Passau/Freyung. Jetzt ist es draußen: Am neunten Mord-Prozesstag am Landgericht Passau hat der bislang schweigende Angeklagte Dominik R. (23) gestanden, seine Freundin Lisa H. (20) in der Nacht auf den 27. Oktober 2016 im einst gemeinsamen Schlafzimmer erstochen zu haben. Dazu ließ er einen seiner beiden Verteidiger, Prof. Dr. Holm Putzke, eine Erklärung in Ich-Form vortragen.
Das Interesse der Öffentlichkeit war an diesem Montag wieder stärker aufgeflammt, nachdem in der vergangenen Woche eine Einlassung des Angeklagten angekündigt worden war. Vor dem Landgericht waren – genauso wie in den ersten Prozesstagen – bereits ab 7 Uhr morgens die Zuschauer Schlange gestanden, um einen der begehrten, aber begrenzten Plätze im Schwurgerichtssaal zu ergattern.
„Bring mich um, ich habe eh nix zu verlieren“
Doch der Tag begann unspektakulär – mit zwei Randzeugen. Sie hatten R. auf dem Waldkirchner Recyclinghof gesehen, Ende Oktober 2016. Mindestens einmal könnte der Angeklagte nach der Tat auf diese Weise blutdurchtränkte Textilien sowie weitere verräterische Dinge entsorgt haben. Dazu hatte sich der Angeklagte bislang nicht geäußert. Und auch im Rahmen seines Geständnisses war davon nichts hören – es war lediglich die Rede von „Spuren beseitigen“…
„Ich, Dominik R., habe Lisa H. nach heftigem Streit getötet, was ich zutiefst bedaure“, beginnt der Text, für dessen Verlesen sich der Verteidiger erhob. Ihm, R., sei durchaus klar: „Ich werde für unseren Sohn immer der sein, der ihm die Mutter genommen hat.“
Vor allem um das Söhnchen (2), mit dem R. Tage nach der Tat ins Ausland geflohen und eine Woche nach dem Entdecken des in der Wohnung versteckten Leichnams im November in Spanien festgenommen worden war, soll der tödlich endende Streit gegangen sein. Er hätte sich mit der Trennung bereits abgefunden gehabt, wollte aber weiterhin Umgang mit seinem Buben. Er sah seine Zukunft bei der jungen Frau, mit der er für Lisa H. erst wieder Schluss gemacht hatte. Schon die Erwähnung ihres Namens aber in der Küche der Freyunger Wohnung hätte Lisa H. „ausrasten“ lassen.
Sie hätte ihn, der an jenem Abend eine Flasche Wodka alleine fast leer getrunken habe, und seine Familie beschimpft; sie hätte angekündigt, dass er seinen Sohn nie mehr würde wieder sehen. „Das tat mir weh“, las der Verteidiger weiter vor. „Ich habe ihr eine gescheuert. Sie nahm ein Messer von der Anrichte und hielt es mir an den Hals. Ich sagte, bring mich um, ich habe eh nix zu verlieren. Sie sagte: Das bist du nicht wert.“
„Ich zerbreche ihn sonst wie eine rohe Spaghetti“
Offenbar aber war dies keine Premiere für Gespräche derlei Inhalts sowie Umgangs miteinander. Kurz vor dem Geständnis erst hatte der Richter eine Internet-Unterhaltung des Paares aus jener Zeit verlesen: Lisa H schrieb, dass sie möchte, „dass des wieder wird“. R. schrieb unter anderem zurück: „Du bist voll hübsch geworden, vor allem die Haare; du schaust voll Bombe aus, du geile Drecksau. Wir kriegen das wieder hin, ich bin ein freier Mann, wer hätte das gedacht, es geht bergauf, ich liebe dich wie am ersten Tag.“ Lisa H. schrieb über die Nebenbuhlerin: „Wenn die noch 1 x meinen Mann anlangt hau ich ihr die Hand ab.“ R. konterte mit Lisa H.s neuem Freund: „Dann darf der das aber auch nimmer, ich zerbreche ihn sonst wie eine rohe Spaghetti.“ Sie darauf: „Der g’langt mi nimma a.“ Und er weiter: „Der braucht mei Frau nimmer anlangen.“ Sie: „Der ist ab morgen Geschichte.“ Und so fort. Dann vereinbarten beide noch ein sofortiges Treffen.
Lisa H. wäre in der Tatnacht mit dem Messer ins Schlafzimmer gerannt, wo der Streit in „eine Schreierei“ überging. „Und dann habe ich zugestochen.“ Wie R. an das Messer gekommen wäre, wüsste er nicht mehr. „Dann ist nur noch Nebel.“
Er hätte das Geschehene „nicht glauben“ können. Ihm wäre schlecht geworden, er hätte Durchfall bekommen. An Schlaf, wie er es einem Zeugen, einem Zockerkumpel, in jenen Tagen am Telefon erzählt hätte, wäre nicht zu denken gewesen. Er hätte vor dem anderen bloß nicht zugeben wollen, wie schlecht es ihm danach ergangen wäre. Er hätte sich dann aber gefangen, „alle Spuren beseitigen und mit dem Sohn abhauen“ wollen. Dass er lange ins Gefängnis kommt, wäre R. klar gewesen. Vorher hätte er noch einige Tage mit dem Kind verbringen wollen.
