München/Passau/Zenting. Toni Schuberl ist angekommen am großen politischen Ziel – im Landtag, in München. Als zweitstärkster Stimmensammler auf der niederbayerischen Liste der Grünen hat es der 35-Jährige in das höchste Gremium des Freistaats Bayern geschafft. Diese neue Aufgabe in der Landeshauptstadt bringt für den in Zenting lebenden Passauer Kreisrat aber auch einen kleinen negativen Aspekt mit sich, wie der vierfache Familienvater im Hog’n-Interview verrät. Im ersten Teil des großen Nachwahl-Interviews analysiert der frischgewählte rechtspolitische Sprecher der Landtags-Grünen zudem das starke Ergebnis seiner Partei bei den jüngsten Abstimmungen – und verdeutlicht, warum es gar nicht so schlecht ist, weiterhin in der Opposition zu sein.
Herr Schuber: Sie gehören als Grünen-Abgeordneter erstmals dem bayerischen Landtag an. Klingt diese Tatsache auch mehr als einen Monat nach der Wahl immer noch ein bisschen unrealistisch?
Ganz kapiert habe ich es noch nicht (schmunzelt). Es fühlt sich nach wie vor komisch an, dass ich nun Landtagsabgeordneter bin – aber die Sache wird immer realer.
Wie überraschend war der Einzug in den Landtag für Sie tatsächlich?
Es hatte einige Unwägbarkeiten gegeben, die das Ganze etwas unwahrscheinlich hat werden lassen. Ich war mir jedoch sicher: Erreichen die Grünen in Niederbayern zwei Mandate, werde wohl ich eins davon bekommen. Dieser Fall ist dann auch eingetreten.
„Einige Einladungen werde ich wohl ablehnen müssen“
Insgesamt war es ein großes Hinfiebern, bis wirklich festgestanden ist, dass ich in den Landtag einziehe. Spiegeln die guten Umfragewerte das tatsächliche Wahlergebnis wider? Wie werden die Grünen in Niederbayern abschneiden? Ein dauerndes Rechnen und Spekulieren, zumal ich mit Marlene Schönberger eine starke Konkurrentin um den zweiten Platz neben Rosi Steinberger hatte.
Wie wird einem denn mitgeteilt, dass das Ergebnis für einen Platz im Landtag gereicht hat?
Es gibt da keinen offiziellen Anruf oder ein Bestätigungsschreiben. Montagabend nach der Wahl wurden die Endergebnisse im Internet bekanntgeben, woraufhin mich gleich viele Freunde angerufen haben, um mir zu gratulieren. Erst dann wurde mir das Ganze etwas bewusster.
Wie ist die Stimmungslage: Hochgefühl ob des Einzugs in den Landtag – oder eine gewisse Furcht vor dem Ungewissen?
Nein, Furcht ist überhaupt keine dabei. Ich habe das erreicht, was ich wollte. Es wird eine Herausforderung, das ist klar. Die größte wird sein, dass ich Familie und Beruf unter einem Hut bekomme. Ein für mich sehr wichtiger Punkt. Es gibt genügend Politiker, die bereits mehrmals verheiratet sind – das möchte ich auf alle Fälle vermeiden. Ich bin glücklich verheiratet und zufriedener Familienvater.
Wie werden Sie ihren Alltag organisieren?
Ich werde das Wahlkreisbüro von Rosi Steinberger in Passau übernehmen. In den Sitzungswochen werde ich von Dienstag bis Donnerstag in München sein. Das ist schon a bissal blöd. Früher habe ich mir immer gedacht: Hoffentlich muss ich nicht auf Montage weg wie andere Arbeiter. Nun bin ich praktisch auf Montage. Die restlichen Tage werde ich dann für Termine im Wahlkreis freihalten, wobei – je nach Situation – der Samstag oder Sonntag ausschließlich der Familie gehören wird. Aus diesem Grund werde ich einige Einladungen auch nicht annehmen können.
Sind das nun alles nur gute Vorsätze, die im Alltag gleich in Vergessenheit geraten?
Nein, auf keinen Fall. Ich werde Kompromisse eingehen müssen. Meine Berufung in den Landtag bringt Einschränkungen im Familienleben mit sich. Ich wohne ja in Zenting und habe in Passau an der Uni gearbeitet, das heißt: Ich habe täglich viel Zeit auf der Straße verbracht – zweimal 45 Minuten. Zeit, die ich mir nun spare. Deshalb glaube ich, dass es einfacher wird für mich. Hoffentlich…
„Ich bin Sozialdemokrat, Liberaler und Linker“
Gibt es eine Art Leitfaden für Neuabgeordnete – oder wie darf man sich Ihre ersten Tage und Wochen im Landtag vorstellen?
Die politischen Vorgänge sind ja nicht neu für mich. Nur die Abläufe muss ich kennenlernen. Deshalb wird es für mich wichtig sein, für das Münchener Büro jemanden zu bekommen, der etwas Erfahrung hat und mir helfen kann. Der Rest wird sich nach und nach ergeben.
Blicken wir noch einmal auf die Landtagswahlen zurück: Worin liegt das beachtliche Ergebnis der Grünen begründet?
Ich kann mich an eine Rede von Passaus Oberbürgermeister Dupper erinnern, in der er die Grünen als letzte staatstragende Partei bezeichnet hat, die man unbedingt braucht. Bezeichnend. Wer hätte gedacht, dass die Grünen irgendwann als staatstragende Partei gelten? Während andere Parteien jedoch regelrecht auseinandergeflogen sind, haben wir ruhige und sachliche Politik gemacht. Die Leute haben wahrgenommen, dass wir für gewisse Werte stehen – und das schon seit Jahren. Die Reaktion auf unterschiedlichste Themen der Grünen war immer vernünftig – und das respektieren die Bürger mittlerweile.
