat sich herausgestellt, dass seine Stammkneipe die Liederbühne Robinson in der Dreimühlenstraße in München ist, wo ich gewohnt habe“, berichtet Monika und lächelt. „Wir hätten also gar nicht erst nach La Gomera fahren müssen, um uns über den Weg zu laufen.“ Zufälle gibt’s…
„Ich war gerade auf La Gomera angekommen. Für Monika war’s der letzte Urlaubstag, für mich der erste“, erzählt Fredl weiter. „Er sah ganz anders aus damals – nicht so Prinz-Eisenherz-mäßig. Die Haare und der Bart waren ganz kurz“, ergänzt Monika. Bei der Abreise habe er sie dann gefragt, ob er sie mal zum Essen einladen dürfe, daheim in der Dreimühlenstraße. „Und dann sagst eigentlich immer, dass ich am Anfang gar nicht mögen hab“, erinnert sie sich und lacht. Er: „Ich hab gesagt, das gewöhn‘ ich dir ab.“ Liebe auf den ersten Blick sei es jedenfalls nicht gewesen. Darüber sind sich die beiden einig. „Als wir dann miteinander ausgegangen sind, hab ich nicht wirklich gewusst: Fasziniert mich der Fesl als Promi – oder ist er jetzt wirklich so nett?“ Heute weiß sie, dass es letzteres war.
Stephan Hörhammer
Im zweiten Teil unseres Besuchs auf dem Fesl’schen Anwesen in Häuslaign berichten Fredl und Monika u.a. darüber, wie sie gelernt haben mit der Krankheit Parkinson umzugehen, wen sie für seinen legitimen Nachfolger bzw. Nachfolgerin halten – und mit welchen Gefühlen die beiden in die Zukunft blicken.
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(Anmerkung d. Redaktion: Der Besuch der Hog’n-Redaktion im Hause Fesl fand im Oktober 2017 statt. Der verzögerte Veröffentlichungszeitpunkt hängt damit zusammen, dass die Aufzeichnungen und Notizen zwischenzeitlich verloren gegangen waren und erst kürzlich wieder aufgetaucht sind. Wir bitten diesen Umstand zu entschuldigen.)
Sehr bedauerlich, daß Fredl Fesl nicht mehr auftreten kann. Habe seinen speziellen Humor
gemocht, auch wenn ich als Preuße oft nur die
Hälfte verstanden habe😥