Mit dem Satz „ich bitte Lisas Familie und meine Familie von Herzen um Vergebung“ endet der Text. Für Fragen stand Dominik R. nicht zur Verfügung. Fast den ganzen Vormittag verbrachte er mit der Stirn auf dem Holztisch, die Augen auf den Boden gerichtet.
„Eine blitzsaubere Taktik für ein möglichst günstiges Ergebnis“
Was folgte, war – eine Pause: Die Psycho-Gutachterin, die sich zu Dominik R.s Verantwortlichkeit für das Tatgeschehen äußern soll, bekam Zeit, das Gehörte einzuarbeiten. Noch im Saal hatten viele Zuhörer den Kopf geschüttelt, verließen mit finsteren Mienen den Raum: „Des glaubt doch keiner!“ und „Die Verteidiger haben doch erst gewartet, was alles auf den Tisch kommt – und das jetzt so günstig wie möglich für den R. zusammengebastelt“, lauteten die empörten Kommentare. Ein Anwalt nannte das verlesene Geständnis „eine blitzsaubere Taktik, das Ergebnis der Beweisaufnahme für ein möglichst günstiges Ergebnis auszulegen“. Was freilich der Job jedes Verteidigers ist – und auch sein sollte.
Lisa H.s Eltern verließen den Saal schweigend. Das mit der von R. erbetenen Vergebung bleibt – so das Fazit aus einem kurzen Gespräch des Onlinemagazins da Hog’n mit der Mutter der Getöteten – jedoch wohl ein unerfüllter Wunsch.
So viel Munition für die Emotionen der Zuschauer das verlesene Geständnis lieferte, so vielsagend war es auch für die Gutachterin. Aus den Akten über Dominik R., den als Fünftklässler die Trennung der Eltern aus der behüteten und gewohnten Bahn warf, schilderte sie: Er lebte wechselnd bei Mutter oder Vater, wechselte entsprechend oft die Schule, war auch im Internat. „Das Verhältnis zu den Eltern war immer schwierig. Als er 18 war, verwies die Mutter ihn des Hauses.“
„Amnesie ist ein psychologisch normaler Mechanismus“
Eine pathologische Spielsucht, für die Dominik R. zur Tatzeit bereits einen Therapieplatz hatte, wegen der er wohl auch eine Einbruchsserie hingelegt hatte, kam ebenso zur Sprache wie seine Vorstrafen und sein Wohlverhalten beim Bewährungshelfer. Ob mangelnde Zielstrebigkeit, Alkoholkonsum und anderes aber einer Entwicklungsstörung zugrunde liegen oder zu einem kriminellen Lebensentwurf gehören („dann ist das kein Ausdruck einer Krankheit“), vermochte sie nicht zu beurteilen. Dominik R. hatte jedes Gespräch mit ihr verweigert.
Zur Tatnacht, dem „Nebel“ und der angeblich fehlenden Erinnerung an den Ablauf erklärte sie: „Eine ausgestanzte Amnesie ist ein psychologisch normaler Mechanismus – das ist Verdrängung und Verleugnung“. Dagegen, dass Dominik R. – ob angetrunken oder nicht – sich in einer Ausnahmesituation befand, sprach für die Expertin unter anderem, dass es bereits früher zu beidseitigen Tätlichkeiten gekommen wäre. Selbst, falls Lisa H. zum Messer gegriffen haben sollte, wäre das nicht das erste Mal gewesen. „Es war nicht völlig überraschend für ihn.“ Er hätte dann ja auch wenig Angst gezeigt, vielmehr noch dazu aufgefordert, ihn umzubringen.
Das anschließende Verhalten R.s, das Verpacken und Verstecken der Toten, das Saubermachen, die Flucht ins Ausland und deren Vorbereitung, während der er mit dem Kind in derselben Wohnung geblieben war, nannte die Psycho-Expertin „Konfliktlösungsstrategien, kontrolliertes Verhalten – er hielt Angst vor dem Entdecktwerden aus, mit bemerkenswerter Angsttoleranz“.
Der Prozess wird am Freitag, 10. November, fortgesetzt.
da Hog’n
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Spendenkonto „Familie Haselberger“:
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Die Sparkasse Freyung hat ein Spendenkonto für die Familie von Lisa H., insbesondere für den kleinen Sohn (2) eingerichtet. Bisher sind dort etwa 2.000 Euro an Spendengeldern eingegangen. Die Kontodaten lauten:
Zahlungsempfänger: Freyung hilft e.V. „Familie Haselberger“
IBAN: DE53 7405 1230 0060 2430 60
BIC: BYLADEM1FRG