Was entgegnen Sie denjenigen, die behaupten, das Abschneiden der Grünen sei eine Art linksorientierte Protestwahl?
Die politische Einordung in „links“ und „rechts“ ist meiner Meinung nach nicht mehr aktuell. Die Konfliktlinie hat sich verschoben. Es gibt inzwischen eine soziokulturelle Bruchstelle zwischen liberaler und illiberaler Gesellschaft. Hier stehen wir Grüne deutlich auf der liberalen Seite, die AfD auf der illiberalen. Die anderen Parteien – bis auf die Linke – können sich nicht so richtig entscheiden.
Es mag komisch klingen, aber: Ich bin durchaus auch ein konservativer Mensch. Es gibt gewisse Dinge, die ich bewahren möchte – die Schöpfung, oder die Sachen, die unseren Staat ausmachen, genauso einige Traditionen. Die sozialen Errungenschaften der Vergangenheit, die für gut befunden wurden und sich durchgesetzt haben, möchte ich gestärkt wissen. Insofern bin ich Sozialdemokrat. Ich möchte aber auch, dass nicht alles vom Staat gesteuert wird. Insofern bin ich ein Liberaler. Und im Kampf gegen den Rechtsextremismus bin ich ein Linker.
„Die anderen Parteien haben jeden Fehler gemacht, der möglich war“
Anders gefragt: Sind die Grünen Nutznießer der bescheidenen Außendarstellung der GroKo in Verbindung mit dem bundesweiten Absacken der Volksparteien CDU/CSU und SPD – und letztlich gar nicht für den eigenen Erfolg verantwortlich?
Natürlich hat uns die Schwäche der Arrivierten in die Karten gespielt. Der Wahlkampf ist nicht nur perfekt verlaufen, weil wir keine Fehler gemacht haben. Die anderen Parteien haben darüber hinaus jeden Fehler gemacht, der möglich war… wer berät die eigentlich? Die CSU ist seit 60 Jahren an der Macht, hat unendlich viel Geld, aber wohl sehr schlechte Berater. Damit meine ich nicht nur Horst Seehofer, sondern auch Markus Söder. Wer hat nur noch Symbolpolitik betrieben, ohne die wirklichen Probleme anzupacken? Söder hat Geld übers Land verteilt und Kreuze aufhängen zu lassen – und ein Raumfahrtprogramm aufgestellt, wobei Letztgenanntes nicht mal so schlecht ist. Doch das alles war reine Show-Politik.
Dobrindt wollte eine konservative Revolution anzetteln. Eine Begrifflichkeit der Nationalsozialisten. Asyltourismus… solche Dinge wurden gesagt. Sogar Manfred Weber, den ich eigentlich sehr schätze, hat von einer „finalen Lösung“ der Flüchtlingsfrage gesprochen. In der Panik, weil es plötzlich am rechten Rand eine Partei gab, hat die CSU Sachen gesagt, die unsäglich sind. Das Problem der CSU nur auf Seehofer zu beschränken, wäre dennoch zu einfach.
Das alles hat dazu beigetragen, dass die Grünen diese tollen Ergebnisse erreicht haben. Diese Entwicklung war jedoch eine längerfristige. Nach Fukushima waren wir bereits im Aufschwung. Damals haben wir jedoch Fehler gemacht – und die CSU hat uns mit unfairen Fouls gestoppt. Doch auch diese Delle konnte unseren Aufwärtstrend nicht stoppen. Grüne Themen wie Klimawandel, Flächenfraß, Umweltschutz werden immer deutlicher – und damit wichtiger.
Entwickelt sich dadurch ein Gefühl der Überlegenheit?
Nein, das nicht. Wir schauen nicht zurück und fühlen uns bestätigt, weil wir bereits vor einiger Zeit gewisse Dinge erkannt und angesprochen haben. Wir sind immer noch dabei, zu überzeugen. Die Bevölkerung hat das bereits wahrgenommen, die Staatsregierung nicht.
Wie bitter ist dies vor dem Hintergrund, dass die Grünen weiterhin in der Opposition sind?
Opposition ist nicht so schlecht, vor allem als Oppositionsführer. Wir hätten gerne regiert, es hat aber nicht geklappt. Es wäre unter Söder sehr schwierig geworden. Man darf aber nicht vergessen: Wir sind zweitstärkste Fraktion. Hätten wir regiert, wäre es zu einer Großen Koalition gekommen. Und eine GroKo ist eigentlich nicht gut für die Demokratie. Es ist besser, wenn die zweitgrößte Fraktion Oppositionsführer ist, um zu zeigen, dass es bei den nächsten Wahlen eine Alternative gibt. Wir haben Rückenwind.
Interview: Stephan Hörhammer und Helmut Weigerstorfer
Ist das neue schwarz-orangene Koalitionsbündnis das befürchtete „Weiter so“ in Bayern? Wohin führt der Weg der Sozialdemokraten? Und: Wie ist das erneut beachtliche Ergebnis der AfD im Bayerischen Wald zu erklären? Diese Fragen versucht Neu-MdL Toni Schuberl im zweiten Teil unseres Hog’n-Nachwahl-Gesprächs zu beantworten.
Gruesse aus dem Exil: Wer sind den die Minderheiten die beleidigt worden sind?? Doch nicht die Betreuer die fuer sich und ihre Brotgeber gewaehlt haben? Sollte das so gemeint sein muesste ich aber extrem aufklaerend einwirken!